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Unterrichtswelten – Dialoge im Deutschunterricht


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und Intertextualität im kreativen literarischen Schreiben – Am Beispiel der Themen Angst und Traum

      Sudabeh Mohafez

      Schon die Begriffe verweisen auf eine Verwandtschaft: Sowohl in der Interkulturalität als auch in der Intertextualität geht es um Wechselbeziehungen. Um gegenseitige Einflüsse, um Prägungen des Einen durch das Andere und umgekehrt, um kulturelle, gesellschaftliche, politische, sprachliche und Räume des Denkens von Möglichkeiten, die überhaupt dadurch erst entstehen, dass Wechselbeziehungen möglich sind, stattfinden und, im besten Falle, gefördert und ausgebaut werden.

      Die hier folgenden drei Vorschläge für je mehrstündige Unterrichtseinheiten widmen sich der Intertextualität in interkulturellen Werken deutscher Autor*innen und verwenden Beispiele daraus für Unterrichte, die die interkulturellen Wahrnehmungsfähigkeiten und Kompetenzen ihrer Schüler und Schülerinnen nicht nur nutzen, sondern gleichzeitig stärken und fördern wollen.

      Sämtliche Unterrichtseinheiten bestehen aus (I) theoretischen Literaturarbeiten am Beispiel von Originaltexten einerseits und aus (II) sich daran anschließenden Schreibaufgaben, in denen Schüler und Schülerinnen auf dem Hintergrund des Erlernten in eigene literarisch-kreative Schreiberfahrung eingeführt werden. Die UEs sind umsetzbar für Schüler und Schülerinnen von Real-, Mittel-, Berufsschulen und Gymnasien.

      In Unterrichtseinheit I geht es am Beispiel eines kurzen Prosagedichts mit unterschiedlichen intertextuellen Bezügen um die Auseinandersetzung mit interkulturellen Texten, die sich zwar der Regeln der deutschen Schriftsprache bewusst sind und ihnen weitgehend folgen, sie aber in bestimmten Punkten mit Regeln aus anderen Schriftsprachen ergänzen und gleichzeitig durch den textimmanenten Verweis auf andere Literaturen/Texte weitere Bedeutungsebenen adressieren und ein Netzwerk aus Bezügen knüpfen.

      Ziel aller dieser Unterrichtseinheiten ist es einerseits, den Schülern und Schülerinnen ein Tor dahin zu öffnen, sich dem Schreiben als Ausdrucksform zu nähern und ihnen andererseits ein Verständnis für die vielschichtigen Ausdrucks- und Aussagemöglichkeiten intertextueller und interkultureller Textarten und -bezüge zu vermitteln.

      Unterrichtseinheit I

      I. Literaturarbeit

      Einführung ins Thema anhand der Auseinandersetzung mit literarischen Originaltexten.

      I.1

      Lesen Sie der Klasse den Text Behalte den Flug im Gedächtnis1 vor, ohne ihn zum Mitlesen zu verteilen/zu projizieren.

      Bitten Sie die Schüler und Schülerinnen, beim Zuhören nicht nach „dem Sinn“ des Textes zu suchen und auch der Versuchung zu widerstehen, „einer Handlung“ folgen zu wollen. Vielmehr ist es ihre Aufgabe, die Bilder, die sie hören, sowie deren Abfolge und den Rhythmus, in dem sie vorgetragen werden, aufmerksam wahrzunehmen und sich von ihnen zu eigenen Assoziationen verleiten zu lassen.

      Es geht bei diesem Schritt nicht in erster Linie um einen kognitiven oder Verstehensprozess, schon gar nicht um einen der Analyse. Es geht darum, dem Text eine Chance zu geben, in der Wahrnehmung der Zuhörer und Zuhörerinnen eine je individuelle Wirkung zu entfalten. Erklären Sie den Schülern und Schülerinnen das und nehmen sich ruhig ein wenig Zeit dafür, denn dieser Auftrag unterscheidet sich in der Regel sehr von Unterrichtsaufträgen, wie die Schüler und Schülerinnen sie gewohnt sind. Stellen Sie sicher, dass das Wirkenlassen des Textes als Hauptaufgabe verstanden wird, indem Sie darauf hinweisen, dass es kein richtiges oder falsches Assoziieren und Empfinden beim Zuhören gibt.

       Ziel

      Literarische Bilder wahrnehmen und auf sich wirken lassen, ohne in Bewertung oder eine Vorstellung vorgegebener Deutungen, Ergebnisse, Wertungen zu geraten.

      I.2

      Klären Sie mögliche Verständnisprobleme, zum Beispiel:

       patrouillieren

       Absperrung

       Grenzer

      I.3

      Lesen Sie den Text erneut vor.

      I.4

      Sammeln Sie nach diesem zweiten Vortrag an der Tafel, was der Klasse an diesem Text beim Zuhören aufgefallen ist, zum Beispiel:

       Er besteht aus einer Reihung von Fragen.

       Er gibt keine Antworten auf diese Fragen.

       Er verrät nicht, wer die Fragen stellt.

       Er scheint von einem möglicherweise nicht sehr gut verlaufenen Abschied zu handeln.

       Er scheint vom Verlassen eines Landes zu handeln.

       Er berichtet von der Sichtung eines Berges, die in Frage gestellt wird.

       Er klärt nicht, um welchen Berg es sich handelt.

       usw.

      Möglicherweise nennen die Schüler und Schülerinnen bereits hier auch Gefühle, die der Text bei ihnen evoziert hat. Sollte das der Fall sein, notieren Sie auch diese an der Tafel.

      I.5

      Verteilen Sie den Text an alle.

      I.6

      Lesen Sie den Text erneut vor und fordern Sie die Klasse auf, still mitzulesen.

      I.7

      Diskutieren Sie mit der Klasse, was durch das Mitlesen über das bereits an der Tafel Notierte hinaus am Text auffällt.

      Lassen Sie die Punkte zusammentragen, ohne Sie zu kommentieren, dazu kommen Sie später noch:

       Er ist linksbündig geschrieben, aber rechtsbündig gesetzt.

       Er ist durchgehend in Kleinschreibung gehalten.

       Er besteht aus Fragen, verwendet aber als Satzzeichen ausschließlich Punkte.

       Evtl. kommen Sie sogar hierzu: Die Umbrüche scheinen keine tiefere Bedeutung zu haben, wie es sonst in der Lyrik der Fall ist (Prosaverweis).

       usw.

      I.8

      Teilen Sie die Klasse in Gruppen mit höchstens vier Personen auf. Die Gruppen sollen ein oder mehrere Szenarien zum Text entwerfen und diese in Stichpunkten festhalten:

       Wer könnte der Ich-Erzähler/die Ich-Erzählerin (oder das lyrische Ich) sein?

       Wo, in welchem Ort/Land könnte sich das Geschehen abspielen?

       Was könnte sich am Flughafen abgespielt haben?

       Was könnten Gründe für die angedeutete Reise/den angedeuteten Flug gewesen sein?

       Wie könnte der Garten ausgesehen haben?

       Warum wurde möglicherweise die Tür nicht geschlossen?

       Was könnte es mit den Uniformierten auf sich gehabt haben?

       Wer könnten „die Frau“ und „der Mann“ gewesen sein?

       Von welchem Berg könnte im Text die Rede sein?

       Was könnte den Ich-Erzähler/die Ich-Erzählerin (das lyrische Ich) dazu gebracht haben, diese Fragen zu stellen, obwohl er/sie doch offensichtlich am beschriebenen Geschehen teilgenommen hat?

       usw.