Eugen E. Hüsler

Bruckmann Wanderführer: Zeit zum Wandern Dolomiten


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erste Anstieg endet bei ein paar alten Schwaigen (1957 m), von denen es auf der Seiser Alm unzählige gibt. Nach kurzem Abstieg über Blumenwiesen stößt man auf das Sträßchen, das südwärts zur Saltner Hütte image (1:15 Std.) führt. Hinter der Einkehr, am Frötschbach, beginnt der Touristensteig. Etwa anderthalb Stunden geht’s – zunächst noch in lichtem Wald – bergan, dann ist der Rand der Schlern-Hochfläche erreicht. Einen Kilometer weiter südwestlich stehen die Schlernhäuser image (3:10 Std.). Sie gehören zu den ältesten Berghütten Südtirols.

      1884 erwarb die Alpenvereinssektion Bozen von der Gemeinde Völs ein Grundstück, wobei im Kaufvertrag festgeschrieben wurde, dass »bei der Vergebung der Wirtschaft die Eingeborenen von Völs zu berücksichtigen und Unfug und Unsittlichkeit in der Hütte möglichst hintanzuhalten« sei. Zwei Jahre danach konnte das Schlernhaus eröffnet werden. Später wurde es erweitert, 1903 das danebenstehende kleine Gasthaus von Christian Marsoner dazu erworben (deshalb Schlernhäuser) und immer wieder den neuen Zeiten angepasst. Trotzdem atmet der stattliche Bau mit seiner gediegenen Innenausstattung noch etwas vom unverwechselbaren Flair der »guten alten Zeit«. Am besten, man bleibt gleich über Nacht oben, genießt die Hausmannskost und bei Schönwetter das einzigartige Farbenspiel der Abendsonne an den bizarren Felsmauern des Rosengartens. Was für eine Schau!

      Rund 100 Höhenmeter fehlen noch zum höchsten Punkt des Schlerns, dem Petz image (3:30 Std.), und zum großen Panorama, das in den Dolomiten seinesgleichen sucht – es reicht nach Westen bis zum Ortlereis, nördlich zum Alpenhauptkamm und schließt viele Dolomitenzacken mit ein. Nur den Blick in die Tiefe, den bietet der Petz nicht, wer ihn genießen will, muss der Wegspur nördlich zum Burgstall und zum Santner Kanzele (2476 m) folgen. Fast anderthalb Kilometer (abgrund-)tief schaut man da hinunter auf die grüne Mittelgebirgsterrasse von Völs und Seis. Nicht zu weit vortreten, bitte!

      Dieser Blick macht deutlich, dass der Abstieg zwar genussvoll, aber halt auch recht lang werden wird. Er führt zunächst zurück zu den Schlernhäusern image (3:40 Std.) dann auf dem Touristensteig weiter bergab zu einer Verzweigung (1900 m) über dem Frötschgraben. Hier hält man sich links, an der nächsten Weggabelung rechts. Auf der rechten Talseite geht’s flach hinaus zur Proßliner Schwaige image (5:30 Std.), wo allein schon der Blick auf den Schlern und seine Türme – ein echtes Bilderbuchmotiv! – zur Einkehr verführen könnte. Kurz zuvor kreuzt der Weg den Tschapitbach, der als Fundstelle von Mineralien und Versteinerungen bekannt ist.

      Der Schlern zeigt sich, auch beim weiteren, teilweise recht steilen Abstieg durch den Graben des Frötschbachs (geologischer Lehrpfad), ab und zu zwischen den Baumwipfeln. Nächste Wegstation ist das Hotel Bad Ratzes (1212 m). Gebadet wird hier allerdings schon lange nicht mehr, auch wenn die bereits 1724 gefasste, leicht mineralhaltige Schwefelquelle am Berg noch immer sprudelt.

      Ganz zuletzt – die Häuser von Seis sind schon ganz nahe – kommt noch ein uralter, geschichtsträchtiger Platz ins Blickfeld: die Ruine Hauenstein, deren bleiches Gemäuer links oben aus dem Wald guckt. Hier, »auf einem Felsklotz rund und steil«, verbrachte Oswald von Wolkenstein (um 1375–1445), der weit gereiste Renaissancemensch, der Tiroler Rittersmann und Dichter, seine letzten Jahre. »Nordafrika, Arabien und Persien, die Krim und dann nach Syrien, Byzanz, ins Türkenreich, Georgien – die Sprünge sind vorbei!« schrieb er verbittert. Nach seinem Tod verfiel die Burg, wurde später wiederhergestellt und war eine Zeitlang Gerichtssitz, ehe sie im 19. Jahrhundert endgültig zur Ruine wurde.

      Die Wanderung endet bei der Talstation der Seiser-Alm-Gondelbahn image (7:00 Std.) am Ortsrand von Seis.

      Fronleichnam in Kastelruth

      Brauchtum ist in Südtirol noch lange nicht Folklore, und das beweisen auch die würdevollen Fronleichnamsprozessionen auf den Dörfern (die nicht mehr am Donnerstag, sondern am folgenden Sonntag stattfinden, weil Fronleichnam aus dem italienischen Feiertagskalender gestrichen wurde). Berühmt ist vor allem die Prozession von Kastelruth, leider mittlerweile fast schon ein »Event« mit mehr Schaulustigen als Gläubigen …

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      Von der Bärenfalle zur Tschafonhütte

       Sie stehen im Schatten des mächtigen Schlerns, die Berge über Tiers, zu Unrecht, bietet die Überschreitung von der Bärenfalle zur Tschafonhütte doch eine Fülle schönster Landschaftsbilder, dazu einen spannenden Wegverlauf. Genau richtig für all jene, die abenteuerliche Pfade mögen.

       Wegbeschaffenheit

      Bergwege, teilweise steil und rau, am Grat einige Drahtseilsicherungen. Abstieg neu trassiert, zuletzt Sandstraße

       Ausgangspunkt

      Wanderparkplatz (ca. 1180 m) bei Weißlahnbad

       Anfahrt

      Nach Tiers kommt man von der Brenner-Autobahn via Blumau. Durch den Ort und auf einer steilen Straße nach Weißlahnbad. Buslinie der SAD

       Einkehr

      Tschafonhütte, Ende April bis Anfang November bewirtschaftet, Tel. +39 347 813 1152, www.schutzhaus-tschafon.com

       Info

      Tourismusverein, St.-Georg-Straße 79, I-39050 Tiers, Tel. +39 0471 642 127, www.tiers.it

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       Über solide Stiegen geht’s zuletzt hinauf zum Tschafatschsattel.

      Der Wegverlauf

      Am Wanderparkplatz bei Weißlahnbad image informiert eine Tafel über den Naturpark Schlern-Rosengarten, an dessen Grenze man hier steht. Ein Holzschild weist dem Wanderer den richtigen Weg: »Schlern«. Er führt im Wald gleich steil bergan. Der schmale Pfad umgeht eine aufgelassene Kiesgrube an ihrem oberen Rand und quert dann die felsigen Steilhänge taleinwärts. Hinter dem sagenumwobenen Tschetterloch (Quelle) mündet die wildromantische Klamm des Bärenlochs. Zwischen senkrechten Felswänden gewinnt der schön angelegte Steig in kurzem Zickzack rasch an Höhe – im Rückblick zeigen sich die Latemartürme über grünen Hügeln. In dem vermauerten Graben geht’s weiter zügig bergan, dann gabelt sich die Schlucht. Der Weg quert nach links und klettert über einen steilen Hang hinauf zu einer Felsschulter. Der weitere Anstieg durch einen wilden Graben ist mit Stiegen und Holzbrücken gangbar gemacht. An einer Kehre grüßt Meister Petz (aus Holz, beißt garantiert nicht). Nach einer mit Drahtseilen gesicherten Passage entsteigt man der Klamm auf den Wiesenhang unterhalb des Tschafatschsattels