abweichen. Wir brachen die Befragung ab. Rico Jarmaine wurde abgeführt. Nachdem sein Anwalt ebenfalls verschwunden war, sagte ich: "Mit dem Kerl ist was faul, er sagt nicht die Wahrheit."
"Warten wir das genetische Gutachten ab, dann sind wir schlauer", meinte Baker.
Milo lachte heiser. "Vorausgesetzt, es findet sich überhaupt genug DNA-Material, mit dem die SRD-Kollegen arbeiten können!" Er klopfte mir auf die Schulter. "Trotzdem ein guter Bluff! Selbst diesen Anwalt hast du damit nervös gemacht!"
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Später rief uns Mister McKee in sein Besprechungszimmer. Clive und Orry waren schon anwesend. Jay und Leslie trafen kurz nach uns ein.
"Unser anonymer Informant hat sich wieder gemeldet", berichtete unser Chef. "Danach kehrt Tony Scarlatti gerade zurück..."
"Habe ich das richtig verstanden?", fragte Clive. "Das klang so, als wäre er schon da!"
Ein flüchtiges Lächeln glitt über Mister McKees Gesicht. "Scarlatti soll vorgestern auf dem Flughafen von Toronto unter dem Namen José Sorenas Batista mit einem falschen argentinischen Diplomatenpass gelandet sein."
"Ich nehme an, Sie haben diese Angaben bereits überprüft", vermutete ich.
Unser Chef nickte. "Es war tatsächlich ein argentinischer Diplomat mit diesem Namen unter den Passagieren einer Air France-Maschine vom Typ Concorde. Allerdings ist ein Diplomat namens José Sorenas Batista weder bei der argentinischen Botschaft in Toronto noch beim argentinischen Außenministerium in Buenos Aires bekannt."
"Dann könnten die Angaben dieses Informanten der Wahrheit entsprechen", meinte Orry.
Ich nippte an meinem Kaffeebecher. Mandy, die Sekretärin unseres Chefs war im gesamten Bundesgebäude für ihren Kaffee berühmt. "Haben die Jungs aus dem Labor noch irgendetwas über die Stimme herausgefunden?" fragte ich.
Mister McKee schüttelte den Kopf.
"Leider nicht. Scarlatti alias Batista ist natürlich zur Fahndung ausgeschrieben. Ich hoffe, dass er uns ins Netz geht. Ich bin gerade dabei eine Telefonüberwachung seiner wichtigsten Gefolgsleute hier im Big Apple zu erwirken. Allen voran Ray Neverio."
Einige Augenblicke lang herrschte Schweigen.
"Es muss offenbar jemanden im Scarlatti-Clan geben, dem es ganz recht ist, wenn der große Alte ausgeschaltet würde", meinte ich. "Anders ist es kaum zu erklären, dass so etwas nach außen dringt!"
Clive Caravaggio hob die Schultern und nahm einen Schluck aus seinem Kaffeebecher. "Mir gefällt es nicht, dass dieser Unbekannte unseren Einsatz quasi per Fernsteuerung mit einem Anruf auslösen kann."
"Ich hasse es ebenfalls, manipuliert zu werden", gestand Mister McKee. "Andererseits - sollen wir uns Tony Scarlatti deshalb durch die Lappen gehen lassen?"
An den Händen des "Großen Alten" klebte eine Menge Blut.
Er hatte es verdient, hinter Gitter zu kommen.
Auf jeden Fall musste er einen sehr wichtigen Grund dafür haben, die Sicherheit seines marokkanischen Exils aufzugeben. Vielleicht traute er seinem gegenwärtigen Statthalter nicht.
Mister McKee wandte sich Clive Caravaggio. "Wir brauchen dringend zusätzliche Informationen aus dem Dunstkreis der Scarlattis. Aktivieren Sie sämtliche Informanten, die wir in Little Italy haben! Die sollen endlich mal was tun für ihr Geld!"
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Das "Hot Spot" war einer der mondänsten Nachtclubs in der Avenue A. Das nördlich der Lower Eastside gelegene Gebiet um die Avenue A, B und C wird auch Alphabet City genannt. In den letzten Jahren hatte sich dort eine ganze Anzahl neuer Nachtlokale und Discotheken der gehobenen Klasse angesiedelt.
Die Wagenkolonne von Alex Shkoliov und seinem Tross hielt vor dem "Hot Spot".
Insgesamt waren es fünf Limousinen und ein Van.
Seit dem Anschlag auf seine Villa ging Shkoliov auf Nummer sicher. Zurzeit residierte er in einem Hotel in Boston. Dort hatte er mit seinen Leuten eine ganze Etage gemietet. Aber der große Boss des Ukrainer-Syndikats aus Brooklyn wusste nur zu gut, dass das keine Dauerlösung war.
Dazu war er einfach schon viel zu lange im Geschäft.
Seine Leute verloren den Respekt vor ihm, wenn er sich aus dem Staub machte und irgendwo in der Ferne verkroch. Von jemandem wie ihm erwarteten die Mitglieder der Organisation, dass er vor Ort war.
Jemand, der für Ordnung sorgte, damit die dunklen Geschäfte florieren konnten.
Alex Shkoliov hatte an diesem Abend ein Treffen aller Unterbosse seines Syndikates einberufen.
Ich muss Präsenz zeigen!, ging es dem Ukrainer durch den Kopf. Sein Anzug spannte. Mit der Kevlar-Weste unter seiner Kleidung wirkte er mindestens zehn Kilo schwerer. Etwas ungeduldig saß er auf dem Rücksitz seiner gepanzerten überlangen Daimler-Limousine.
"Wir haben alles unter Kontrolle, Boss", sagte der Mann auf dem Sitz neben ihm. Es handelte sich um einen massigen Mann mit vollkommen kahlem Schädel. Über einen Ohrhörer und einem Mikro am Hemdkragen bestand Funkverbindung mit den fast zwei Dutzend Leibwächtern, die Alex Shkoliov bei diesem Anlass begleiteten. "Der Laden gehört uns ganz allein. Das normale Publikum hat keinen Zutritt!"
Alex