Ella Danz

Trugbilder


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glaube, du bist irgendwie in der Pubertät stecken geblieben, Andreas, wenn dich nur die Erwähnung von Brustimplantaten dermaßen in Erregung versetzt«, kommentierte Angermüller ärgerlich, was bei Ameise nur ein Schulterzucken hervorrief.

      »Staatsanwalt Lüthge hat schon vorgestern alles in die Wege geleitet, um möglichst schnell eine richterliche Anordnung für die Herausgabe der Daten durch die operierende Klinik zu erhalten. Damit können wir das Opfer sofort identifizieren.«

      Mit besorgter Miene erhob sich der Behördenchef.

      »Dann hoffen wir mal, dass wir bald Kontakt zu der Klinik bekommen, damit wir zügig an die Aufklärung gehen können.«

      Wieder nett formuliert, dachte Angermüller, der wusste, wie seine Leute diesen Spruch hassten, denn der Einzige im Raum, der wenig bis gar nichts zur Aufklärung beitrug, war Harald Appels.

      »Hat die Presse schon Wind von dem Fall bekommen?«, erkundigte der sich noch.

      »Nicht, dass ich wüsste«, gab Angermüller Auskunft, »und ich hoffe, das bleibt auch noch eine Weile so.«

      Nicht zuletzt wegen seines Chefs hoffte er das. Sobald ein spektakulärer Fall in den Medien landete, wollte Appels der Presse Erfolgsmeldungen liefern. In der Folge setzte er seine Leute ständig unter Druck, was sich eher negativ auswirkte, und manchmal musste man ihn sogar energisch daran hindern, mit seinen geschwätzigen Pressekonferenzen die Ermittlungsarbeit der ganzen Truppe zu torpedieren.

      »Okay, Angermüller, du hältst mich auf dem Laufenden. Also, erfolgreichen Tag allerseits, ich muss weiter, Telefonkonferenz …«

      Geschäftig eilte der Kriminaldirektor davon.

      »Jaja, ist alles total wichtig, was der macht.«

      Jansen schnitt eine Grimasse.

      »Das war’s fürs Erste. Sobald wir die Personendaten des Opfers aus der Klinik haben, können wir hoffentlich richtig loslegen«, löste Angermüller das Treffen auf.

      »Hier, aus der Heimat, wollte ich dir eigentlich schon gestern geben.«

      Mehmet Grempel überreichte dem Kommissar eine kleine Papiertragetasche. Angermüller schaute neugierig hinein und beförderte zwei Päckchen in Plastikfolie eingeschweißte Coburger Bratwürste nach draußen.

      »Hey, vielen Dank, das ist ja nett von dir. Hab ich seit dem letzten Sommer nicht mehr gegessen.«

      »Wusste doch, dass du bestimmt schon Entzugserscheinungen hast«, grinste Mehmet. »Dann wünsch ich dir guten Hunger. Tschüs.«

      Diese Bratwürste gab es nur in seiner oberfränkischen Heimat. Dort waberten weithin sichtbar die Duftwolken über den Marktplatz, wo die Spezialität in einer kleinen Bude über offenem Feuer auf Kiefernzapfen zubereitet wurde. Sie hatte einen ganz eigenen, köstlichen Geschmack, und Angermüller freute sich schon darauf. Allerdings drängten sich ihm beim Anblick der schlanken, auf dem Rost gebratenen Würste mit den schwarzen Bratspuren plötzlich ganz andere Bilder auf. Schnell schob er die Päckchen zurück in die Papiertüte und hoffte, die heimatliche Köstlichkeit irgendwann ohne makabres Kopfkino genießen zu können.

      »So, ich muss dann los, was besorgen. Soll ich dir was zum Mittagessen mitbringen?«, fragte Angermüller seinen Kollegen, als sie wieder in ihren Büros saßen.

      »Nee danke, ich wollte heute mal wieder einen Selbstversuch in der Kantine starten.«

      »Du bist ja mutig! Dann wünsch ich gutes Überleben. Und wenn die Klinik sich wegen der Implantationsdaten melden sollte, ruf mich an.«

      »Du bist mal wieder ein unverbesserlicher Optimist. Ich glaub nicht, dass wir da heute noch was erfahren.«

      »Positiv denken, Claus! Spätestens am frühen Nachmittag bin ich zurück, ciao.«

      Von seiner Dienststelle in der Possehlstraße bis zu der kleinen Straße hinterm Burgfeld benötigte Georg mit dem Fahrrad eine gute Viertelstunde. Dabei konnte er über sein Vorhaben nachdenken, seine privaten Dinge endlich wieder geradezurücken. Seit mehr als einer Woche hatten Derya und er sich nicht gesehen und kaum miteinander telefoniert.

      Ihr Catering Service schien zurzeit wirklich zu brummen, sodass sie nicht zum Luftholen kam. Und die wenigen Male, die sie sich verabredet hatten, war ihm beruflich etwas dazwischengekommen oder er hatte es schlicht und einfach verbaselt so wie vorgestern. Immer mal wieder hatte Georg auch gestern versucht, seine Freundin telefonisch zu erreichen, aber jedes Mal vergeblich, und zurückgemeldet hatte sie sich auch nicht.

      Angermüller konnte sich schon denken, was los war. Derya, normalerweise ziemlich gutmütig, war inzwischen wahrscheinlich stinksauer. Deshalb hatte er sich zu diesem spontanen Besuch entschlossen und unterwegs noch einen Strauß Rosen besorgt, wie man das eben so machte, wenn man ein schlechtes Gewissen hatte.

      Hinter dem Rosenstrauß verborgen, drückte Georg auf die Klingel und freute sich auf das überraschte Gesicht seiner Freundin.

      »Hallo! Ich nehme an, die sind nicht für mich, oder?«, hörte er eine Männerstimme fragen und senkte verdutzt die Blumen.

      Ein Typ mit zusammengebundenen dunklen Haaren, nur wenig kleiner als er selbst, stand in der Tür und sah ihn belustigt an.

      »Äh, nein. Ist Derya nicht zu Hause?«

      Da sah er sie schon am Ende des Flurs auftauchen.

      »Georg! Was machst du denn hier?«

      Sie war nicht minder überrascht als er und genauso peinlich berührt.

      »Wir haben uns ewig nicht gesehen, dauernd kam irgendwas dazwischen. Du hast nicht zurückgerufen, da hab ich gedacht, ich schau besser mal vorbei. Nicht, dass du seit Tagen schon irgendwo tot in einer Ecke liegst …«

      Solche blöden Sprüche waren sonst gar nicht Georgs Art, aber der Typ, der da im Türrahmen lehnte und ihn und Derya aufmerksam beäugte, sollte keinen falschen Eindruck bekommen. Keinesfalls sollte der denken, dass dies ein Entschuldigungsbesuch war.

      »Hier.«

      Ziemlich uncharmant überreichte Georg ihr die Rosen und schaffte es gerade noch, Derya mit einem Wangenkuss zu begrüßen, bevor sie zurückwich.

      »Danke. Hast du keinen Dienst?«

      »Doch. Ich mach nur eine verlängerte Mittagspause.«

      »Magst du kurz reinkommen?«

      Es klang nicht unbedingt nach einer begeisterten Einladung. Umständlich schaute Georg auf seine Uhr.

      »Na ja, ein bisschen Zeit hab ich noch.«

      Er folgte den beiden in die Küche, wo auf dem üppig gedeckten Tisch zwei Gedecke bereitstanden.

      »Möchtest du mit uns essen?«, fragte Derya ein wenig lahm. Sie wirkte weder besonders erfreut noch richtig locker. Außerdem, das ging Georg dauernd durch den Kopf, wer war der Mann?

      »Ja gern, aber ich will nicht stören …«

      »Du störst nicht. Es ist ja auch genug da. Derya denkt immer, wir werden nicht satt. Ach, übrigens, ich bin Yunus. Ein alter Freund des Hauses.«

      »Georg«, stellte sich Angermüller vor, fragte sich, was für eine Art Freund der Mann war, und nahm die ihm dargebotene Hand.

      »Ja, hab ich mir irgendwie schon gedacht.«

      Yunus grinste, und während er ein drittes Gedeck auflegte, setzte sich Georg und beschloss, sich ganz unaufgeregt anzuschauen, was hier los war.

      »Das sieht ja wieder sehr verlockend aus, Derya Schatz«, meinte er anerkennend und ließ den Blick über all die Köstlichkeiten schweifen. Schafkäse, Oliven, Omelette, eine Yufka-Pastete mit Lachs, ein Schälchen Hummus, frische Tomaten, goldbraunes Fladenbrot und ein Quarkkuchen, der aussah wie aus der Backstube von Georgs Schwiegermutter.

      Er war hungrig. Also verdrängte Georg die etwas merkwürdigen Umstände und stellte sich einen bunten Teller mit