John Farndon

Big Ideas. Das Wirtschafts-Buch


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      1970er-Jahre US-Ökonom Milton Friedman vertritt die Ansicht, der Freihandel helfe den Entwicklungsländern.

      In den letzten 50 Jahren finden sich unter den Ökonomen zahlreiche Verfechter des Freihandels. Sie argumentieren, nur durch die Aufhebung von Handelsschranken könnten Waren und Geld frei um die Welt zirkulieren und die globalen Märkte sich entfalten. Andere stimmen dem nicht zu. Ihrer Meinung nach sind Arbeitsplätze und Wohlstand gefährdet, wenn im Handel zwischen zwei Staaten zu großes Ungleichgewicht herrscht.

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       Die merkantilistische Sicht der Dinge

      Die Diskussion um den Freihandel reicht zurück bis in die Zeit des Merkantilismus, die im 16. Jahrhundert begann und bis ins späte 18. Jahrhundert andauerte. Mit dem Aufstieg des niederländischen und englischen Seehandels begann die Verlagerung des Wohlstands von Südeuropa nach Norden.

      Gleichzeitig traten zu dieser Zeit die Nationalstaaten auf den Plan, zusammen mit der Vorstellung vom Wohlergehen der Nation, das an der Größe des »Staatsschatzes« (an Gold und Silber) gemessen wurde. Die Merkantilisten glaubten, die Welt lebe aus einem »begrenzten Topf«, daher sei der Wohlstand einer Nation abhängig von einer günstigen »Handelsbilanz«, bei der mehr Gold zufließt als ausgegeben wird. Fließt zu viel Gold ab, sinkt der Wohlstand der Nation, die Löhne fallen und Arbeitsplätze gehen verloren. England versuchte, den Abfluss von Gold durch Luxusgesetze einzuschränken, die darauf abzielten, den Konsum ausländischer Waren einzuschränken.

       Malynes und Mun

      Gerard de Malynes (1586–1641), ein englischer Experte für Devisenhandel, plädierte für eine Beschränkung der abfließenden Goldmenge. Wenn zu viel abfloss, so argumentierte er, verfalle der Wert der englischen Währung.

      Doch der bedeutendste merkantilistische Theoretiker Englands, Thomas Mun, hielt dagegen, dass es nicht so sehr darauf ankomme, ob Zahlungen im Ausland erbracht würden, sondern darauf, wie Handel und Zahlungen einander letztendlich ausglichen. Mun wollte zwar den Export fördern und den Import durch sparsamen Verbrauch von inländischen Produkten reduzieren. Aber er sah kein Problem darin, Gold im Ausland auszugeben, wenn es zum Ankauf von Waren diente, die dann für eine umso größere Summe re-exportiert wurden. Das kurbelte den Handel an, gab den Reedern Arbeit und vergrößerte den Staatsschatz.

       Freihandelsvereinbarungen

      Adam Smith vertrat im 18. Jahrhundert eine andere Auffassung. In Der Wohlstand der Nationen betonte er, entscheidend sei nicht der Reichtum einzelner Nationen, sondern der Wohlstand aller Nationen. Und die Größe des Topfes sei nicht vorgegeben: Er könne mit der Zeit wachsen – aber nur, wenn der Handel zwischen den Nationen nicht beschnitten werde. Ließe man ihm die Freiheit, würde der Markt immer weiter wachsen und alle Länder reich machen.

      In den letzten 50 Jahren war Smiths Ansicht vorherrschend. Die meisten westlichen Ökonomen halten Handelseinschränkungen zwischen den Nationen für schädlich für die Volkswirtschaften. Heute sind Freihandelszonen die Regel, während globale Organisationen wie die Welthandelsorganisation WTO und der Internationale Währungsfonds IWF die Länder zur Senkung ihrer Zölle drängen, damit ausländische Mitbewerber Zugang zu ihren Märkten erhalten. Barrieren im Außenhandel werden als protektionistisch kritisiert.

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      2010 in Paris: Französische Bauern mit ihren Traktoren demonstrieren nach einer Liberalisierung der Importe gegen den Verfall der Getreidepreise.

      Doch manche Ökonomen sorgen sich um die Entwicklungsländer, denn ihnen könnte es schaden, mächtigen globalen Unternehmen ausgeliefert zu sein. Sie können dann nicht ihre jungen Industrien hinter Schutzbarrieren pflegen, wie Großbritannien, die USA, Japan und Südkorea es taten, ehe sie zu bedeutenden Industrienationen aufstiegen. China dagegen verfolgt eine Handelspolitik, die in vieler Hinsicht Muns Denken entspricht. Die Handelsüberschüsse sind enorm und das Land baut gewaltige Devisenreserven auf. image

       Thomas Mun

      Thomas Mun wurde 1571 geboren und wuchs in einer reichen Londoner Kaufmannsfamilie auf. Sein Vater starb, als er drei war, und seine Mutter heiratete Thomas Cordell, einen späteren Direktor der Ostindien-Kompanie. Mun begann seine Karriere als Kaufmann im Mittelmeerraum. 1615 wurde er Direktor der Ostindien-Kompanie. Seine Vorstellungen entwickelte er, um die Kompanie zu verteidigen: Sie exportierte große Mengen Silber – gut für den Re-Export-handel, sagte Mun. 1628 suchte die Kompanie die Unterstützung der britischen Regierung, um ihren Handel gegen die niederländische Konkurrenz zu schützen. Mun trug dieses Anliegen im Parlament vor. Als er 1641 starb, hatte er ein erhebliches Vermögen angesammelt.

       Hauptwerke

      1621 A Discourse of Trade

      um 1630 England’s Treasure By Foreign Trade

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      DIE WIRTSCHAFT LÄSST SICH BEZIFFERN

      DIE MESSUNG DES WOHLSTANDS

       IM KONTEXT

      SCHWERPUNKT

       Wirtschaftswissenschaftliche Methoden

      VORDENKER

      William Petty (1623–1687)

      FRÜHER

      1620 Der Engländer Francis Bacon setzt sich für einen neuen wissenschaftlichen Ansatz ein: Fakten sammeln.

      SPÄTER

      1696 Der englische Statistiker Gregory King verfasst eine statistische Übersicht über die englische Bevölkerung.

      1930er-Jahre Der Australier Colin Clark erfindet das Bruttonationaleinkommen (BNE).

      1934 Der Ökonom Simon Kuznets entwickelt eine moderne volkswirtschaftliche Gesamtrechnung.

      1950er-Jahre Der britische Ökonom Richard Stone entwickelt Systeme zur volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung, z. B. für UN und OECD.

      Heute halten wir es für selbstverständlich, dass man die Wirtschaft messen und ihre Expansion und Schrumpfung exakt beziffern kann. Diese Vorstellung geht auf die 1670er-Jahre und den englischen Wissenschaftler William Petty zurück. Er wandte die neuen empirischen Methoden der Naturwissenschaften auf wirtschaftliche Fragestellungen an. Dazu sammelte er Daten aus der realen Welt und beschloss, sich nur »in Form von Zahl, Maß und Gewicht« auszudrücken. Mit diesem Ansatz trug er zur Entstehung der Wirtschaftswissenschaft bei.

      In seiner Politischen Arithmetik von 1690 zeigte Petty anhand realer Daten, dass England entgegen der vorherrschenden Ansicht reicher war denn je. Eine seiner bahnbrechenden Entscheidungen bestand darin, den Wert der Arbeit ebenso zu berücksichtigen wie Land- und Kapitalbesitz. Auch wenn Pettys Zahlen nicht unumstritten sind, besteht kein Zweifel an der Effektivität seiner grundsätzlichen Idee. In seine Berechnungen bezog er die Bevölkerungszahl, die persönlichen Ausgaben, den Lohn pro Person, die Mieten und anderes mit ein. Er multiplizierte diese Zahlen, um einen Gesamtwert für den Wohlstand der Nation zu erhalten.

      Ähnliche Methoden entwickelten Pierre de Boisguilbert und Sébastien Le Prestre de Vauban (1633–1707) in Frankreich. In England analysierte Gregory King