In einigen Zentren wird eine Ultraschall-Untersuchung des Gehirngewebes durchgeführt, da die Ultraschallwellen bei Betroffenen mit der idiopathischen Parkinson-Erkrankung in der Substantia nigra verstärkt reflektiert werden, was dann zu einer charakteristischen Veränderung des Ultraschall-Bildes führen kann.
Weitere Untersuchungen wie Labordiagnostik (Blut, Urin, Liquor), EEG (Hirnstromkurve) oder eine Doppler-/Duplexsonographie (Gefäßultraschall) erlauben in der Regel keine wegweisenden Aussagen zur Ursache einer Parkinson-Symptomatik. Diese Untersuchungen können aber zur Abklärung von Begleiterkrankungen notwendig und sinnvoll sein.
1.9 Erkrankungsverlauf
Die idiopathische Parkinson-Erkrankung ist eine langsam progrediente (fortschreitende) Erkrankung, allerdings gibt es wie bei vielen anderen chronischen Erkrankungen große Unterschiede im Krankheitsverlauf.
Für die Beschreibung des Krankheitsverlaufes ist es wichtig, dass die Diagnose erst mit dem Auftreten der charakteristischen motorischen Kardinalsymptome möglich ist. Zu diesem Zeitpunkt sind aber nach heutigen Erkenntnissen bereits ein Großteil der dopamin-produzierenden Zellen in der Substantia nigra geschädigt: den motorischen Symptomen geht also eine Jahre bis Jahrzehnte dauernde Krankheitsentwicklung voraus, die man als »prä-motorische Phase« bezeichnen kann.
Vier verschiedene nicht-motorische Symptome, die häufig Jahre und manchmal sogar Jahrzehnte vor den ersten motorischen Einschränkungen auftreten, spielen in der prä-motorischen Phase der Parkinson-Erkrankung eine besondere Rolle: Hyposmie (Störung des Geruchssinnes), Obstipation (Verstopfung), REM-Schlaf-Verhaltensstörung (Bewegungsunruhe, die eine bestimmte Schlafphase betrifft) und Depression.
Die Hyposmie stellt wahrscheinlich das häufigste Symptom in dieser Phase dar. Es ist davon auszugehen, dass > 90 % aller Parkinson-Betroffenen unter einer Störung der Riechfunktion leiden, die bis zu fünf Jahre vor den motorischen Symptomen auftreten kann. Die in Kapitel 1.3 beschriebene Braak-Theorie (
Obstipation durchzieht als nicht-motorisches Symptom den gesamten Krankheitsverlauf, tritt aber ebenso häufig wie die Riechstörung bereits lange vor motorischen Symptomen auf.
Ein weiteres prä-motorisches Symptom ist die sog. REM-Schlaf-Verhaltensstörung. Hierbei handelt es sich um Verhaltensauffälligkeiten, die ausschließlich in der Traumschlafphase, der sog. REM-Phase auftreten. Die Betroffenen sind in diesen Schlafphasen sehr unruhig und agieren ihre Träume durch Schreien, Treten oder Schlagen aus, was im schlimmsten Fall zu Verletzungen bei den Betroffenen oder ihren Partnern führen kann.
Depressionen schließlich sind zwar ein häufiges und auch unspezifisches Symptom, kommen aber bei Menschen, die später an der Parkinson-Erkrankung erkranken dreimal häufiger vor als in der gesunden Bevölkerung.
Die vier genannten Symptome sind allerdings nicht spezifisch für die Parkinson-Erkrankung, d. h. das Auftreten einer Riechstörung oder einer Depression bedeutet nicht automatisch, dass die Betroffenen später an der Parkinson-Krankheit erkranken werden – das Risiko ist jedoch gegenüber Menschen ohne diese Symptome erhöht. Inzwischen ist bekannt, dass das Auftreten einer Riechstörung ein 4-fach erhöhtes Risiko für die spätere Entwicklung einer motorischen Parkinson-Symptomatik bedeutet und dass eine REM-Schlaf-Verhaltensstörung nach 10 Jahren bei 70–80 % der Betroffenen von einem Parkinson-Syndrom gefolgt wird.
Zum aktuellen Zeitpunkt sind diese prä-motorischen Symptome vor allem aus der Rückschau interessant – es gibt aber große Forschungsanstrengungen, um diese Frühsymptome auch für eine frühere Diagnosestellung der Parkinson-Erkrankung zu nutzen. Dies wäre besonders relevant, sobald Möglichkeiten zu einer ursächlichen Therapie der Erkrankung gefunden sind. In diesem Fall wäre möglicherweise eine Heilung der Erkrankung möglich, noch bevor die motorischen Symptome aufgetreten sind.
Das Auftreten der motorischen Kardinalsymptome ermöglicht schließlich die Diagnose der Parkinson-Krankheit und markiert den Übergang in die motorische Phase der Erkrankung. Die Wirkung der Dopamin-Ersatzmedikamente ist gerade in den ersten Jahren nach der Diagnosestellung besonders gut – man nennt diese Phase, die im Mittel zwischen drei und fünf Jahren (in Ausnahmefällen aber auch deutlich länger) anhält, deshalb auch die »Honeymoon-Phase«. Mit dem Fortschreiten der Erkrankung können sich verschiedene Langzeit-Probleme entwickeln, welche die Betroffenen dann häufig den Rest ihres Lebens begleiten.
Zu diesen Problemen der fortschreitenden Erkrankung zählen die sog. Wirkschwankungen oder Wirkfluktuationen. Dieses Phänomen ist in der Medizin einzigartig und kommt ausschließlich bei der idiopathischen Parkinson-Krankheit vor. Aufgrund seiner großen Bedeutung für Betroffene der Erkrankung wird im Rahmen dieses Buch mehrfach aus verschiedenen Blickwinkeln auf das Thema Wirkschwankungen eingegangen. Hier soll daher eine kurze Skizzierung ausreichen:
Zunehmende Schwankungen der Wirkung von L-Dopa als dem wirksamsten Parkinson-Medikament führen zu einem zunehmenden Wechsel in der Ausprägung der motorischen aber auch der nicht-motorischen Symptome. Mit dem Ende der »Honeymoon-Phase« hält die Wirkung einer einzelnen L-Dosis immer kürzer an, was zu einer erneuten Zunahme der Symptome noch vor der nächsten Medikamenteneinnahme führen kann – dieses Abflauen des Medikamenteneffektes wird als »Wearing-OFF« bezeichnet. Die Betroffenen erleben einen zunehmenden Wechsel zwischen Phasen mit guter Symptomkontrolle (auch als ON-Phasen bezeichnet) und Episoden, in denen sich die Beweglichkeit verschlechtert oder Tremor bzw. andere alltagsrelevante Symptome auftreten (OFF-Phasen). Da diese Phasen sehr schnell und abrupt aufeinander folgen können, spricht man in Analogie zum An- und Ausschalten eines Lichtschalters von ON-/OFF-Schwankungen.
Etwa die Hälfte aller Parkinson-Betroffenen entwickelt zusätzlich zu diesen Wirkschwankungen Unruhebewegungen, die meist in den Phasen der maximalen L-Dopa-Wirkung auftreten und als Dyskinesien oder Hyperkinesien bezeichnet werden. Bei der Beobachtung der Betroffenen fallen unwillkürliche ruckartige oder drehende, tänzelnde Unruhe- oder Überbewegungen (»Dyskinesien« – griechisch: falsche Bewegungen) auf.
Ursächlich liegt den Wirkschwankungen eine Veränderung im Bereich der Nervenzellen in der Substantia nigra zugrunde. Zu Beginn der Erkrankung sind diese noch in der Lage, das als Tablette zugeführte L-Dopa für einen gewissen Zeitraum zu speichern und es freizusetzen, sobald der Wirkstoffspiegel sinkt. Im Erkrankungsverlauf geht diese Fähigkeit verloren und der Wirkstoffspiegel im Gehirn kann nicht mehr gleichmäßig aufrechterhalten werden. Aus diesem Grund kann es bei Betroffenen mit schweren Wirkschwankungen zu drastischen Veränderungen des körperlichen