j. Christian Rainer

Meister der Vertikale


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mögen nur solche Führer genommen werden, welche mit den behördlichen Führerbüchern versehen sind, und da Excursionen in diesem Theile der Alpen keine einfachen Spaziergänge sind, möge sich Niemand andere als anerkannt tüchtige, also behördlich auto- risirte Führer aufdringen lassen.“

      „Der Ortlerführer“, 1876

      Sie wird zur Vorlage für die nur ein Jahr später erlassene einheitliche Bergführerordnung für ganz Tirol und Vorarlberg, die über weite Strecken deckungsgleich mit der Innsbrucker Ordnung ist. Einige interessante Abweichungen gibt es allerdings und diese lassen sich aus der Vorgeschichte der Regelung und mit der zentralen Rolle, die der Alpenverein darin spielt, erklären. Schon 1870 beauftragt die Generalversammlung des Deutschen Alpenvereins (DAV) „die bekannten Alpenfreunde“ Johann Stüdl, Kaufmann in Prag, und den Venter Kuraten Franz Senn damit, eine Bergführerordnung für ganz Tirol und Vorarlberg zu entwerfen, um diese der kaiserlich-königlichen Statthalterei in Innsbruck zur Verabschiedung vorzulegen. Stüdl und Senn kommen ihrem Auftrag nach, nicht ohne dem Alpenverein eine wichtige Rolle in der künftigen Regelung des Bergführerwesens zuzuschreiben. So räumt der Alpenverein seinen Sektionen schon in § 1 des Entwurfs das Recht einer „speciellen Prüfung, Ueberwachung, Kontrolle der Führer“ ein, macht also deutlich, dass man der Entwicklung des Bergführerwesens nicht untätig zuschauen wolle. Zugleich wird der mediale Druck auf die Behörden erhöht, dem Alpenverein einen Zugriff auf das Bergführerwesen zu eröffnen und die Auswahl der Führer nicht allein den politischen Vertretern vor Ort zu überlassen.

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      Bitte (nicht) lächeln: Wohl in den 1890er-Jahren posieren Ridnauner Bergführer in voller Montur vor dem Hotel Sonklarhof für den Fotografen.

       Sie wissen alles besser …

      „Die Gemeindevorsteher erhalten von der k. k. Bezirkshauptmannschaft den Auftrag, zum Bergführerdienste taugliche Individuen namhaft zu machen […]. Was thun nun die Berg- und Gletscherkundigen Vorsteher? Sie heften eine Aufforderung zur Anmeldung zum Fremdenführerdienste an die schwarze Tafel bei der Kirche und warten in ihrer Kanzlei auf die sich Meldenden. An dem einen Orte kommt Niemand, am anderen zwölf, aber mit Ausnahme eines Einzigen, alle unkundige oder nichtsnutzige Leute. Diese sollen nun als Führer autorisirt werden und von der k. k. Bezirkshauptmannschaft vidirte Führerbücher erhalten. Damit ist die Organisation des Führerwesens beendet. […] Löset euch auf ihr Sektionen des deutschen Alpenvereins in Tirol und Vorarlberg und leget, ihr Alpenfreunde, eure mühsam gesammelten Erfahrungen und Kenntnisse über Berge und Gletscher, gute oder schlechte Führer, deren nothwendige Eigenschaften u.s.w. bei Seite; die Gemeindevorsteher in ihren Kanzleistuben wissen Alles viel besser.“

      „Pustertaler Bote“, 7. Dezember 1871

      Ganz geht die Rechnung des Alpenvereins nicht auf, in der am 4. September 1871 von der k. k. Statthalterei für Tirol und Vorarlberg erlassenen „Bergführerordnung giltig für Tirol und Vorarlberg“ heißt es in § 1: „Das Bergführerwesen steht unter der Aufsicht und Leitung der politischen Behörde.“ Vom OeAV oder DAV ist darin nicht die Rede, allerdings werden die „gesetzlich bestehenden Alpenvereine“ in zwei weiteren Artikeln als Ansprechpartner der Bergführer genannt. Oder besser gesagt: Die Führer sind den Vereinen Rechenschaft schuldig, womit Letztere den Fuß in die Tür bekommen und in den folgenden Jahren ihre Macht innerhalb des Bergführerwesens Schritt für Schritt ausbauen.

      Die erste Tiroler Bergführerordnung von 1871 ist aber nicht nur hinsichtlich der Rolle der Alpenvereine interessant. Sie regelt auch erstmals den Zugang zum Beruf des „behördlich autorisierten Bergführers“ und die Ausübung desselben. In der Ordnung sind die Rechte und Pflichten der Führer ebenso festgeschrieben wie jene der Gäste. Und zwar detailliert. So dürfen nur Personen als Bergführer anerkannt werden, die unbescholten sind, also ein blütenweißes Leumundszeugnis vorweisen können, und vom Gemeindevorsteher mit einem Befähigungszeugnis ausgestattet werden. Wird ein Bewerber für tauglich befunden, erhält er von der Bezirkshauptmannschaft ein Führerbuch, das Jahr für Jahr von den Behörden beglaubigt werden muss. In diesem Buch sind all jene Touren oder vielmehr Gebiete eingetragen, für die der Führer als geeignet befunden worden ist. Allein daraus erkennt man, dass das Bild des Bergführers als ortskundiger Wegweiser immer noch tief im allgemeinen Verständnis verankert ist. Das Führerbuch gilt einerseits als Nachweis der behördlichen Genehmigung, also als Bergführerausweis, andererseits dient es dem Bergführer aber auch als Sammlung seiner Referenzen. Dafür ist eine genügend große Anzahl leerer Blätter vorgesehen, auf denen die Gäste ihre Erfahrungen mit dem Führer niederschreiben sollen.

       „Schließlich glauben sie selber an ihre Unfehlbarkeit“

      Das Bergführerbuch wird über die Jahre immer wieder zum Stein des Anstoßes. Die Führer selbst ärgert, dass sie von – meist völlig unbedarften – Gästen beurteilt werden, die Gäste ärgern kaum fundierte Lobhudeleien. Irgendwann (1915) wird es dem Deutschen und Österreichischen Alpenverein (DuOeAV) zu bunt. Er gibt in seinen „Mitteilungen“ eine Reihe von Weisungen für seine Mitglieder aus, was sie ins Führerbuch eintragen sollten – und vor allem, was nicht. So heißt es darin, man solle die Führer nicht über den grünen Klee loben, das „erhöht unnötigerweise das Selbstgefühl der Führer. […] Schließlich glauben sie selber an ihre Tüchtigkeit und Unfehlbarkeit.“ Deshalb solle man auch Missstände offen ansprechen, damit die Aufsichtsorgane diesen nachgehen könnten. War der Führer also unfähig, war er ein „mürrischer, schnippischer oder ein den Reinlichkeitsgewohnheiten des Touristen widersprechender Mensch“? Weil der Alpenverein offensichtlich nicht nur die Führer belangen will, teilt er auch in Richtung Gäste aus: „Die meisten Touristen sind gar nicht in der Lage, die Qualität der Führer und der gemachten Tour zu beurteilen. […] Im gewöhnlichen Leben fällt es ja auch keinem Kaufmann oder Arzt ein, über die Betriebssicherheit einer Drahtseilbahn zu urteilen, warum also hier?“

      Als Aufgabe des Bergführers wird in der ersten Tiroler Bergführerordnung definiert, „das reisende Publikum auf der bestimmten Route zu begleiten, Verirrungen zu verhüten und Unglücksfälle von Touristen thunlichst hintanzuhalten“. Es sei seine Pflicht, „sich anständig, artig, freundlich und zuvorkommend gegen dieselben zu benehmen und ihnen alle thunliche Beihilfe zu leisten“. Auch wird der Führer verpflichtet, mindestens 15 Kilo Gepäck kostenlos für seine Gäste zu schultern, ein geeignetes Seil bei sich zu haben, sich selbst zu verpflegen und keine Gebühren zu verrechnen, die über die festgelegten Tarife hinausgehen. Die Rechte seinem Gast gegenüber reichen dagegen weit weniger weit: „Ungebührliche Zumuthungen oder üble Behandlung von Seite der Reisenden hat er [der Führer] mit ruhigem Ernste zurückzuweisen“, heißt es im Reglement. Mehr nicht.

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       AUF DEM WEG INS GOLDENE ZEITALTER

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      Das legendäre Bergführerbankl vor dem Hotel Eller in Sulden war in den 1930er-Jahren voll besetzt.

      Die Bergführerordnung von 1871 ist der Grundstein, auf dem sich in Tirol ein geordnetes Bergführerwesen entwickeln kann. Auch in finanzieller Hinsicht. So werden ab Sommer 1872 im Amtsblatt die Tarifverzeichnisse der Bergführer Bezirk für Bezirk veröffentlicht. Zugleich werden darin auch die Namen der autorisierten Bergführer angeführt. Damit ist für die Gäste von vornherein (und amtlich) klar, wer für eine bestimmte Tour über die nötigen Voraussetzungen verfügt und was die Tour kosten wird. Interessant ist, dass sich die Südtiroler Bezirke mit der Festlegung der Bergführertarife viel Zeit lassen. Erst vier Jahre nach Innsbruck als erstem Bezirk erkennt die Bezirkshauptmannschaft Meran 1876 ihre Führer amtlich an, zwölf davon allein in Sulden. 1878 ist das Hochpustertal mit seinem Tarif zur Stelle, der politische Bezirk Bozen braucht sogar noch ein Jahr länger. Sein Tarif für damals 33 Bergführer und 160 Touren