personale Kompetenz qualifizieren, die eng mit den Persönlichkeitseigenschaften verknüpft ist. Dabei bilden die Persönlichkeitseigenschaften die Basis, auf derer sich dann die Kompetenzen ausprägen und weiterentwickeln können. Was sorgt nun aber für eine charismatische Präsenz und Ausstrahlung einer (Führungs-)Persönlichkeit? Um andere Menschen in den Bann zu ziehen, muss es der (Führungs-)Persönlichkeit gelingen, bei diesen Resonanz zu erzeugen. Dies erfordert zunächst einmal, dass die (Führungs-)Persönlichkeit „mit sich selbst im Reinen“ ist, d.h. eine positive und reflektierte achtsam-empathische Grundhaltung hat. Wir haben alle unterschiedliche mentale Landkarten (Schulze und Sejkora 2017), die z.T. genetisch bedingt sind und im Verlauf des Lebens, insbesondere in der Kindheit, geprägt werden. Wir lernen hier Grundanschauungen und Glaubensmuster, die uns zu dem machen, was wir sind. Unsere Grundhaltungen schließen auch unsere Vorstellungen von anderen Menschen ein: So gibt es einerseits Personen, die in allen Situationen nur das Schlechte sehen und gegenüber Menschen grundsätzlich misstrauisch sind und andererseits Personen, die auch in herausfordernden Situationen das Positive sehen und anderen Menschen grundsätzlich vertrauen. Dies hat unmittelbar Auswirkung auf die Ausstrahlung der Person.
Charismatische Führung beginnt immer bei der Selbstführung der Führungspersönlichkeit (von Au 2016).
Denn erst wenn diese Selbstführung der Führungspersönlichkeit „gut“ ist, können auch andere von dieser „gut“ (fremd-)geführt werden. Eine gute Selbst- und Fremdführung erfordert die zwei folgenden grundsätzlichen personalen Kompetenzen bzw. Persönlichkeitseigenschaften von Führungskräften, die eng miteinander verbunden sind: Achtsamkeit und Selbstreflexion. Achtsamkeit beinhaltet eine stets bewusste, nur auf die Gegenwart fokussierte und dabei nur wahrnehmende und nicht (be-) urteilende Aufmerksamkeit. Diese zeigt sich gleichermaßen in einem aktiven Zuhören und einer achtsamen, wertschätzenden und verbindlichen Kommunikation. Durch die Selbstreflexion der persönlichen Haltungen und mentalen Modelle erfahren die Führungspersönlichkeiten eine ausgeprägte Bewusstheit über ihre eigene Person, erweitern ihr Verhaltensrepertoire, um in unterschiedlichen Situationen und Kontexten situationsangemessen handeln zu können.
Daraus lässt sich sicherlich leicht ableiten, dass Personen mit einer positiven und reflektierten achtsam-empathischen Grundhaltung, die sich auch in ihrer Erscheinung, Bewegung und Sprache ausdrückt, wahrscheinlich charismatischer wahrgenommen werden als Personen, die dies nicht aufweisen. Wer als charismatisch wahrgenommen wird, übt in seinem Tun einen großen Einfluss auf die Menschen in seiner Umgebung aus. Und dies ist von besonderer Bedeutung für Personen in Führungspositionen.
1.3 Relevanz von Charisma im Gesundheitswesen
Auch wenn viele Bürger mit dem Gesundheitswesen in Deutschland überwiegend zufrieden sind, existieren zentrale Kritikpunkte: So führt der demografische Wandel zu einer Veralterung der Bevölkerung und zu einem Fachkräftemangel, der oftmals zu Zeitengpässen im Praxis- oder Klinikalltag kulminiert. Dieser Aspekt wird noch durch die Urbanisierung und durch lästige, dem Kostendruck geschuldete, umfangreiche Verwaltungsaufgaben verstärkt. Entsprechend haben Ärzte und Führungskräfte im Gesundheitswesen immer weniger Zeit für Aufgaben, Mitarbeitende und Patienten. Des Weiteren führen die zunehmende Digitalisierung und Individualisierung dazu, dass die heutigen Patienten i.d.R. über „Dr. Google“ aufgeklärter sind und auf Augenhöhe und in ausreichender Zeit mit den Ärzten sprechen möchten.
Im hektischen Praxis- und Klinikalltag, der zunehmend „wissenschaftlich-technischer“ wird, kann es somit leicht passieren, dass das Charisma der Ärzte bzw. der Führungskräfte im Gesundheitswesen auf der Strecke bleibt. So geben beispielsweise Patienten oftmals an, dass besonders (aber nicht nur), bei Krankheiten im psychischen Bereich und bei unheilbaren Krankheiten die menschliche – nicht abrechenbare – Zeit des Arztes fehlt. Dies ist bedeutend, wenn man bedenkt, dass eine gelungene Patientenführung die Grundlage für den Behandlungserfolg ist.
Charismatische Ärzte strahlen durch ihre Grundhaltung Vertrauen und Zuversicht aus. Ist das Vertrauen zum Arzt gegeben und können diese positive Erwartungshaltungen bei den Patienten wecken, ist das der beste Placebo-Effekt überhaupt (vgl. z.B. die Anekdote vom Chirugen F. Sauerbruch oder auch die Studien des Placeboforschers F. Benedette).
Natürlich wissen auch die Patienten, dass Hektik, Stress, Überlastung, der dringende Ruf zum Notfallpatienten oder lästige Verwaltungsaufgaben es den Ärzten nicht immer erlauben, sich für jeden Patienten die Zeit zu nehmen, die dieser sich wünscht. Umso wichtiger ist es daher, dass sich die Ärzte in der verfügbaren Zeit voll und ganz auf die einzelnen Patienten fokussieren und achtsam-empathisch mit ihnen umgehen. Durch eine solche Grundhaltung wirkt der Arzt charismatisch. Dagegen führen die folgenden exemplarischen Negativbeispiele zu einer nicht charismatischen Ausstrahlung des Arztes:
1.Weiter auf den Computer starren und nicht hochsehen beim Eintreten des Patienten in das Behandlungszimmer,
2.medizinische Fachbegriffe aneinanderreihen, ohne diese zu erklären,
3.dem Patienten nicht aktiv zuhören und seine Sorgen und Ängste nicht ernst nehmen.
Vergleichbares gilt auch für das Beziehungsverhältnis zwischen Führungskraft und Mitarbeitern im Gesundheitswesen.
1.4 Förderung von Charisma im Gesundheitswesen
Auch wenn die Digitalisierung rasch voranschreitet und in Zukunft künstliche Intelligenz auch unser Arbeitsleben bestimmen wird, so wird Charisma weiterhin sehr bedeutend bleiben. So können sich nach einer Studie von PWC (2018) durchaus viele Menschen vorstellen, sich bei bestimmten Vorsorgeuntersuchungen oder auch Erkrankungen einem „Roboter Doc“ oder einer künstlichen Intelligenz anzuvertrauen. Wenn es allerdings um sensiblere medizinische Leistungen, wie z.B. Pflegeleistungen, Beratungsleistungen während Krebserkrankungen, der Schwangerschaft oder der Entbindung geht, ist nahezu niemand bereit, sich in die Obhut einer künstlichen Intelligenz zu begeben. Vielmehr besteht hier der Wunsch nach einem Gespräch auf Augenhöhe mit einem charismatisch-menschlichen Wesen, das sich Zeit für einen nimmt und dem man vertrauen kann.
Welcher Rahmen ist somit in Zukunft richtungsweisend, damit Charisma im Gesundheitswesen weiterhin Bestand hat bzw. noch weiter ausgebaut wird? Hier scheinen die folgenden Maßnahmen erfolgsversprechend:
Auf der gesellschaftlichen Ebene sind auf der einen Seite die Abfederung des Fachkräftemangels und die Reformierung des Medizinstudiums in Hinblick auf die Aufnahme von mehr „Soft Skills“ wie personale und soziale Kompetenzen in das Curriculum entscheidend. Auf der anderen Seite geht es darum, alle bürokratischen Prozesse mit IT zu optimieren, um möglichst viel Zeit für das Zwischenmenschliche/Charismatische im Arbeitsalltag frei zu schaufeln. Gleichzeitig bedarf es einer Wertediskussion im Gesundheitsbereich, bei der insbesondere die Frage „Roboter versus Mensch“ diskutiert werden sollte.
Auf der organisationalen Ebene ist darauf zu achten, dass neben effizient vernetzten Informations- und Kommunikationstechnologien innerhalb und außerhalb der Organisation eine Charisma-freundliche Unternehmens- und Führungskultur etabliert und auch gelebt wird. Hierbei muss das Management als Vorbild vorangehen und auch die organisationalen Rahmenbedingungen schaffen. Hierzu gehören u.a. eine wertschätzende Kommunikation, eine ausgeprägte Fehler- und Vertrauenskultur, flexible Arbeitszeitmodelle und die Möglichkeit von passgenauen Weiterbildungsangeboten.
Auf der individuellen Ebene muss sich jede (Führungs-)Person auf den Weg machen, ihre mentalen Landkarten und Haltung sowie ihre Verhaltensweise zu reflektieren und diese ständig weiterentwickeln. Denn nur so kann die (Führungs-)Persönlichkeit