Alfred Bekker

Drei Historische Liebesromane: Das 1500 Seiten Roman-Paket Sommer 2021


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Ich bin zusammen mit Ragnar dem Weitgereisten nach Konstantinopel gekommen, einem Händler, dem ich mich in Jerusalem anschloss. Ragnar ist ein Veteran der Waräger-Garde und unterhält Verbindungen bis in höchste Kreise des Palastes. Man sagt, dass ihm mehr als einer der obersten Logotheten finanziell verpflichtet ist und er dem Kaiser einst das Leben rettete. Diese Verbindungen waren es, die es mir ermöglichten, diese Werkstatt aufzubauen. Einige Proben meines Talents gelangten an höchste Stellen und fanden Gefallen. Jetzt kann ich mich vor lauter Arbeit kaum retten, denn diese Stadt hat einen so großen Hof mit so vielen Schreibern, dass es kaum zu fassen ist, wie wenig hier bisher über die Herstellung von Papier bekannt gewesen ist...“ Sie schluckte und ihr Gesicht veränderte sich. Ein Anflug von Traurigkeit war in ihren Zügen zu sehen, auch wenn sie sich mühe gab, ihr verhaltenes Lächeln aufrecht zu erhalten. „Es ist nur bedauerlich, dass mein Vater dies nicht mehr erleben kann.“

      „Was ist mit ihm geschehen?“, fragte Arnulf.

      „Ein schlimmes Fieber suchte Jerusalem heim. Sowohl mein Vater als auch sein Lehrling Gao sind ihm zum Opfer gefallen – und mit ihnen auch noch viele andere Menschen in der Stadt. Aber ich versuche, nicht in die Vergangenheit zu blicken, sondern in die Zukunft und das Gute zu sehen, das der Herr für uns bereit hält.“

      „Es ist eigenartig, Euch auf diese Weise reden zu hören“, fand Arnulf.

      Sie berührte das silberne Amulett um ihren Hals. „Ich habe mich taufen lassen“, sagte sie. „Ich glaube inzwischen nicht mehr, dass irgendein Gott bereit ist, das Leiden des Menschen zu beseitigen. Aber der Gott der Christen hilft einem wenigstens, es leichter zu ertragen, weil er zum Menschen wurde und selbst gelitten hat...“

      „Da mögt Ihr recht haben“, gab Arnulf zurück. „Obwohl ich gestehen muss, mir über diese Dinge nie so tiefgehende Gedanken gemacht zu haben.“

      In diesem Moment wurde die Tür aufgestoßen und zwei Männer kamen herein, die über und über mit Lumpen beladen waren, sodass man sie darunter kaum sehen konnte.

      Li wies ihnen eine freie Ecke innerhalb der Werkstatt zu, in die sie die Lumpen ablegen sollten und bezahlte sie anschließend mit ein paar Kupfermünzen, wobei sie einige Worte auf Griechisch mit ihnen wechselte.

      Auch diese Männer waren offenbar Tagelöhner, wie sie von einer Stadt wie Konstantinopel zu tausenden angezogen wurden und normalerweise zumeist im Hafen ihr Auskommen fanden.

      „Ich sehe, Ihr habt viel Arbeit“, sagte Arnulf.

      Sie sah ihn an und ihre Blicke verschmolzen für einen kurzen Moment auf eine ganz besondere Weise. „Wie lange beabsichtigt Ihr, noch in Konstantinopel zu bleiben?“, fragte Li dann. Ihr Latein wirkte plötzlich unsicher und sie begann sich zu verhaspeln.

      „Das steht noch nicht genau fest“, antwortete Arnulf. „Zumindest eine Weile noch.“

      „Dann muss ich Euch ein zweites Mal davor warnen, Thorkild Eisenbringer zu begegnen.“

      „Wie kommt Ihr darauf?“

      „Ich habe mich bei Ragnar dem Weitgereisten über ihn erkundigt. Die beiden kennen sich gut. Wenn Thorkild Eisenbringer selbst über die Flüsse, die durch das Land der Rus führen, in die Heimat der Nordmänner fährt, dann reist er auf dem Rückweg über Konstantinopel, bevor er sich wieder zu den Eisenbergen begibt. Er bringt dann eine ganz besondere Ware hier her.“

      Arnulf hob die Augenbrauen. „Und die wäre?“

      „Junge Männer aus seiner Heimat. Männer, die bereit sind, sich in der Waräger-Garde des Kaisers für gutes Silber anwerben zu lassen. Thorkild bekommt dafür einen Anteil am Geschäft, so sagt man. Und an Gardisten besteht hier ständig ein Bedarf“, gab Li ihrer Überzeugung Ausdruck. „Ihr seht, früher oder später wird er hier mit einem Schiff voller Söldner anlegen.“

      „In diesem Fall sollte ich ihm besser nicht begegnen“, meinte Arnulf.

      Ihr Blick wurde sehr ernst. Sie trat auf ihn zu und ihre Hand berührte ihn leicht am Oberarm. „Warum sollte dieser Mann sein Mordkomplott Euch gegenüber vergessen haben? Ihr werdet eines Tages wieder in die Eisenberge reiten können und vielleicht wird der Strom dieses Metalls dann an ihm vorbeiziehen, ohne dass er ihm noch irgendeinen Gewinn bringt! Davor hat er Angst!“

      „Ja, das mag schon sein.“

      „Und dafür würde er auch töten, gleichgültig unter welchen Umständen.“

      Arnulf lächelte mild. „Ihr habt keine Vorstellung davon, wie weit die Reise ist, die er zurücklegen muss, und welche Hindernisse dabei überwunden werden müssen. Er wird also eine Weile unterwegs sein, falls Eure Annahme den Tatsachen entspricht. Und ich glaube nicht, dass er es wagen würde, hier in Konstantinopel etwas gegen mich zu unternehmen – und wenn, dann würde es ihm schlecht bekommen, da ich ausersehen bin, eine persönliche Botschaft des östlichen an den westlichen Kaiser zu überbringen.“

      „Mächtige Mauern wie die von Konstantinopel bedeuten keinen Schutz für Euch, Arnulf“, sagte sie.

      Die Art und Weise, wie sie sich um ihn sorgte, rührte ihn – und ihr Blick hatte ein Gefühl in ihm ausgelöst, das ihn verwirrte und er nicht auf hinreichende Weise zu erklären wusste. Er deutete auf den Stapel von fertiggestellten Blättern. „Mein Kaiser ist ein noch sehr junger Mann, der allem Neuen aufgeschlossen gegenübersteht und sehr belesen ist. Viel belesener, als die meisten Gelehrten in den Abteien unseres Reiches. Er würde sich gewiss freuen, wenn ich ihm ein paar Proben Eures Talentes zeigen könnte.“

      „Dagegen ist nichts einzuwenden“, sagte Li.

      Arnulf nahm eines der Blätter vom Stapel und hielt es gegen das Licht. Es war ohne ein Wasserzeichen.

      „Es ist zwar von exzellenter Qualität“, sagte Li. „Es fasert nicht an den Seiten, es ist gerade beschnitten und hat eine leichte, farblose Lackierung, die ihm eine glatte Oberfläche verleiht. Keine Unregelmäßigkeit kann den Strich der Feder ablenken und die Saugfähigkeit ist durch die Lackierung so reduziert, dass die Tinte nicht seitwärts verläuft wie ein Fluss, der über sein Ufer tritt und sich in seinen Auen ergießt.“

      „Vielleicht könntet Ihr mir ein paar solcher Bögen überlassen, um sie Kaiser Otto zu zeigen“, schlug Arnulf vor. „Denn ich würde ihm gerne die Vorzüge der Papierherstellung zeigen, wenn ich ihn in Magdeburg wiedersehe.“

      „Sagt mir einfach Bescheid, bevor Ihr Euch auf die Reise macht, Arnulf. Ich werde Euch in der Zwischenzeit ein paar schöne Blätter vorbereiten – und darunter auch solche, die ein Wasserzeichen tragen.“

      „Dafür wäre ich Euch sehr dankbar. Und nun will ich Euch nicht länger von Eurer Arbeit abhalten.“

      „Ihr habt mich von nichts abgehalten, was wichtig gewesen wäre“, erwiderte Li.

      In der Tür drehte Arnulf sich noch einmal herum. „Vielleicht gestattet Ihr es, wenn ich Euch während der Zeit, die ich noch in Konstantinopel bin, noch einmal besuche, wenn Ihr weniger zu tun habt...“

      „Gerne“, erwiderte Li.

      „Schließlich wisst Ihr bestimmt einiges Interessante über jenes Land bei Samarkand zu berichten, in dem uns der Herr zusammenführte.“

      „Mawarannahr“, sagte sie. „So heißen es seine Bewohner. Das bedeutet 'das Land hinter dem Fluss'. Die Griechen nennen es Transoxanien.“ Ihre Blicke begegneten sich noch einmal. Und auch als er bereits gegangen war, sah sie ihm durch das Fenster nach, bis er zwischen den vielen Menschen verschwunden war.