Ella Danz

Trugbilder


Скачать книгу

ich weiß. Das waren eben alles nicht die richtigen Partner für sie«, meinte Mia bekümmert. »Ach ja, der Hardy! Der würde so gut zu ihr passen. Aber sie sind und bleiben nur gute Freunde, sagen alle beide.«

      »Haben die denn noch Kontakt?«

      Vicky hatte Hardy schon seit Langem nicht gesehen. Er war in Kinderzeiten Karolines bester Freund gewesen, und ihre große Schwester hatte Vicky, »das Baby«, von ihren Spielen meist ausgeschlossen. Rollenspiele mit ihr selbst als Heldin waren Karolines Leidenschaft – sie als Heidi, Hardy der Geißenpeter, sie Arielle, er Prinz Erik – und für Vicky fielen immer nur undankbare Nebenrollen ab, wenn überhaupt. Auch wenn Hardy drei Jahre älter war, er hätte sie bestimmt mitspielen lassen, war Vicky überzeugt, denn er war ein ausgesprochen netter Junge – eigentlich viel zu nett für ihre Schwester.

      »Ja, sie sehen sich wohl hin und wieder noch. Ab und zu ruft Hardy auch bei mir an, fragt, ob er irgendwas helfen kann. Ist doch nett, oder? Auf jeden Fall meldet er sich immer an meinem Geburtstag, eine treue Seele. Er hat sogar schon einmal Blumen vorbeigebracht.«

      »War es das, worüber du mit niemandem reden solltest?«

      »Ach, natürlich nicht. Das war was anderes, was Schlimmes …«

      Mia holte tief Luft, als ob sie Mut brauchte, um das folgende auszusprechen.

      »Karoline macht seit Anfang des Jahres eine Therapie, aber davon soll niemand was wissen.«

      »Aber Mia, was ist daran denn schlimm? Aus einer Therapie muss man auch kein Geheimnis machen. Es ist doch gut, wenn es jemanden gibt, der einem aus einer schwierigen persönlichen Lage heraushelfen kann.«

      »Aber Tonya …«

      »Meine Schwester heißt Karoline«, korrigierte Vicky ungehalten.

      »Karoline will eben nicht, dass jemand davon erfährt. Also bitte, sag ihr auf keinen Fall, dass ich es dir erzählt habe!«

      Vicky verdrehte die Augen.

      »Okay. Weißt du etwas über ihren Therapeuten?«

      »Sie geht zu einer Frau Doktor Hardhaus, Hardinghaus oder so, irgendwo an der Musterbahn. Und sie hat gesagt, das tut ihr gut.«

      Vicky war nicht direkt überrascht, dass ihre Schwester eine Therapie machte. Überraschend fand sie höchstens, dass Karoline erst jetzt Probleme mit ihrem öffentlich ausgestellten Leben bekommen hatte, über das man ganz leicht die Kontrolle verlieren konnte. Sie schaute ihre Mutter fragend an.

      »Und warum bist du dann so besorgt?«

      Einen Moment druckste Mia herum, bevor sie gestand:

      »Ich hab halt Angst, dass sie sich was angetan haben könnte. Es ging ihr wirklich sehr schlecht.«

      »Ach, Mia, doch nicht Karoline! Und wenn sie sich psychologische Hilfe gesucht hat, dann ist sie ja schon auf einem guten Weg. Und ich wette, spätestens morgen zu deinem Geburtstag ist sie da!«

      »So, die Kriminaltechnik ist auch eingetroffen, dann können wir gleich anfangen. Guten Morgen zusammen«, eröffnete Angermüller die Morgenlage des K1.

      Undeutliches Gemurmel kam aus der kleinen Gruppe, Ameise, der gerade erst zur Tür hereingehetzt war, ließ sich fluchend auf einen Stuhl in der hintersten Reihe fallen, während Harald Appels, der Leitende Kriminaldirektor, absichtlich laut als Einziger mit einem korrekten »Guten Morgen« antwortete. Nachdem er kurz etwas in sein iPad getippt hatte, schaute er aufmerksam wie ein Musterschüler zu Angermüller.

      »Also vorgestern, am Mittwochnachmittag, entdeckte ein Hundebesitzer aus der Ferienhaussiedlung nebenan kurz nach 15 Uhr eine Brandleiche im Strandbad am Pönitzer See«, begann Angermüller, während Mehmet Grempel mit dem Beamer an der Wand Fotos des Fundortes mit dem teilverkohlten Körper aufflammen ließ.

      »Bisher wissen wir nur, dass die Verbrennung der Leiche mit ziemlicher Sicherheit am späten Nachmittag, frühen Abend des Dienstag stattgefunden haben muss. Zeugen haben um die Zeit am Seeufer Rauch gesehen.«

      Die Aussage des aufmerksamen Jungen aus Klingberg hatten sich die Kommissare noch am Donnerstag durch seinen Vater bestätigen lassen. Ja, Leon hatte am Dienstag als Erster und scheinbar Einziger die schmale Rauchsäule am anderen Ufer bemerkt und wäre am liebsten sofort zu der Stelle gefahren, da er vermutete, Indianer würden Rauchzeichen senden. Es war zwischen 16 und 17 am Nachmittag. Doch da sie ohnehin schon spät dran waren, wollte der Vater seine Söhne so schnell wie möglich bei seiner Frau abliefern, um Ärger zu vermeiden, und hatte Leons Wunsch abschlägig beschieden.

      »Durch die Verbrennung der Leiche konnte die Rechtsmedizin den Todeszeitpunkt nicht mehr feststellen, wie im Bericht ausführlich begründet wird. Wir wissen also nur, dass sie mindestens seit Dienstag dort lag.«

      Angermüller legte den Bericht beiseite und sah in die Runde.

      »Leider werden unsere Ermittlungen dadurch weiter erschwert, dass es in der Nacht von Dienstag auf Mittwoch sehr stark geregnet hat, das heißt, es gibt keine gesicherten Erkenntnisse, ob der Fundort auch der Tatort ist. Andreas, berichtest du bitte mal«, forderte Angermüller den Kriminaltechniker auf.

      »Da gibt’s nix zu berichten«, beschwerte sich Ameise, als ob er einen der Anwesenden dafür verantwortlich machen wollte.

      »Der Regen hat den Boden komplett aufgeweicht, weder Tritt- noch Schleifspuren waren auszumachen. Wir haben Zigarettenkippen eingesammelt und mehrere Verpackungen einer Sorte Schokoriegel. Mehmet war gestern noch einmal vor Ort und hat nichts Nennenswertes mehr entdeckt. Und auf den eingesammelten Fundstücken haben wir keine verwertbaren Spuren gefunden. Ist sowieso die Frage, ob sie überhaupt vom Täter stammen, da weder Kleidung noch sonstige persönliche Gegenstände in der Umgebung auszumachen waren. Der Mehmet hatte bei unserer ersten Inaugenscheinnahme nur so einen Verschluss entdeckt, wahrscheinlich von einem Kanister …«

      Das Foto eines runden schwarzen Plastikverschlusses erschien an der Wand.

      »Genau. Der könnte was mit der Tat zu tun haben, wie gesagt, könnte. Schon mal, weil es darauf gar keine Fingerabdrücke gibt. Ich habe ihn zum Brandsachverständigenteam zum LKA nach Kiel geschickt. Wenn überhaupt, dann können die ermitteln, ob und wenn ja, welcher Brandbeschleuniger sich in dem zugehörigen Kanister befunden hat.«

      »Danke, Mehmet«, nickte der Kommissar, »die Obduktion hat ergeben, dass es sich bei dem Opfer um eine Frau handelt, 20, 21 Jahre alt, schlank, einen Meter 75 groß. Die Todesursache sind mehrere heftige Schläge mit einem harten, kantigen Gegenstand gegen den Hinterkopf.«

      Mehmet untermauerte Angermüllers Ausführungen mit entsprechenden Aufnahmen der grausigen Details. Die Kollegen, auch Anja-Lena, die Jüngste im Team und einzige Frau, nahmen sie mit professionell unbewegten Mienen zur Kenntnis. Wie es dahinter aussah, ging keinen was an. Sie alle hatten im Job schon viele brutale Dinge ertragen müssen und jeder auf seine Art trainiert, damit umzugehen.

      »Bis auf die Zeugen des Brandes hat niemand etwas von den Vorgängen am See bemerkt«, fuhr Angermüller fort.

      »Anja-Lena und Thomas, ihr hattet euch die Datei der Vermissten und unbekannten Toten vorgenommen. Was gefunden?«

      Niemann, der penible Aktenführer mit seinem phänomenalen Gedächtnis, schüttelte bedauernd den Kopf, genau wie Anja-Lena, die in diesem Fall mit ihm zusammenarbeitete.

      »Wir haben wirklich gründlich geforscht, aber es haperte dann immer wieder an bestimmten Details, sodass sich kein einziges Match von unserem Opfer mit einer der vermissten Personen ergab, tut mir leid.«

      »Dann hoffen wir mal auf unsere letzte Chance für eine schnelle Identifizierung. Das Opfer trug nämlich Brustimplantate.«

      Ein Bild des verkohlten Brustkorbs mit den angeschmolzenen Kunststoffteilen erschien an der Wand.

      »Auf dem einen Exemplar war die Seriennummer noch gut sichtbar.«

      Ein leiser Pfiff ertönte aus der hinteren Stuhlreihe. Angermüller unterbrach sich und warf einen genervten