begrüßte sie mich. "Werf dich in deinen schärfsten Fummel und dann machen wir Party!"
Sie lief immer noch im Minirock herum, obwohl es mittlerweile echt frisch war.
"Sag mal, frierst du gar nicht?", überging ich ihre Forderung.
Sie ließ sich auf ihr eigenes Bett nieder und wippte auf und ab, wie als würde sie auf einem Gymnastikball sitzen. Dieses Mädchen war wie ein Flummi, ständig in Bewegung. Sie schüttelte den Kopf.
"Nö. Und jetzt komm! Ich will Hamburg unsicher machen."
Sie warf mir ein Kissen zu, das mich mitten ins Gesicht traf. Ich setzte mich auf und zahlte es ihr mit gleicher Münze heim.
"Ach Lucía, ich weiß, dass du es liebst zu feiern, aber können wir das bitte auf morgen Abend verschieben? Ich will heute früh ins Bett gehen, damit ich morgen ausgeschlafen bin." Sie schürzte gespielt beleidigt die Lippen und seufzte tief.
"Na gut. Aber dann musst du mir jetzt erklären, was deine Fotos an der Wand bedeuten."
Ich grinste und fing an zu erzählen.
Am nächsten Morgen standen wir zeitig auf und machten uns für den ersten Schultag zurecht. Ich kam viel schlechter aus dem Bett als Lucía – sie pfiff schon morgens um sieben Uhr gut gelaunt ein spanisches Lied vor sich hin.
Ich entschied mich für eine dreiviertellange weiße Jeans, ein pinkes Top, darüber eine Jeansjacke und schlichte weiße Ballerinas. Rasch packte ich meine Tasche zusammen und kurz darauf verließen wir beide unser Zimmer.
Bei der Teeküche, die für unsere gesamte zweite Etage gedacht war, legten wir einen Zwischenstopp ein, um uns aus dem Kühlschrank unser Frühstück – belegte Brötchen, die Lucía gestern Abend für uns in der Cafeteria besorgt hatte – zu holen. Diese aßen wir im Gehen, wobei ich sowieso fast nichts herunterbrachte, weil ich wegen der neuen Situation etwas nervös war. So ließ ich das Brötchen angebissen in die Verpackung zurückgleiten und verstaute es in meiner Tasche.
Da wir im zweiten Stock wohnten, hatten wir das Glück direkt über den überirdischen Gang in die Schule gehen zu können. Die Schüler, die jedoch im ersten Stock wohnten, mussten entweder ein Stockwerk hoch oder ein Stockwerk runter, um in die Schule zu gelangen. Eine Glastür schwang automatisch auf, als wir näherkamen und schon trennten mich nur noch ungefähr 30 Meter von meinem ersten Schultag. Vor und hinter uns waren ebenfalls Schüler, die auch auf dem Weg in den Unterricht waren. Vorfreude erfüllte mich und mischte sich mit meiner Aufregung.
So lange hatte ich davon geträumt, endlich Fremdsprachenkorrespondentin zu werden und nun hatte ich die Chance, diesen Traum zu verwirklichen. Das fühlte sich toll an. Ein Lächeln stahl sich auf meine Lippen. Ich sah zu Lucía und mein Lächeln verblasste. Sie war kreidebleich und blickte ängstlich. Ich fasste sie am Arm.
"Hey Lucía, was ist denn? Du bist ja ganz blass."
"Äh, ja, ähm…der Gang…ist…er ist hoch…er ist ganz schön hoch…", stotterte sie.
Nanu? Ich kannte sie erst den zweiten Tag, aber in dieser kurzen Zeit war sie kein einziges Mal um einen flotten Spruch verlegen gewesen. Doch nun war ihr Selbstbewusstsein wie weggeblasen.
"Hast du Höhenangst?"
Sie nickte nur.
Ich beruhigte sie: "Hey, ganz ruhig. Sieh einfach nicht nach rechts oder links. Nur geradeaus. Gleich haben wir es geschafft."
Wir waren in einem weiteren Korridor angelangt, von dem verschiedene Räume abzweigten. Lucía hatte sich wieder beruhigt, jetzt, nachdem sie den Gang überwunden hatte. Sie steuerte unser Klassenzimmer an, warf dabei selbstbewusst ihre Haare über die Schulter.
Bei der vierten Tür auf der rechten Seite – Raum E214 – blieben wir stehen. Nervös – oder in Lucías Fall weniger nervös – traten wir durch die angelehnte Tür.
Der Raum war groß. Es gab überwiegend Zweierbänke, nur die letzte Reihe war hufeisenförmig angeordnet. Diese anscheinend beliebte Sitzreihe war schon komplett besetzt. Deshalb schnappten Lucía und ich uns einen Tisch in der vorletzten Reihe, bevor es jemand anderes tun konnte. Logisch, dass wir nebeneinander sitzen wollten. Was war ich erleichtert, dieser unangenehmen Situation, sich neben jemand Fremdes setzen zu müssen, entgehen zu können.
Ich sah mich um. Links von mir waren mehrere große Fenster, durch die uns jetzt schon die Sonne kräftig begrüßte. So wie es aussah, würde es ein angenehm warmer Tag werden. An den restlichen Wänden waren bunte Plakate angebracht. Da dies hauptsächlich unser Englischzimmer war, waren die Poster in englischer Sprache – Verbentabellen, Karten von Großbritannien und Amerika, Redewendungen und Sprichwörter.
"Good Morning, Ladies and Gentlemen! My name is Mary Bolt and I am your teacher for English Correspondence and Business Translation."
Eine kleine, schlanke Frau Anfang vierzig war zur Tür hereingerauscht, stellte schwungvoll ihre Sachen auf dem Lehrerschreibtisch ab und wandte sich uns zu. Sie blickte strahlend in die Klasse. Sie hatte dunkelbraune, kurze Haare und war, ihrem Namen und ihrer Aussprache nach zu urteilen, Muttersprachlerin. Tatsächlich entpuppte sie sich als Britin.
Nach einer kurzen Vorstellungsrunde unsererseits stiegen wir auch schon in den Unterrichtsstoff ein. Begeistert schlug ich mein großes Buch für Correspondence auf und tauchte augenblicklich in die englische Geschäftswelt mit all ihren Anfragen, Angeboten, Aufträgen und Reklamationen ein. Wobei wir mit der Anfrage starteten. In null Komma Nichts hatte Mrs. Bolt die ganze Tafel vollgeschrieben. Sie legte schon jetzt ein zügiges Tempo an den Tag und gab uns Hausaufgaben für nächste Woche auf.
Als nächstes hatten wir spanische Grammatik bei Señora Carmen García. Señora García war eine kleine, freundlich dreinblickende Frau, die mir sofort sympathisch war. Sie bestand ebenfalls darauf, dass wir uns kurz vorstellten - "En español, por favor!" -, was für Lucía selbstverständlich ein Leichtes war. Selbstbewusst ratterte sie in fließendem Spanisch ihren Namen, ihr Alter und ihre Herkunft herunter.
Nach ihr war ich an der Reihe. Zwar nicht ganz so selbstbewusst, aber dennoch sicher präsentierte ich mich der Klasse. Beeindruckt über meine Spanischkenntnisse nickte Señora García und lächelte mir zu. Entspannt lehnte ich mich in meinem Stuhl zurück. Meine Aufregung von vorhin war vorbei. Bis jetzt lief alles sehr gut. Ich sah mich in der Klasse um. Auf den ersten Blick waren keine allzu hübschen Jungs zu sehen, die mich nervös werden lassen könnten. Sehr gut. So konnte ich mich voll und ganz auf den Unterricht konzentrieren.
Der unbekannte Mann, dem ich gestern bei meiner Ankunft sprichwörtlich in die Arme gestolpert bin, kam mir wieder in den Sinn. Tja, so einen schmucken Kerl gab es halt nur einmal!
Hui, mein Magen machte einen Satz, sobald ich an seine meerblauen Augen dachte. Schnell lenkte ich meine Gedanken auf etwas Unverfängliches – auf die Tatsache, dass der Großteil unserer Klasse weiblich war. Insgesamt waren wir 16 Schüler, davon zwölf Frauen und vier Männer.
Der Tag zog sich so durch, nach Grammatik folgte Textverarbeitung im Keller bei einer blutjungen, blonden Referendarin, die einen sehr naiven Eindruck auf mich machte. Ständig strich sie sich ihre Haarsträhnen aus dem Gesicht und - entweder bildete ich es mir ein oder es war tatsächlich so – sie kümmerte sich besonders viel um den männlichen Part der Klasse und brachte dabei extrem ihr ausladendes Dekolleté zur Geltung.
Lucía machte sich über sie lustig und flüsterte mir amüsiert zu:
"Wenn sie sich noch weiter nach vorne lehnt, fallen ihre Titten gleich auf den Tisch. Offenbar hat die einen sexuellen Notstand."
Ich lächelte nur verkniffen und sagte nichts dazu. Meine sexuellen Erfahrungen beschränkten sich auf einen einzigen Kuss von Danny. Das konnte man nicht einmal ‚sexuell‘ nennen.
In der Mittagspause saß ich mit Lucía und einem Mädchen aus unserer Klasse, die Pauline hieß, zusammen an einem Tisch. Zum ersten Mal hatte ich richtig Appetit und verdrückte ein paniertes Schnitzel mit Pommes.
Pauline Lanton war zwar Halbfranzösin,