Walter G. Pfaus

Sommer Bibliothek 11 besondere Krimis


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dorthin zurückkehrte und drinnen Schreie hörte. Sie rief den Hausmeister und die Polizei. Der Hausmeister bekam eins übergebraten, als er eintraf... Ja, seltsam, nicht? Der Täter ist trotz der Tatsache, dass er ertappt wurde, so lange am Tatort geblieben... Was weiß ich, vielleicht wollte er die Kopfrasur des Opfers beenden, keine Ahnung.“

      Delany beendete das Gespräch und steckte sein Handy ein.

      Barney stand in der Nähe und unterdrückte ein Gähnen.

      „Schlecht geschlafen, Officer?“

      „Geht so“, sagte Barney. „Ein Fall für den Aktenberg, was?“

      „Darauf wird es hinauslaufen, fürchte ich.“

      „Weil Nutten keine Lobby haben?“

      „Weil Cracksüchtige kein Hirn mehr haben, mit dem sie eine vernünftige Aussage formulieren und ihre Erinnerungen sortieren könnten.“

      „So kann man es auch sehen.“

      „So sehe ich es.“

      Barney sah auf die Uhr. „Ich hoffe, dass Theater hier ist bald zu Ende.“

      Delaney nickte. „Wir machen Schluss, Leute!“, rief er.

      „Der Gerichtsmediziner war noch nicht da!“, rief jemand.

      „Der kriegt seine Leiche angeliefert und soll im Sektionsraum sehen, was er tun kann. Wir warten jetzt nicht länger.“

      „Okay, Chief!“

      „Haben Sie eine Ahnung, warum der Killer ihr die Haare abrasiert hat?“, fragte Barney.

      „Ganz einfach: Weil er irre ist“, sagte Delaney.

      Barney hob die Schultern. „Ich meinte, der muss das ziemlich routiniert und schnell über die Bühne gekriegt haben. Und auch ziemlich schnell...“

      „Ja, wie einer, der Schafe schert.“

      „Komischer Vergleich“, meinte Barney.

      „Wieso?“

      „Naja...“

      „Ich hab die Tote ja nur mit einem Schaf verglichen – und nicht mit einem Unschuldslamm“, sagte Delany.

      Einer der Spurensicherer kam zu Captain Delany. „Ich habe hier noch was gefunden“, meinte er.

      „Was denn?“

      „Ein Fläschchen. Wenn drin ist, was draufsteht, dann sind das K.O.-Tropfen.“

      „Könnte der Täter zurückgelassen haben.“

      „Genau.“

      „Das Zeug soll ins Labor. Dann sehen wir weiter“, sagte Delany.

      3

      Jahre später...

      Es war Nacht und der Big Apple hatte sich in ein Lichtermeer verwandelt. Von den Sternen war dadurch kaum etwas zu sehen.

      Die schwarze Limousine hielt kurz vor dem Hotel Parrinder in der Davis Lane, Brooklyn. Eine junge Frau stieg aus der Tür hinten rechts. Sie trug einen sehr knappen Lederrock, hochhackige Schuhe und viel Make-up. Das wasserstoffblonde Haar war hochgesteckt. Auf der Holzspange war das Wort L’AMOUR in kunstvollen Lettern eingebrannt worden.

      Die Blondine zählte ein paar Geldscheine und steckte sie in ihre Handtasche.

      Das Seitenfenster der Limousine glitt hinab.

      „Sehen wir uns nächste Woche?“, fragte eine Männerstimme.

      „Du hast meine Nummer, ruf mich an.“

      „Ich möchte, dass du dir den Mittwoch ab acht Uhr abends für uns reservierst, Eileen“, forderte der Mann, von dem nichts als ein heraus gelehnter Ellenbogen zu sehen war.

      Eileen grinste.

      „Dann musst du aber noch einen Schein drauflegen!“

      „Okay! Bis dann!“

      „Bye!“

      Die Limousine fuhr davon. Eileen atmete tief durch und ging auf den flackernden Neonschriftzug des nahen Hotels zu.

      Ein unscheinbarer Ford näherte sich jetzt. Der Fahrer musste Eileen beobachtet und gewartet haben, bis die Limousine fort war.

      Hoffentlich nicht wieder so ein Perverser!, dachte sie und verzog das Gesicht. Selbst ein Lockvogel der Cops lässt sich leichter ertragen als so ein Schwein!

      4

      Die Seitenscheibe auf der Beifahrerseite öffnete sich. Eileen blieb stehen und blickte ins Innere. „Na, was kann ich für dich tun?“, fragte sie mit einem anzüglichen Unterton, der jedem potentiellen Freier gleich klarmachte, dass dieser Dialog ein Geschäft anbahnte. Auf der anderen Seite hatte sie nichts gesagt, was sie in den Augen des Gesetzes schon als Straftäterin gebrandmarkt hätte.

      Prostitution war im Staat New York strafbar und die Vice-Abteilungen der zuständigen Polizeireviere setzten mit Vorliebe Lockvögel ein, um sowohl Prostituierte als auch Freier reihenweise anklagen zu können. Eine Vorgehensweise, die rechtlich sehr umstritten war, da die Polizei das von ihr angeklagte Vergehen selbst aktiv anbahnte. Weil es allerdings kaum im persönlichen