Geschehen. Vielleicht möchte ich noch mehr sehen und erleben.
Mit diesen Gedanken schläft Myriam ein.
Ausgeruht betritt sie am nächsten Morgen ihr Büro und wartet. Worauf warte ich eigentlich? Dass Noemi noch einmal vorbeikommt? Dass der nächste Auftrag eingeflogen wird? Dass meine Assistentin Annie zur Arbeit kommt? Ja, ich will wissen, was Annie sonst noch erlebt hat. Ich bin nass, wenn ich an den gestrigen Abend denke. Kann man von dieser geilen Atmosphäre süchtig werden?
Alles Fragen, die im Moment wohl nicht beantwortet werden können. Myriam ergreift die Whiskey-Flasche und gießt sich einen großen Schluck ein. Wohlig lässt sie das scharfe Gebräu ihre Kehle hinunterlaufen. Dann öffnet sie ihren Laptop und gibt «Ankh» in die Suchmaschine ein.
Die ägyptische Hieroglyphe »Ankh” ist Teil des ältesten bekannten ägyptischen Schriftsystems und bedeutet »Leben” (im Diesseits und Jenseits) oder »Lebenskraft”, eine andere Bedeutung wäre: »Spiegel” bezüglich Spiegel der Bewusstwerdung. Hieroglyphen wurden vorwiegend an und in Tempeln oder Grabstätten von Pharaonen gefunden und sind vereinfacht ausgedrückt Sinnbilder, eine Bilderschrift, wobei der Wortstamm »Hieroglyphe” aus dem Griechischen kommt und die ungefähre Bedeutung »heiliges und magisches Zeichen” hat.
Die wenigsten Menschen im alten Ägypten konnten lesen und schreiben und so glaubten sie an die göttliche Herkunft dieser Zeichen, an ein Geschenk der Götter. Pharaonen bzw. Könige wurden zur damaligen Zeit vom Volk gleichzeitig als Vater und Mutter aller Menschen und zugleich auch noch als Zauberer und Priester gesehen.
Sie hatten von den Göttern die Macht zugewiesen bekommen, für reiche Ernte und großen Viehbestand zu sorgen. Andere Ankh-Symbol Bezeichnungen sind: Anch, Henkelkreuz, Schleifenkreuz, Lebenskreuz, Nilschlüssel, koptisches Kreuz, crux ansata, bei den Christen wurde es zum Sankt Antonius Kreuz
Myriam liest weiter:
Das Ankh fand man oft in Darstellungen, in welchen es die Pharaonen von den Göttern überreicht bekamen, (dem König wurde hier symbolisch gesehen der weibliche Teil der Schöpfung verliehen) um dann diesen Lebenshauch an das Volk weiterzugeben.
In anderen Abbildungen wird der Herrscher von den Göttern mit dem Ankh am Mund (zwischen Oberlippe und Nase) berührt und bekommt nach alter Überlieferung so Unsterblichkeit verliehen. Ein Ankh Kreuz erinnert stark an das uns bekannte Zeichen des weiblichen Geschlechts und hat Bezug zur Venus Mythologie. (Venus, der Planet des weiblichen Charakters). Die altägyptische Entsprechung des weiblichen Teils der Schöpfung ist «Isis».
Myriam sucht noch nach weiteren Erklärungen, findet aber nichts über ein magisches Ankh-Kreuz. Enttäuscht klappt sie den PC wieder zu. Wie auch immer. Der Smaragd leuchtet seltsam. Irgendetwas Magisches ist daran.
Flucht
Noemi eilt zu ihrer besten Freundin Emma, dort hat sie ihr ganzes Hab und Gut abgestellt, das sie für ein neues Leben im Ausland braucht. Reisepass auf einen neuen Namen und auch ein neuer Führerschein. Mit ihrem heimlich gesparten Geld hatte sie sich vor zwei Tagen ein Auto gekauft. Jedoch nicht angemeldet. Es lief noch auf den Vorbesitzer.
«Emma, bist du da?»
«Natürlich, Noemi, ich habe sehnsüchtig auf dich gewartet. Ich hatte solche Angst, dass du erwischt wirst!»
Die beiden Frauen fallen sich in die Arme, Noemi kann nicht anders, als zu weinen.
Endlich frei! Endlich frei! Nie mehr ein Halsband. Das weiß ich, auch wenn es nicht magisch sein sollte. Nie mehr eine Sklavin und nie mehr anderen Frauen zu Willen sein.
«Ist der Wagen vollgetankt?»
Emma nickt. «Süße, pass auf dich auf. Willst du mir nicht doch sagen, wohin du fahren willst?»
«Nein, je weniger du weißt, desto sicherer bist du. Ich möchte nicht, dass dir die Morettis das Lebenslicht ausblasen.»
«Okay, pass auf dich auf!»
«Ja, mach ich!» Noemi lächelt, umarmt Emma noch einmal, dreht sich um und steigt in den Wagen. Emma hatte ihn bereits fertig gepackt.
Noemi! Jetzt muss ich mich an einen anderen Namen gewöhnen und Noemi vergessen. Carmen Cravetta.
Sie sagte ihn leise vor sich hin: «Carmen Cravetta, Carmen Cravetta, Carmen Cravetta.» Jedesmal wird sie ein wenig lauter.
«Ja, genau! Jetzt kommt Carmen Cravetta mit ihrem neuen Leben. Jetzt erobere ich die Welt und niemand sagt mir mehr, was ich tun soll. Jetzt hören alle auf mich!»
Sie tritt das Gaspedal fest durch und fährt Richtung A2. Sie will nach Hamburg. Dort hat sie eine Passage auf einem Frachter gebucht, der heute Abend nach Ecuador ausläuft. Die Autofahrt wird ungefähr drei bis vier Stunden dauern. Wenn kein Stau dazwischen kommt, wird sie rechtzeitig am Hamburger Hafen sein und pünktlich ihr Schiff besteigen. Und dann auf Nimmer Wiedersehen, Antonia! Und du wirst mich nicht finden, denn die Papiere habe ich nicht bei deinen Handlangern anfertigen lassen. Sondern bei deinen Gegnern! Ha, du findest mich nicht, niemals im Leben wirst du mich finden. Und wenn ich genügend Beweise gegen dich gesammelt habe, werde ich dich vernichten!
Ah, das fühlt sich gut an.
Noemi Moretti alias Carmen Cravetta lacht und ist guter Dinge.
Die drei Wochen Überfahrt werde ich genießen.
Partytime
Myriam ist sehr neugierig geworden und klappt am nächsten Morgen in ihrem Büro ihren Laptop auf und gibt in die Suchmaschine Erotik Clubs in Berlin ein. Das Ergebnis hatte sie nicht erwartet.
So viele Clubs! Ich muss zugeben, bisher habe ich mich mit dem Thema nicht beschäftigt, aber nach dem Erlebnis mit und durch Noemi, bin ich neugierig geworden. Na ja, mal schauen, was ich tue.
Myriam ruft eine Freundin an: «Hallo, Nadine!»
«Hallo Myriam! Lebst du auch noch? Habe lange nichts von dir gehört!»
«Hatte viel zu tun, und musste dafür sorgen, dass ich genug Knete verdiene!»
«Und was verschafft mir die Ehre deines Anrufes?»
«Hast du Lust, mich in den KitKat-Club zu begleiten? Dort findet eine Fetischparty statt.»
«Was willst du auf einer Fetischparty? Du warst doch noch nie dort und wolltest das auch nicht kennenlernen!»
«Ich habe meine Meinung eben geändert! Also, kommst du nun mit oder muss ich mir eine andere Begleitung suchen?»
«Nein, nein, das ist super, ich begleite dich gerne!»
«Okay, ich hole dich um 21 Uhr ab. Du wohnst doch noch auf der Erich-Steinfurth-Straße?»
«Ja, Hausnummer 21! Ich freue mich!»
Nachdenklich legt Myriam ihr Telefon zur Seite. Sie beschließt, Feierabend zu machen und nach Hause zu fahren. Dort füllt sie ihren Schlafvorrat auf und schläft tief und fest bis um 18 Uhr.
Erfrischt steigt sie aus ihrem Bett und überlegt, was sie anziehen soll. Es muss auffällig sein, darf nicht bieder wirken.
Da werde ich schon fündig werden!
Myriam durchwühlt ihre Schublade mit den Dessous und findet eine schwarz-rote Corsage mit Strapsen, die ihre Brüste gut zur Geltung bringen. Passende schwarze Spitzenstrümpfe findet sie auch. Dazu die roten High-Heels, ein kurzer, schwarzer Lederrock und darüber nur ihren langen schwarzen Mantel mit Kapuze. Das ist perfekt. Nun noch das Make-Up. Sie tuscht sich die Wimpern und malt sich Smokeyeyes. Ihre Lippen zieht sie mit einem kirschrotem Lippenstift nach und verwendet einen Hauch Goldpulver auf ihren Wangen.
Fertig, Perfekt. Ein Blick in den Spiegel macht sie sehr zufrieden. Der Abend wird geil!
Ihre Absätze klappern, als sie den Flur entlang schreitet, steigt in ihr Auto und fährt zu Nadine. Sie wartet schon am Straßenrand und steigt zu Myriam ins Auto.
Am KitKat finden sie sofort einen Parkplatz und die beiden Frauen steigen aus.