Anja Michl

Wenn Träume wahr werden


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französischen Vater. Sie nahm sich selbst nicht zu ernst, ein Charakterzug, der mir sehr sympathisch war.

      Vor der Mittagspause hatten wir eine Doppelstunde Übersetzung in Französisch bei Frau Lenk gehabt. Über besagte Frau diskutierten wir nun hitzig. Denn Frau Lenk, eine hochgewachsene Mittvierzigerin mit blondem Wuschelkopf, hatte leider eine ganz schreckliche Aussprache. Man konnte bei ihr den deutschen Akzent so stark hören, dass die sonst so melodisch und weich klingende Sprache sogar in Lucías Ohren, die auf Anfänger-Niveau trainiert waren, hart klang.

      "Das ist doch grausam!"

      Pauline fasste sich entsetzt an die Stirn.

      "Wie sollen wir das nur zwei Stunden die Woche aushalten? Ich habe das Gefühl meine Ohren sterben ab, wenn ich diesen schlimmen Akzent noch länger ertragen muss! C'est une maladie!"

      Ein bisschen kam ihre französische Ader also doch durch, die Lucía allerdings nicht verstand.

      "Mala…was?", fragte sie und lachte.

      "Maladie. Das heißt "Krankheit", antwortete ich ihr wie aus der Pistole geschossen.

      "Streber!", neckte mich Lucía.

      Ich streckte ihr spielerisch die Zunge heraus. Pauline lachte.

      Als Dreiergespann machten wir nachmittags ein wenig die Stadt unsicher und gönnten uns ein Eis. Die Sonne brannte auf uns herunter und ich musste mich beeilen, die leckere Erfrischung schnell genug zu schlecken, bevor sie mir auf die Hand tropfte.

      Lucías Blick ruhte auf mir.

      "Sag mal Emma, hast du einen Freund?"

      Auch Pauline schaute nun interessiert zu mir. Unwillkürlich tauchte vor meinem inneren Auge das Bild des hübschen Fremden auf.

      "Ähm, nein. Und du?"

      Ich versuchte schnell die Aufmerksamkeit von mir zu lenken. Dieses Thema war mir immer unangenehm.

      "Warum nicht? Du bist so hübsch!"

      Sie beugte sich zu mir und berührte meine Haare.

      "Ich liebe diese Farbe! Como miel!"

      Ich lachte verlegen.

      "Miel bedeutet Honig, oder?", wollte Pauline wissen.

      Ich nickte und war froh über den Themenwechsel. Doch meine spanische Freundin beließ es nicht dabei.

      "Dann müssen wir für dich einen Freund finden! Lasst uns heute Abend ausgehen!"

      Ihre dunkelbraunen Augen fingen an zu leuchten. Offenbar fand sie ihre Idee großartig!

      "Und ich habe übrigens einen Freund. Leider lebt er in Spanien. Er heißt Tulio und ist der tollste Mann im ganzen Universum!"

      Als sie "im ganzen Universum" sagte, breitete sie ihre Arme aus und warf den Kopf in den Himmel. Dadurch zog sie die Blicke aller umstehenden Passanten auf sich, was sie aber überhaupt nicht zu stören schien. Ein älteres Ehepaar blickte neugierig zu uns. Lucía bemerkte es und lächelte ihnen freundlich zu. Überrascht und etwas zögerlich erwiderten sie ihr Lächeln.

      Wahnsinn, wie Lucía die Leute in ihren Bann zog. Ich wünschte ich wäre auch nur im Entferntesten so selbstbewusst wie sie…

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