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Unterrichtswelten – Dialoge im Deutschunterricht


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Literaturarbeit

      I.1

      Zum (Wieder-)Einstieg lesen Sie das Prosagedicht aus Block I noch einmal vor oder lassen es vorlesen.

      I.2

      Besprechen Sie mit den Schülern und Schülerinnen, inwiefern dieser Text für sie etwas von einem Erzähltext (Prosa) und inwiefern er etwas von einem Gedicht (Lyrik) hat und erläutern Sie anschließend am Beispiel des eben gelesenen Textes den Begriff Prosagedicht.

      Arbeiten Sie dabei insbesondere heraus, dass ein Prosagedicht eine „dritte Form“ ist, die Charakteristika der beiden „traditionellen Bereiche“ in sich vereint und damit formal etwas Neues erschafft, einen „dritten Ort“ eröffnet, die Eindeutigkeit der Kategorien in Frage stellt oder einfach darauf hinweist, dass diese Eindeutigkeit immer etwas Künstliches, etwas Gesetztes ist, das auch anders festgelegt sein könnte, etc.

      Lassen Sie das bis hierhin Besprochene zunächst einfach so stehen und gehen über zum nächsten Punkt. Keine Sorge: die losen Enden kommen am Ende wieder zusammen.

      I.3

      Falls Sie selbst kein Farsi/Persisch können, klären Sie, ob jemand in der Klasse die Sprache beherrscht und (Achtung: das ist nicht immer vorauszusetzen!) sie auch lesen kann.

       Aufgabe für den/die vortragende/n Schüler/Schülerin

      Sollte das der Fall sein, fragen Sie den Schüler/die Schülerin, ob er/sie bereit wäre, der Klasse das Gedicht Parandeh mordani ast1 vorzutragen. Falls ja, geben Sie ihm/ihr eine Kopie und bitten Sie ihn/sie zum Vortrag vor die Klasse zu treten.

       Hinweis

      Applaus ist nach einem solchen Auftritt immer erwünscht, aber nicht auf Bestellung. Es ist schön, wenn er kommt. Wenn er nicht kommt, sorgen Sie als Lehrkraft für ausreichend Wertschätzung.

       Aufgabe für die Zuhörer und Zuhörerinnen

      Bitten Sie die restlichen Schüler und Schülerinnen, sich ganz bewusst auf den Klang, den Rhythmus und die Melodie des Gehörten zu konzentrieren.

      I.4

      Lesen Sie anschließend die Übersetzung des Textes Der Vogel ist sterblich1 vor.

      Verteilen sie dazu beide Fassungen (die persische und die deutsche) an die Schüler und Schülerinnen.

      I.5.

      Sprechen Sie kurz darüber, wovon dieses Gedicht handelt

       Liebeskummer

       Einsamkeit

       Quintessenz in den letzten zwei Zeilen: Es ist die Erfahrung selbst, die kostbar ist und uns niemals genommen werden kann. Die gelebte Verbindung (in der Liebe, der Freundschaft, der Familie etc.) kann vorübergehen.

       usw.

      I.6

      Bitten Sie nun die Schüler und Schülerinnen, erneut in Kleingruppen nach Verbindungslinien zwischen dem Gedicht von Farrokhsād und dem Prosagedicht zu suchen, zum Beispiel:

       thematisch

       Trauer, Abschied, Verlust

       formal

       rechtsbündiger Satz der beiden Originalfassungen

       semantisch a)die aus dem persischen Original im deutschen Titel zitierte Zeile Behalte den Flug im Gedächtnis

       semantisch b)die Umdeutung des Vogelflugs aus dem persischen Original in einen Flugzeugflug im deutschen Original

      I.7

      Erarbeiten Sie mit den Schülern und Schülerinnen, was sich aus diesen intertextuellen Bezügen ableiten lässt:

       Inwieweit weisen Konnotationen aus dem persischen Gedicht in den Sentenzen des Prosagedichts in eine bestimmte Richtung?

       Was spiegelt die Quintessenz aus dem persischen Gedicht (behalte den [Vogel-] Flug im Gedächtnis) durch das Zitat im Prosagedicht wider?

       Gibt es durch dieses Zitat Bedeutungsdopplungen? Falls ja, welche?

      Tragen Sie die Ergebnisse an der Tafel zusammen und diskutieren Sie mit der Klasse die intertextuellen Verweise des Prosagedichts auf der inhaltlichen wie der formalen Ebene und arbeiten Sie die damit angesprochenen Konnotationsräume heraus, zum Beispiel:

       Der rechtsbündige Satz des in linksbündig notierten, deutschen Wörtern verfassten Textes verweist auf die Rechtsbündigkeit der persischen Schrift, damit auf den persischen, den iranischen und sogar den arabischen Kulturraum und damit auf das Geburtsland und die Vatersprache der Autorin des Textes. Es entsteht eine Repräsentanz dieses Kulturraums innerhalb des deutschsprachigen Gedichts.Das Prosagedicht eröffnet demnach einen Raum oder stellt einen Ort dar, in dem die beiden Sprachräume und die ihren Schriften zugrunde liegenden Konzepte nicht mehr voneinander zu trennen, sondern in eins gefallen sind.

       Die Punkte anstelle von Fragezeichen am Ende der Fragesätze könnten auf einer formalen Ebene darauf hindeuten, dass es diesen Fragen gar nicht um Antworten geht, dass es dem Ich-Erzähler/der Ich-Erzählerin (dem lyrischen Ich) vielmehr darum gehen könnte, diese Fragen als Ausdruck eines Erlebens „in die Welt zu stellen“, Zeugnis abzulegen über dieses Erleben, als darum, Antworten auf sie zu finden.

       Angesichts der Thematik des Textes, ließe sich zumindest vermuten, dass die durchgehende Kleinschreibung im vorliegenden Prosagedicht möglicherweise den speziellen geistigen und emotionalen Zustand des Ich-Erzählers/der Ich-Erzählerin (des lyrischen Ichs) markieren soll. Er/sie scheint sich im Zustand einer schmerzhaften und traurigen Selbstbefragung zu befinden, scheint in einem emotionalen Befinden gefangen, in dem Fragen nicht aus Erkenntnisinteresse gestellt und rein assoziativ aneinandergereiht werden. Er/sie scheint sich gedanklich an einem sowohl beängstigenden wie irrealen „Ort“ zu befinden oder einen solchen zu befragen. Einen Ort, an dem die gewöhnlichen Regeln außer Kraft gesetzt sind. Möglicherweise spiegelt sich das hier in der durchgehenden Kleinschreibung.

       Hinweis

      Je nach Leistungsstärke und/oder Interessenslage der Gruppe, bietet dieser Punkt einen guten Anlass dafür, mit den Schülern und Schülerinnen den literaturgeschichtlichen Hintergrund der Kleinschreibung in der deutschsprachigen Lyrik und Prosa zu besprechen.

      Historisch zum Beispiel bei:

      Jacob Grimm, Stefan George, Friederike Mayröcker, Ernst Jandl oder Peter Paul Zahl.

      Zeitgenössisch zum Beispiel bei:

      Uljana Wolf (2013), Daniela Seel (2011), Yevgeniy Breyger (2016), Monika Rinck (2005), José F. A. Oliver (2005), Ulf Stolterfoth, Sudabeh Mohafez, Max Czolleck und vielen mehr.

       Das Farrokhsād-Zitat verweist auf eine der wichtigsten dichterischen Stimmen des 20. Jahrhunderts in der persischen Sprache, auf eine feministische, politisch denkende und experimentelle Dichterin zudem, die eine enge Verbindung zu Deutschland hatte und einige Jahre in Deutschland lebte. Es ist somit eine Hommage sowohl an die Dichterin, als auch an die literarischen, ethischen und politischen Inhalte, für die sie stand.1

       Hinweis

      Je nach Klassenstufe, können Sie die Schüler und Schülerinnen zur literarischen Arbeit Forough Farrokhsāds, aber auch zu ihrem Bezug zu Deutschland recherchieren und vielleicht ein Referat halten lassen.

       Die