Walter G. Pfaus

Sommer Bibliothek 11 besondere Krimis


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      Wir blieben noch einige Stunden in der Bronx. Die Kollegen der City Police suchten in Zusammenarbeit mit einem guten Dutzend G-men die Gegend nach dem Flüchtigen ab. Vergeblich. Er musste zu Fuß geflohen sein. Möglicherweise hatte er die Abwasserkanäle für seine Flucht benutzt. Jedenfalls blieb er unauffindbar. Die anderen Männer, die mit ihm zusammen versucht hatten, uns zu töten, wurden verhaftet und zur Federal Plaza gebracht. Dort warteten ausgedehnte Verhöre auf sie. Die nächsten Tage würden sie in den Gewahrsamszellen verbringen, die das Field Office New York für solche Fälle bereithielt. Zu irgendwelchen Aussagen waren sie nicht bereit. Ich hoffte nur, dass unsere Vernehmungsspezialisten sie davon überzeugen konnten, dass es sinnlos war, die gesamte Schuld auf sich zu nehmen. Diese Männer waren Teil einer kriminellen Organisation. Jemand hatte sie beauftragt, und unsere Aufgabe war es, hinter die Kulissen zu schauen.

      Der verletzte Allan Tucoma war in das St. David Hospital in der 111. Straße gebracht worden, damit die Schussverletzung behandelt werden konnte. Rund um die Uhr würde er dort von NYPD-Kollegen bewacht werden. Wir hofften, dass auch er unseren Kollegen so schnell wie möglich für Vernehmungen zur Verfügung stand.

      Inzwischen trafen auch Spurensicherer der Scientific Research Division ein. Möglicherweise fanden sie irgendwelche Hinweise, die uns weiter brachten.

      Eine Spur hatten wir immerhin.

      Sowohl Allan Tucoma als auch die Männer, die versucht hatten, ihn zu befreien, trugen die protzigen Goldkreuze um den Hals, die uns Larry Morton als Erkennungszeichen der Gang "Los Santos" genannt hatte. Goldkreuze, die statt eines Gekreuzigten Jesus ein gehörntes Gerippe zeigten.

      "Die Kerle werden schweigen wie ein Grab, da kannst du Gift drauf nehmen", meinte unser Kollege Jay Kronburg.

      "Genauso wie die Leute hier in der Gegend", ergänzte ich.

      Jay nickte düster.

      "Jeder von diesen selbsternannten Heiligen, den wir in die Finger kriegen, weiß doch ganz genau, dass seine Gangbrüder ihn kalt machen, wenn er sie verpfeift!"

      Milo meldete sich zu Wort. "Meinst du, es hat Sinn, dass wir uns diesen Morton noch einmal vornehmen?"

      "Der wird keinen Ton mehr sagen", war ich überzeugt.

      Ein Sergeant der Scientific Research Division nahm sich gerade den Geländewagen vor, mit dem die "Santos" herangerauscht waren. Über den Radkästen befanden sich spezielle Kammern, gefüllt mit Munition und Handgranaten.

      "Diese Heiligen sind ausgerüstet, als ob sie jemandem einen Krieg erklären wollten!", staunte Milo.

      "Scheint als hätten sie sich mit dem Scarlatti-Clan auch einen mehr als gleichwertigen Gegner ausgesucht", meinte Jay. "Ich frage mich nur, ob die Killer aus Little Italy nicht eine Nummer zu groß für sie sind!"

      "Ich würde mir gerne das Parkhaus ansehen, in dem die Roller-Skates-Rennen stattfinden sollen", sagte ich. Jay sah mich fragend an. "Morton berichtete davon", erklärte ich ihm. "Es soll sich ganz in der Nähe befinden."

      "Wir sind mit einem Ford hier", mischte sich jetzt Leslie Morell ein. "Da passen wir alle vier hinein!"

      Wenig später stiegen wir in den viertürigen Ford aus dem Fuhrpark der FBI-Fahrbereitschaft. Unser Kollege Leslie Morell saß am Steuer. Das Parkhaus hatten wir schnell gefunden. Graffitis prangten an den Betonwänden. Die Schranken waren demoliert. Ebenso die Automaten, die früher die Parktickets abgelesen hatten.

      "Sag mal, was hoffst du hier eigentlich zu finden, Jesse?", fragte Milo.

      "Keine Ahnung. Vielleicht hängen hier ein paar von den Kids herum, die alle nur davon träumen, endlich Mitglieder von der Santos-Gang zu werden."

      "Und dafür vielleicht auch bereit wären einen Mafia-Boss umzubringen?"

      "Zumindest würden sie dafür ein paar im Stau festsitzende Porschefahrer um ihre Brieftasche erleichtern!"

      Jay Kronburg mischte sich in das Gespräch ein. "Diese Gegend ist doch wie ein Dorf, Jesse! Was glaubst du, wie schnell sich herumgesprochen hat, was in dem ehemaligen Supermarkt passierte! Und wer einen Funken Verstand hat, sieht zu, dass er von der Straße verschwindet!"

      Leslie lenkte den Ford ins das Parkhaus hinein. Er fuhr mit aufheulendem Motor die Rampe empor.

      "Bei einem dieser Roller-Skates Rennen wäre ich gern dabei", meinte ich. "Ich glaube nämlich, dass wir da genau die Typen treffen würden, die uns etwas über die Santos und ihre Hintermänner erzählen könnten."

      "Fragt sich nur, ob von den Kids überhaupt jemand mit uns reden würde, Jesse!"

      Der Ford erreichte das oberste Deck. Leslie trat auf die Bremse. Der Wagen stoppte. Wir stiegen aus. Man hatte von hier oben einen guten Blick über die gesamte Umgebung. Abgesehen von ein paar Gebäuden, die etwas höher waren und den Blick Richtung Norden versperrten.

      Wir sahen uns um.

      Manchmal sind es auch Kleinigkeiten, die festgefahrene Ermittlungen weiter bringen.

      Auf dem Betonboden waren mit grellen Farben Bahnen markiert. Dazwischen immer wieder Graffiti. Sie bedeckten nicht nur den Boden, sondern auch die Betonpfeiler.

      "Die Kids haben sich künstlerisch richtig viel Mühe gegeben", meinte Jay Kronburg, der sich gerade in Höhe der Startmarkierung befand. "Hier geht die Jagd also los. Und dann rasen sie wahrscheinlich bis unten in den dritten oder vierten Stock unter der Erde."

      "Diese Verrückten", war Leslie Morells Kommentar. "Die müssen doch ein Wahnsinnstempo draufkriegen!"

      "Wenn diese Roller-Skates-Gang hier öfter Rennen fährt, kann das kaum ohne Blessuren abgehen", meinte Milo. "Vielleicht sollen wir die umliegenden Kliniken mal nach Personen durchforsten, die wegen typischer Verletzungen behandelt wurden." Er zuckte die Schultern, machte ein ziemlich ratloses Gesicht dabei. "Das wäre zumindest ein Ansatzpunkt."

      Mich interessierte ein Graffiti-Motiv, das mit einigem künstlerischen Geschick auf einen Betonpfeiler gesprüht worden war. Es zeigte Roller-Skates-Fahrer in hellen Western-Mänteln in voller Fahrt. Die Mäntel wehten hinter ihnen her.

      "Hey, seht euch das mal an!", rief ich. "Kommt euch das nicht bekannt vor?"

      Leslie Morell näherte sich, blieb schließlich im Abstand von zwei Metern hinter mir stehen.

      "Wir sind hier also auf der richtigen Spur", stellte Leslie fest. "Ich fürchte trotzdem, dass wir hier kaum weiterkommen werden, Jesse!"

      "Wieso?"

      "Na überleg doch mal! Wollen wir uns hier vielleicht auf die Lauer legen und abwarten, bis diese Kerle mal wieder eines ihrer Rennen veranstalten? Die sind nicht dumm. Darum werden sie einfach nicht mehr herkommen, solange wir in der Nähe sind."

      "Leslie hat Recht", war auch Jay Kronburgs Ansicht. "Und mit der Hilfe der Anwohner können wir hier wohl kaum rechnen."

      Wir sahen uns noch etwas um.

      Milo fand schließlich eine Patronenhülse auf dem Boden. Er hob sie auf, tütete sie für die Untersuchung im Labor ein. "Offenbar sind hier Schießübungen durchgeführt worden", sagte er.

      "Oder da wollte nur jemand angeben", kommentierte ich den Fund. Jay telefonierte mit den Kollegen der Scientific Research Division, die mit dem Supermarkt sicher noch eine ganze Weile beschäftigt waren. Aber anschließend sollten sich die Spurensicherer auch einmal hier umsehen.

      Wir stiegen in den Wagen, fuhren die Rampe hinunter. Sie war für eine Limousine relativ eng gewunden. Ein Roller-Skates-Rennen musste unter diesen Bedingungen geradezu halsbrecherisch sein.

      "Lass uns auch die unteren Decks mal in Augenschein nehmen, Leslie!", wandte ich mich an meinen Kollegen am Steuer.

      "Wenn du glaubt, dass das was bringt."

      Drei