gedacht, sah aber nur geringe Chancen.
"Auf jeden Fall können wir uns nicht gleichzeitig mit der Scarlatti-Familie und dem FBI anlegen, Kid! Dass muss auch dir klar sein!"
11
Am nächsten Morgen fuhren Milo und ich zu Scarlattis Penthouse in der Elizabeth Street. Zurzeit wohnte dort Evita Jackson, die junge Frau, die sich während des Attentats neben Jack Scarlatti auf dem Beifahrersitz befunden hatte.
Die Kollegen der City Police hatten sie unmittelbar nach den Geschehnissen auf der Brooklyn Bridge vernommen. Was den Tathergang anging, war sie eine der wichtigsten Zeugen für uns.
Möglicherweise konnte sie uns allerdings auch noch mehr über Scarlattis persönliches Umfeld verraten.
Wir parkten den Sportwagen, den uns die Fahrbereitschaft des Field Office zur Verfügung stellte, in einer Nebenstraße und gingen die letzten fünfhundert Meter zu Fuß.
321 Elizabeth Street war ein zehnstöckiges Gebäude. In den unteren beiden Etagen fanden sich Geschäfte und Restaurants. Der Rest war mit Wohnungen der Luxusklasse belegt, deren Quadratmeterzahl den New Yorker Durchschnitt um mindestens das Doppelte übertraf. Die Sicherheitsvorkehrungen waren streng. Überall gab es Kameras. Eine Mannschaft aus gut bewaffneten Security Guards in schwarzen Uniformen bewachte das Haus.
Jack Scarlatti schien bei der Auswahl seiner Residenz viel Wert auf Sicherheit gelegt zu haben.
Dafür gab es gute Gründe.
Wir fuhren mit dem Lift hinauf zum Penthouse.
Wenig später standen wir vor der Wohnungstür. Ich klingelte.
"Wer ist da?", meldete sich eine weibliche Stimme.
"Miss Evita Jackson?", fragte ich. "Hier spricht Special Agent Jesse Trevellian vom FBI. Ich möchte Ihnen ein paar Fragen stellen."
"Was für Fragen?" Evita Jacksons Stimme wirkte verschlafen. "Ich habe doch schon alles Ihren Kollegen gesagt..."
"Sie möchten doch sicher auch, dass die Mörder von Mister Jack Scarlatti gefasst werden, also helfen Sie uns bitte!"
Etwas knackte in der Leitung.
"Warten Sie einen Augenblick", säuselte Evita.
Wenig später öffnete sich die Tür einen Spaltbreit. Noch war sie durch eine Kette gesichert. "Geben Sie Ihren Dienstausweis herein!", forderte die junge Frau.
Ich reichte ihr meine ID-Card herein.
Einen Augenblick später erhielt ich sie zurück. Evita Jackson öffnete uns. Sie trug nichts weiter als einen Seidenkimono. Ihre wohlgerundeten Brüste zeichneten sich deutlich durch den fließenden Stoff ab. Das Haar war feucht. Offenbar hatte sie gerade geduscht.
Wir traten ein.
Sie führte uns in das Wohnzimmer, das allein doppelt so groß wie eine durchschnittliche New Yorker Wohnung war. "Ich weiß nicht, was das ganze soll", meinte sie. "Ich habe Ihren Kollegen von der City Police ausführlich Rede und Antwort gestanden..."
"Die entsprechenden Protokolle haben wir gelesen", unterbrach ich sie.
"Ich fürchte, dass ich Ihnen nicht mehr sagen kann als dort drinsteht!" Sie atmete tief durch, verschränkte die Arme unter den Brüsten. "Ihre Leute haben hier alles auf den Kopf gestellt. Was glauben Sie, was ich für eine Arbeit hatte, hier wieder halbwegs Ordnung zu schaffen!", beschwerte sie sich.
"Eine Durchsuchung der Wohnung ist bei einem Mordopfer Routine", erklärte ich ihr.
Sie verzog das Gesicht, machte einen Schmollmund.
"Ich hoffe, es war der Mühe Wert und Sie haben auch etwas gefunden!", sagte sie mit einem bissigen Unterton. "Egal ob FBI oder NYPD - die Justiz hat immer nur versucht, Jack etwas am Zeug zu flicken. Und jetzt, da er tot ist..."
"...geben wir uns alle Mühe, seine Mörder dingfest zu machen", unterbrach ich sie ein zweites Mal.
Sie lachte bitter auf. "Und das soll ich Ihnen glauben?"
"Ein Mord ist ein Mord - selbst dann, wenn das Opfer vielleicht selbst ein Verbrecher gewesen ist!"
"Es gab kein einziges rechtskräftiges Urteil gegen Jack!", fuhr die junge Frau mich an, und ich bereute meine Worte bereits. "Aber da sieht man es ja! Sie gehen davon aus, dass Jack ein Verbrecher war - wie Sie es nennen! Alles, was Sie interessiert ist, mit wem er in Verbindung stand und wo Sie sein Andenken noch nach dem Tode beschmutzen können! Oder Sie suchen einen Vorwand, um Jacks Vermögen gemäß des Rico Act einziehen zu können."
Der Rico Act war ein Gesetz, das es erlaubte, das Vermögen von Personen zu konfiszieren, die wegen Beteiligung am organisierten Verbrechen verurteilt worden waren.
"Ich weiß nicht, weshalb Sie sich Sorgen um Jack Scarlattis Vermögen machen", mischte sich Milo in das Gespräch ein.
"Einen Teil davon werde ich erben", erklärte Evita Jackson nach einem Augenblick des Zögerns. "Es gibt ein Testament, das mich zum Beispiel zur Eigentümerin dieses Penthouse macht."
"Herzlichen Glückwunsch, Miss Jackson!", sagte Milo. "Aber keine Sorge, wir wollen Ihnen nicht die Wohnung wegnehmen."
"Was wollen Sie dann?"
"Wann und wo haben Sie Jack Scarlatti kennen gelernt?", fragte ich.
Sie stemmte die Arme in die Hüften. "Ich verstehe nicht, was..."
"Beantworten Sie einfach meine Frage."
"Also gut. Wir lernten uns vor einem Jahr in einem Club in Miami kennen. Es war sozusagen Liebe auf den ersten Blick..."
"Seit wann leben Sie hier mit Mister Scarlatti zusammen?"
"Zehn Monate."
"Hat Mister Scarlatti mal über seinen Vater in Marokko gesprochen?"
"Er hat ihn mal erwähnt, ja. Aber mehr kann ich Ihnen dazu nicht sagen. Sein Vater, das war ein Thema über das er nicht gerne redete."
"Eigenartig."
"Wieso?"
"Ich dachte immer, für Italiener wäre die Familie das Wichtigste!"
Ihre Augen funkelten mich ärgerlich an. "Sind Sie wirklich nur gekommen, um mich diesen Mist zu fragen? Ich habe Jack geliebt. Wer sein Vater ist, war mir vollkommen gleichgültig!"
"Wie ist Ihr Verhältnis zu Ray Neverio?"
"Ich kenne ihn flüchtig. Ist irgendein Verwandter. Ein Cousin, glaube ich."
"Wir