Walter G. Pfaus

Sommer Bibliothek 11 besondere Krimis


Скачать книгу

er wird früher oder später einer seine Kreditkarten benutzen und dann kommen wir auf seine Spur“, war Mr McKee überzeugt.

      „Fragt sich nur, ob das schnell genug ist“, warf Dr. Schmitt ein. „Er scheint sich in einer Art Ausnahmezustand zu befinden. Anders ist die hohe Tatfrequenz nicht zu erklären.“

      „Etwas gibt mir noch zu denken“, mischte ich mich jetzt wieder in das Gespräch ein. „In der Wohnung von Mister und Mrs Jakes war ein Blutfleck auf dem Teppichboden. Wir haben Proben genommen und werden relativ rasch sagen können, ob es sich wirklich um das Blut von Mrs Jakes handelt, das dort zu finden war.“

      „Glauben Sie etwa, es war das Blut eines der Opfer?“, fragte Mr McKee. „In dem Fall müssten wir davon ausgehen, dass Mrs Jakes von den Taten vielleicht sogar wusste...“

      „...oder vielleicht daran beteiligt war“, vollendete Dr. Schmitt den Satz.

      „Halten Sie das in diesem Fall für wahrscheinlich, Gary?“, fragte Mr McKee.

      Der Psychologe zuckte mit den Schultern. „Täterpaare kommen hin und wieder vor. Die Tatsache, dass Mrs Jakes offenbar über längere Zeit hinweg misshandelt wurde, könnte dafür sprechen. Sie nähme dann in dieser Beziehung eher den unterwürfigen Part ein.“

      „Während der letzten beiden Morde war Randall Jakes angeblich schon ausgezogen“, hielt ich dem entgegen. „Aber wenn wir davon ausgehen, dass die Vorgehensweise immer ähnlich war und der ‚Barbier’ seine Opfer in die Wohnung gebracht, ihnen Kaffee angeboten und sie dann betäubt hat, ergibt sich ein Problem.“

      „Vo welchem Problem sprechen Sie, Jesse?“

      „Die Wohnung der Jakes’ ist zwar ziemlich groß, aber auch sehr übersichtlich. Wenn dort ein Mord stattgefunden hätte, wäre das unmöglich gewesen, ohne dass Mrs Jakes das mitbekommen müsste. Davon abgesehen sind die beiden erst ein Jahr verheiratet. Der Mord an Gail Montgomery geschah vor sieben Jahren.“

      „Wie lange sie sich kennen, wissen wir aber nicht“, gab Milo zu bedenken.

      „Wir werden den DNA-Test abwarten“, kündigte Mr McKee an. „Wenn Sie Recht haben, dann spricht das vielleicht tatsächlich für ein Täterpaar! Andererseits ist es ja nicht ausgeschlossen, dass er vielleicht eine Extrawohnung für seine tödlichen Rendezvous benutzte.“

      „Oder Randall Jakes ist doch nicht unser Mann“, meine ich.

      „Mal den Teufel nicht an die Wand, Jesse. Dann fangen wir ja wieder ganz von vorne an!“

      Ich wandte mich an Gary Schmitt. „Wo würden Sie Randall Jake suchen?“

      Gary nippte an seinem Kaffeebecher und lehnte sich nachdenklich zurück. Er schlug die Beine übereinander und sagte schließlich: „Die verwendeten K.o.-Tropfen stammten doch von jemanden, der im Umkreis der Diskothek ‚The Skull’ aktiv ist. Also könnte es sein, dass er dort wieder auftaucht.“

      „Aber nur, wenn er Nachschub braucht“, stellte Milo klar.

      Gary hob die Augenbrauen. „Ich habe vorhin im Radio gehört, dass dieser radikale Prediger, der die die Morde des Barbier als eine Art göttlicher Bestrafung für Sünderinnen ansieht, heute Abend in der Concert Hall des Hunter College eine Veranstaltung durchführt, die von ein paar ultrakonservativen Gruppen organisiert wird.“

      „Sie glauben, Jakes geht dort hin?“, fragte ich.

      „Es wäre zumindest möglich! Sehen Sie, der ‚Barbier’ bekommt durch diesen Prediger doch so etwas wie höhere Weihen! Eine Bestätigung dafür, dass die Art und Weise, in der er Sünderrinnen bestraft, gerechtfertigt ist. Unser Täter hat zweifellos ein Gewissen, Jesse! Er hat auch ein Gefühl für Gerechtigkeit und Moral, auch wenn es von unserem erheblich abweichen mag!“

      „Insbesondere in der Wahl der Mittel!“, kommentierte Milo.

      Gary nickte und fuhr fort: „Der ‚Barbier’ ist in einer verzweifelten Situation. Die Taten haben eigentlich die Funktion, ihn zu entlasten. Aber sie belasten sein Gewissen und er braucht früher oder später eine Rechtfertigung. Es wäre nicht das erste Mal, dass ein Täter dieses Typs sich einem Priester zur Beichte öffnet, vorausgesetzt er ist katholisch und hat einen Bezug dazu. Aber jemand wie Joshua Freed macht seiner Seele eigentlich ein viel attraktiveres Angebot.“

      „Dann finde ich, wir sollten uns auf dieser Veranstaltung mal umsehen“, schlug ich vor. „Begleiten Sie uns, Gary?“

      „Sicher.“

      36

      Zusammen mit Dr. Schmitt und den Special Agents Josy O'Leary und Fred LaRocca suchten wir die Concert Hall des Hunter College auf. Diese Schule lag in der Upper East Side.

      „Wundert mich, dass man den Kerl hier reden lässt!“, bekannte Milo. „Schließlich ist das doch eine öffentliche Schule.“

      „Wahrscheinlich sponsert eine der Organisationen, die hinter Freed stecken, dieser Schule in nächster Zeit einen frischen Anstrich!“, gab ich zu bedenken.

      „Nötig wäre so ein Anstrich allerdings.“

      Joshua Freed war eine beeindruckende Erscheinung. Er war fast zwei Meter hoch und breitschultrig, sodass die schätzungsweise zwanzig Kilo Übergewicht, die er mit sich herumtrug, gar nicht so sehr auffielen. Der Bart war grau durchwirkt und reichte bis zum Ende des Brustbeines. Das Haar begann am Ansatz etwas schütter zu werden. Es war zurückgekämmt. „Ja, es ist unbequem was ich sage! Es ist für alle die unbequem, die in ihrem Herzen keinen Platz für Gott lassen und sich vollkommen den irdischem Werten verschrieben haben! Es ist unbequem für alle diejenigen, die auf die grelle Schminke der Sünderinnen starren wie Lots Frau auf das brennende Sodom – und dann zur Salzsäule erstarren! Aber hat Gott jemals gesagt, dass er es den Menschen leicht machten will?“

      Ungefähr 500 Personen lauschten der sehr charismatisch vorgetragenen Predigt Freeds. Ich sah mehrere Kamera-Teams. Für eine Veranstaltung dieser Größenordung war das öffentliche Interesse außergewöhnlich groß.

      „Dieser Kerl scheint endlich gefunden zu haben, was er wohl schon seit längerem vergeblich gesucht hat – ein Publikum nämlich!“, raunte Gary Schmitt mir zu.

      „Die Sünde ist überall!“, rief der Prediger. „Und es gibt immer wieder Menschen, die zum Werkzeug Gottes werden. Menschen, die die Sünde mit den Mitteln des Satans bekämpfen, aber dennoch auf der Seite des Guten stehen. Darum rufe ich all den Frauen zu, die sich wie Huren Babylons verkaufen: Hört auf, sodass euch der Todesengel nicht heimsucht! Alles, was euch zustößt, habt ihr euch selbst zuzuschreiben, wenn ihr weiter auf dem Weg der Finsternis wandelt...“

      Wir