Kariane Höhn

Essen und Ernährungsbildung in der KiTa


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einer Expertin in diesem Themenbereich, unterstützt.21

      1.3.3 KiTa – (H)Ort der Vielfalt

      Die bestmögliche Förderung jedes einzelnen Kindes ist eine pädagogische Zielsetzung der Bildungsinstitutionen, so auch der KiTa. Als erste Bildungsinstitution im Leben des Kindes musste die KiTa schon immer mit der größten Vielfalt der Kinder und deren kultureller Hintergründe umgehen. Mit der Zunahme von Migration aus vielen Ländern der Welt nahm auch in der KiTa die Vielfalt an Nationalitäten und Kulturen unter den Kindern zu – und damit wurde die Aufgabe der Beachtung unterschiedlicher Kulturen bei der Betreuung, Erziehung und Bildung in der KiTa, auch beim Essen, deutlich ausgeweitet.

      Auch die Integration der Kinder mit einer Behinderung ist nicht neu (s. dazu Sarimski, 2021). Die interindividuelle Vielfalt und Heterogenität waren und sind einerseits eine Herausforderung und andererseits in der Regel (falls die entsprechenden Bedingungen gegeben sind) auch ein Gewinn für alle Akteure in den Bildungsinstitutionen – und damit für die Gesellschaft.

      In den einzelnen Kapiteln des Buches werden wissenschaftliche Grundlagen zu Essen und Ernährungsbildung zusammengestellt, die für Kinder aller Kulturen gelten. Zudem werden Hintergründe und Bedeutungen kultureller Unterschiede erläutert und Wege aufgezeigt, diese im KiTa-Alltag zu beantworten. Die Kriterien für die Erstellung eines Verpflegungskonzeptes, wie sie in Kapitel 7 ausgeführt sind, können dafür eine Richtschnur bieten.

      Wo es möglich ist, wird auf kulturelle Diversität hingewiesen. Dabei betrifft diese nicht nur unterschiedliche ethnische und religiöse, sondern auch soziale Kulturen. Auch für Kinder mit speziellen gesundheitlichen Problemen (z. B. bei Allergien) werden Orientierungen gegeben. Für weitere diagnostizierte spezifische gesundheitliche Risiken, Störungen oder Behinderungen und die damit verbundenen Anforderungen muss die betroffene KiTa eine professionelle Beratung einbeziehen. Die damit verbundenen Fragen und Aufgabenfelder sind so spezifisch, dass sie hier nur verkürzt und damit wenig hilfreich ausgeführt werden könnten.

      Die Ernährung von Kindern im institutionellen Rahmen einer KiTa führt im Vergleich zum familiären Rahmen des Elternhauses zu anderen Anforderungen. Maßgeblich ist zum einen die Werteorientierung. Im familiären Rahmen entscheiden die Eltern für ihr Kind. Im institutionellen Rahmen sollten es nachvollziehbare und konsistent angewandte Kriterien sein, mit denen Essen und Ernährungsbildung zur Entwicklung und Gesundheitsförderung des Kindes beitragen.

      Im familiären Rahmen ist die intensive und ausschließliche Beziehung zwischen Eltern und Kind maßgeblich für die Bedürfniswahrnehmung und -befriedigung. Im institutionellen Rahmen sollten pädagogische Fachkräfte professionell reagieren, d. h. responsiv, den Situationen und den Bedürfnissen der Kinder entsprechend (vgl. Gutknecht & Höhn, 2017; image Kap. 5).

      1.3.4 Vom Kind zur KiTa –der Aufbau des Buches

      In dieser zweiten Auflage wurden Daten aktualisiert sowie neue Erkenntnisse und Literatur aufgenommen. Die grundlegenden Orientierungen und Aussagen haben sich nicht verändert.

      Das Buch gliedert sich in sieben Kapitel. In Kapitel 2 werden zunächst die physischen und psychischen Voraussetzungen für die Ernährung zusammenfassend dargestellt. Erst eine Kenntnis der Grundlagen der Entwicklung von Verdauung und Stoffwechsel sowie der sensorischen und motorischen Voraussetzungen für das Erlernen des selbstständigen Essens ermöglicht einen responsiven Umgang mit dem Kind.

      Für die Bedeutung der Interaktionen für das Essenlernen (u. a. durch Nachahmung) sowie für den Umgang mit Gefühlen ist zudem die emotionale Entwicklung grundlegend. Aus dem Zusammenhang von Essen und Emotionen ergeben sich auch Voraussetzungen und Orientierungen für den Umgang mit den kindlichen Bedürfnissen, die wiederum Auswirkungen auf die Entwicklung des Essverhaltens haben. Im letzten Abschnitt werden zentrale Begriffe und theoretische Grundlagen zu Bedürfnissen und Motiven definiert. Hier wird auch deutlich, dass Essen alle Grundbedürfnisse berührt und einen Beitrag zu deren Befriedigung bieten kann – was aber nicht bedeutet, alle Bedürfnisse mit Essen befriedigen zu können bzw. zu sollen. Daraus ergeben sich wichtige Antworten oder Hinweise bezüglich folgender Fragen: Welche Bedeutung hat Essen für die emotionale Entwicklung bzw. welche Beziehungen bestehen zwischen Emotionen und Essen? Welche Bedeutung hat die Beachtung der kindlichen Emotionen für das Essverhalten? Welchen Stellenwert sollte Essen beim Umgang mit den Grundbedürfnissen haben?

      In Kapitel 3 steht die Frage »Wie lernen Kinder essen?« im Vordergrund. Diese Frage wird auf Basis folgender Erkenntnisse beantwortet:

      • Kinder müssen als »instinktlose Omnivoren« essen lernen.

      • Geschmack und Geschmacksentwicklung sind erlernt und seit der Schwangerschaft zentrale Einflussfaktoren auf die Essentwicklung.

      Grundlagen der Funktionen des Essens und der Esskultur erweitern erstens den Blick: Das Alltagsverständnis ist meist zu begrenzt und durch die Selbstverständlichkeit der eigenen Gewohnheiten werden »subjektive Normalitätsverständnisse« entwickelt (Schlegel-Matthies et al., i. Vorb.) Zweitens ermöglichen sie einen Einblick in die grundlegende Bedeutung von Esskulturen für die individuell empfundene psycho-soziale Sicherheit und kulturelle Identität. Daraus können drittens Grundmuster für eine fundierte Auseinandersetzung mit anderen Kulturen und soziokulturellen Unterschieden gewonnen werden, die für den Umgang mit der zunehmenden kulturellen Vielfalt in der KiTa genutzt werden können. Viertens sind diese Kenntnisse notwendig, um die kulturelle Dimension aktueller Fragen zum Umgang mit Kinderernährung und damit verbundenen Körperbildern, Hypes, Ängsten, Moden etc. zu verstehen. Fünftens sind auch ethische Ziele wie Nachhaltigkeit und Gesundheit soziokulturell bedingte Entscheidungen. Sechstens sind sowohl Esskulturen als auch Fähigkeiten und Fertigkeiten, um sich selbstständig, eigenverantwortlich und »selbstbestimmt« ernähren zu können, Teil des Kulturwissens und mit kulturellen Werten und Wertungen verbunden. Sie werden auch über Ernährungsbildung vermittelt. Dazu wird in Kapitel 3 der theoretische Rahmen vorgestellt, in den Kapiteln 5 und 7 folgen Orientierungen und Hinweise für die Umsetzung in der KiTa.

      In Kapitel 4 »Ernährung, Gesundheit und soziale Lage« wird das Verständnis von Gesundheit diskutiert, werden Ergebnisse zur gesundheitlichen Situation von Kindern vorgestellt, und es wird thematisiert, wie die soziale Lage Ernährung und Gesundheit beeinflusst. Gesundheitsförderung steht derzeit im Spannungsfeld zwischen gesellschaftlichen Rahmenbedingungen und individuellem Handeln und Verhalten. Analysieren zu lernen, dass und wie sich dies im wissenschaftlichen Diskurs und den alltagsbezogenen Diskussionen der Fachkräfte widerspiegelt, ist eine wichtige Kompetenz für pädagogische Fachkräfte. Der Wandel der Definitionen von Gesundheit – und damit verbundenen Rechten und Pflichten – spiegelt diese Aufgaben und Anforderungen beispielhaft. Diese als einen Ausdruck gesellschaftlicher Wertung und politischer Orientierung zu erkennen, ist Voraussetzung für ein konstruktiv kritisches Herangehen.

      Gesundheitsförderung in der KiTa gelingt mit förderlichen Bedingungen und der Stärkung des Individuums. Dabei finden die Förderung der Resilienz und die salutogenetische Orientierung als pädagogisch-didaktische »Leitlinie« derzeit in den Diskussionen besondere Beachtung.

      Kinderernährung ist ein etablierter