Elizabeth Johns

Mit Dem Wind


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konnte spüren, wie das Schiff unter ihren Füßen vibrierte und klammerte sich an den nächstbesten befestigten Pfosten, den sie greifen konnte. Sie schloss ihre Augen und wiederholte leise und immer wieder Aidan, Aidan, Aidan, um sich daran zu erinnern, warum sie diese Entscheidung getroffen hatte. Sie öffnete ihre Augen wieder und sah sich um. Der Raum war kleiner als irgendeiner der Räume der Bediensteten in den Häusern ihrer Eltern. Es gab eine kleine Koje, neben der ihre Truhe stand, und eine Hängematte baumelte an zwei Haken.

      Ihr Bruder hielt immer noch ihren anderen Arm fest. „Bist du dir sicher, dass du das kannst? Wenn wir erst einmal die Segel gesetzt haben, gibt es kein Zurück mehr.“

      Anjou sah zu ihrem Bruder auf, dessen schwarze Locken und blaue Augen den ihren so ähnlich waren, und der sie mit liebevoller Sorge betrachtete. Sie nickte, während sie ein Taschentuch aus ihrem Beutel zog und über ihre Nase hielt. Der Gestank in der Nähe des Piers war der von vergammeltem Fisch und schmutzigem Wasser. Es war so ähnlich wie in einem feuchten Keller und sie sah sich nach einer Möglichkeit um, etwas frische Luft in den Raum zu bringen.

      „Wo ist das Fenster?“, fragte sie.

      „Es gibt keine Fenster, außer im Quartier des Kapitäns, aber ihm gehört das Schiff. Du kannst mit Hannah oder mir nach draußen gehen, falls du frische Luft brauchst - aber niemals allein, hast du verstanden? Ich glaube, ich bin bei Edward in der Kabine untergebracht. Kann ich dich für eine Weile allein lassen? Ich muss sichergehen, dass auch meine eigene Truhe ankommt. Ich werde dir Hannah schicken.“

      Sie nickte wieder und fiel weinend auf die Knie, sobald er die Tür hinter sich geschlossen hatte.

      „Wie soll ich das nur schaffen? Aber wie könnte ich es nicht tun?“

      Sie ergriff ihre Kette mit dem Medaillon, in dem sich ihr dünner Ehering befand und das einzige Bild, das sie von Aidan besaß. Die intensiven, schwarzen Augen in seinem jungen Gesicht sahen zu ihr auf, voller Unschuld und Lebenslust. Es war nun schon ein Jahr her, seit jemand ihn gesehen oder von ihm gehört hatte. Selbst das Kriegsministerium hatte ihn für verschollen erklärt.

      Sie presste ihre Augen fest zusammen und versuchte, sich an seinen Duft zu erinnern, seine Berührung, aber sie schaffte es nicht, egal, wie sehr sie sich auch bemühte. In einem Anflug von Panik öffnete sie ihre Truhe und durchwühlte ihre Habseligkeiten nach einer Schachtel. Als sie sie fand, riss sie den Deckel ab und holte einen seiner geliebten Briefe heraus. Sie hob ihn an ihre Nase und versuchte, seinen Duft zu erfassen. Er war schwach, aber deutlich genug, um ihre Nerven zu beruhigen.

      „Ja, das ist er“, flüsterte sie.

      Sie setzte sich auf die kleine Koje, verbarg ihr Gesicht in den Händen und begann nervös zu lachen.

      „Ich werde noch verrückt, bevor wir überhaupt abgelegt haben.“

      Sie lag für ein paar Minuten ruhig da, lauschte dem Knarzen und Stöhnen der Wind. Es war lange genug, um sich wieder zu beruhigen, obwohl sie die Besatzung rufen und singen hörte, als sich das Boot zu bewegen begann. Sie hatte einen Tagtraum von dem ersten Mal, als sie Aidan begegnet war. Er war zusammen mit Charles für die Ferien aus der Schule gekommen und sie war, wie immer, Fremden aus dem Weg gegangen. Aber als die Tage vergingen, erwischte sie sich dabei, wie sie ihn neugierig hinter ihrer Bratsche oder einem Buch hervor beobachtete. Er war freundlich und ruhig, was gut zu Anjous scheuer Introvertiertheit passte. Er vermittelte Ruhe und Sicherheit, obwohl er gerade erst den Kinderschuhen entwachsen war, als er in den Krieg zog.

      Sie erinnerte sich an das erste Mal, dass sie mit Aidan sprach, als sie am Fluss saß und in ein Buch vertieft war.

       Sie blickte auf und sah ihn in seiner Kniehose stehen, strumpflos, und mit einer Forelle, die am Ende seiner Angelschnur baumelte.

       Er war sanft, sogar beim Angeln; er zog den Fisch mit Leichtigkeit ans Ufer. Als er sich endlich umdrehte und sie sah, lächelte er freundlich. „Guten Tag, Lady Anjou. Mir war nicht aufgefallen, dass Sie dort lesen. Bitte entschuldigen Sie, dass ich Sie gestört habe.“

      „Woher wissen Sie, welche Schwester ich bin?“

       Er überlegte für einen Moment. „Ich weiß es einfach. Sie sind anders als ihre Schwestern.“

       „Das bin ich ...“ Sie ließ ein wenig den Kopf hängen, da sie es als Schwäche empfand.

       Mit nur wenigen, ruhigen Schritten durch das Wasser kam er zu ihr. Er kniete sich hin und hob ihr Kinn an.

       „Es war als Kompliment gemeint.“

       „War es das?“, fragte sie zweifelnd. „Aber meine Schwestern sind wesentlich lebhafter und angenehmer.“

       „Nicht für mich“, sagte er leise. „Jeder hat seine eigene Vorstellung von Schönheit.“

       Sie errötete und wandte den Blick ab, als sie seinen Fisch bemerkte.

       „Warum angeln Sie gerne?“ fragte sie, was sehr ungewöhnlich war, denn normalerweise hatte sie Angst vor Fremden - auch wenn er ein Freund von Charles war.

       „Warum lesen Sie gerne?“, fragte er mit spitzbübischem Grinsen, wohl wissend, dass er gerade eine Frage mit einer Gegenfrage beantwortet hatte.

       Sie dachte einen Moment nach, bevor sie antwortete. „Ich möchte lieber entfliehen. Ich brauche nicht diese dauernden Aktivitäten wie meine Schwestern sie anscheinend benötigen. Ich bin gern allein und habe meine Ruhe.“

       „Das geht mir beim Angeln genauso.“

       „Es erscheint mir sehr langweilig zu sein. Und sind Fische nicht schleimig?“

       „Möchten Sie es versuchen?“

       Sie konnte ihre Antwort selbst kaum glauben. „Ich ... ich denke schon.“

       Er stand auf und hielt ihr die Hand hin, um ihr beim Aufstehen zu helfen.

      „Sie sollten besser Ihre Röcke hochbinden, es sei denn, dass Sie sie unbedingt nass haben möchten.“

       „Oh, das darf nicht passieren! Dann würde meine Mutter wissen, dass ich meinen Unterricht geschwänzt habe!“

       „Ich werde auch nicht hinsehen. Versprochen.“

       Er drehte ihr den Rücken zu, während sie ihre Röcke in Kniehöhe zusammenband und in das flache Wasser stieg. Er gab ihr eine Rute und der Haken baumelte von einem Stück Schnur.

       „Halten Sie das für einen Moment, während ich den Köder hole.“

       Als er sich neben sie ins Wasser stellte, hielt er einen Wurm zwischen den Fingern.

       Sie starrte nur auf den Wurm.

       „Nur zu, nehmen Sie ihn“, sagte er, als er ihn ihr näher hinhielt. Sie schluckte ängstlich, aber wollte ihm nicht zeigen, wie sehr sie sich fürchtete.

       Sie nahm den Wurm und versuchte nicht daran zu denken, was sie in ihrer Hand hielt, als dieser sich drehte und wendete.

       „Jetzt müssen Sie ihn am Haken festmachen.“

       Als er hochblickte und ihr Gesicht sah, verschonte er sie und zeigte ihr, wie es geht.

       „Als Nächstes hängen Sie ihn ins Wasser und warten darauf, dass etwas anbeißt.“

       Sie gehorchte und sah zu, wie er seinen Köder befestigte und ihn ein gutes Stück von ihr entfernt ins Wasser hing.

       Sie standen für eine Weile in Ruhe und Frieden, hörten und spürten, wie das Wasser sanft vorbeifloss.