Martina Parker

Zuagroast


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      »Ich hab keinen Hunger, ich hab schon mit dem Nemeth gegessen. Der erwartet ja jedes Mal, dass ich ihn zum Essen ausführe. Dabei zahl ich ihm echt genug für seine depperten Stempel.«

      Eva nickte verständnisvoll. Dass der Nemeth den Hals nicht vollbekam, war ein ständiges Problem ihres Leider-nein-Architekten-Gatten.

      »Ich hab aber an anderen Hunger!« Paul blickte sie treuherzig an. Eva trug eine rosa Flanellpyjamahose mit weißen Herzen, ein grünes Kapuzen-T-Shirt und rosa Kunstfrotteesocken. Ihr war null nach Sex zumute. Aber wenn Paul lächelte, hatte er immer noch dieses Grübchen auf der linken Wange, in das sie sich mit 15 verliebt hatte.

      »Komm her, ich hatte einen echt stressigen Tag, du könntest mir helfen, mich zu entspannen.« Eva zögerte. Sie hatte als quasi Alleinerzieherin auch einen stressigen Tag gehabt. Sie hatte zwar null Lust, aber sie wollte Pauls gute Laune nicht zerstören. Ein fröhlicher Paul war ihr allemal lieber als ein verletzender, zynischer Paul. Außerdem war es echt schon ewig her, seit sie miteinander geschlafen hatten. Sie sollten es wirklich wieder mal tun. Warum nicht jetzt. Dann würde sie vielleicht auch wieder mehr Lust auf Sex bekommen. Mit Sex ist das ja eine ganz komische Sache. Je weniger man hat, desto weniger geht er einem ab. Zumindest war das bei Eva so.

      »Wir könnten auch wieder die Spielzeugkiste aufmachen«, flüsterte er ihr ins Ohr.

      Eva erstarrte. Als vor zehn Jahren »Fifty Shades of Grey« herausgekommen war, war Paul auf den Bondage Trip aufgesprungen und hatte seinen Fitnessraum in eine Sado-Maso-Kammer verwandelt. Eva hatte das Ganze gar nicht getaugt, sehr zu seinem Missfallen. Als Mutter eines Kleinkindes war sie mit durchwachten Nächten und vom Stillen wunden Brustwarzen schon genug gefoltert. Sie brauchte Zärtlichkeit und Schlaf und keinen Ehemann, der ihr Brustklammern anlegte und auf strenge Kammer machte.

      Zum Glück hatte sich das Ganze erledigt, als Carla größer wurde und ein solches Spielzimmer in einem Familienhaushalt nicht mehr vertretbar war. Die Sado-Maso-Accessoires wanderten in die Versenkung und wurden nie wieder gesehen. Eva hatte sie schon ganz vergessen. Paul grinste anzüglich: »Oder du könntest mir einen blasen.« Er war wirklich geil. Er hatte mit der Zieserl im Auto geschmust, als er sie zu ihrem Wagen gebracht hatte, den sie in der Grazer Tiefgarage geparkt hatte, und alles war nach Plan gelaufen. Aber dann hatte sie diese unnötige Masche »Ich bin keine Frau für eine schnelle Nummer« abgezogen und war davongefahren. Weiber.

      Als Eva und Paul miteinander schliefen, dachten sie paradoxerweise beide an die Zieserl. Paul, weil er noch immer von den Titten der Zieserl angeturnt war. Und Eva, weil sie überlegte, ob Paul und die Zieserl wirklich nur Facebookfreunde waren.

      Später, als er längst schlief und leise schnarchte, schlich Eva ins Badezimmer. Pauls Kleider lagen fein säuberlich über dem Badewannenrand. Sie tastete nach seiner Hose. Die Geldbörse steckte in der rechten hinteren Hosentasche. Eva klappte die Brieftasche mit zitternden Händen auf. Sie musste Gewissheit haben. Sie atmete auf, als sie die flache Verpackung mit dem kreisförmigen Inhalt ertastete. Eva vertrug die Pille nicht. Paul hatte immer eines seiner Spezialkondome in der Geldbörse. Er nahm ausschließlich diese Marke. Sie atmete erleichtert auf. Das Kondom war noch da.

      Kapitel 11

      Gartenseife

      Skorpione gibt es auch im Süden Österreichs. Zur Paarungszeit verströmen die Weibchen Sexuallockstoffe, die die Männchen anlocken. Haben die Männchen ein paarungswilliges Weibchen gefunden, versuchen sie, dieses durch Zuckbewegungen in Paarungsstimmung zu versetzen. Hat das Männchen seine Partnerin »überzeugt«, greifen sie einander an den Scheren, und ein manchmal stundenlanger Paarungstanz beginnt.

      »Duftstück mit Lavendel«, schrieb Johanna mit ihrer akkuraten Handschrift, die fast genauso lang gezogen und eckig war wie die Kurrentschrift ihrer Großmutter, auf die Etiketten. Johanna kriegte noch immer einen Zorn, wenn sie an das Gespräch mit dem Lebensmittelinspektor dachte. Der hatte ihr doch tatsächlich untersagt, ihre handgemachten Naturseifen zu verkaufen, zumindest solang, bis sie die dafür erforderlichen gesetzlichen Auflagen erfüllen würde.

      Wochenlang hatte Johanna wegen dieser gesetzlichen Auflagen recherchiert. Die baulichen Veränderungen und Kosten, eine eigene Seifenküche zu installieren, wären da noch die geringste Hürde gewesen. Johanna hätte für jede einzelne Seifensorte ein Labor mit einer kostspieligen Sicherheitsbewertung beauftragen müssen. Ein Ding der Unmöglichkeit, denn sie erfand immer neue Seifensorten. Auch jede einzelne Banderole hätte sie einreichen und beäugen lassen müssen. Und für die Erlaubnis, diese Verpackung zu verwenden, hätte sie dann wieder teuer bezahlen müssen. Die Kosten wären in die Abertausende gegangen und das, obwohl sie pro Seife nur wenige Cent verdiente.

      Da haben die großen Lobbyisten gute Arbeit gemacht und alles bis zum Erlöschen reguliert, ärgerte sich Johanna. Sie hasste Ungerechtigkeiten. Seifensieden war nichts, das von Konzernen betrieben werden sollte. Es war ein jahrhundertealtes Handwerk. Seife war sauber. Seife war nützlich. Seife hatte in der Corona-Krise Millionen Leuten das Leben gerettet.

      Aber sie hatte eine Lösung gefunden. Sie nannte ihre Seifen einfach »Duftstücke« und schrieb dazu, dass man damit Unterwäscheladen parfümieren konnte. Was die Leute dann wirklich damit machten, war ja unkontrollierbar. Mal schauen, was der Lebensmittelinspektor dazu sagen würde.

      Und sie würde sich Verbündete holen, ihr Wissen auch an die anderen Frauen im »Klub der Grünen Daumen« weitergeben. Johanna fand es gut, wenn es mehr Seifensiederinnen gab. Man könnte sich gemeinsam gegen die Auflagen der Lobbyisten auflehnen. Eine Seifensieder-Revolution. Das wäre doch herrlich befreiend, oder?

      Eva hatte das Thema Seifensieden immer schon interessiert. Sie versprach sich davon innerfamiliär mehr Erfolg als von ihren ausgefallenen Marmeladensorten. Vera fand die Idee, Seifen zu kochen, auch spannend.

      Auch die anderen Klubmitglieder waren wieder mit ihren obligatorischen Weidenkörben angerückt. Darin befanden sich heute neben Zettel und Notizblock auch diverse Zutaten für die Seifenküche. Getrocknete Blüten, Mohnsamen, Weizenkleie, ätherische Öle. Die Grundzutaten hatte Johanna besorgt.

      Der Lehrgang fand in ihrer Wirtschaftsküche statt. Diese befand sich in der Garage ihres Hauses gleich neben dem Laden. Da Johanna kein Auto, sondern einen Lieferwagen besaß, den sie nur mit Mühe durch das enge Garagentor manövrieren konnte, hatte sie sich irgendwann entschieden, dass der Lieferwagen draußen bleiben musste. Stattdessen hatte sie sich hier den Traum einer Wirtschaftsküche erfüllt. Es gab eine tiefe Abwasch, um Gemüse, das sie vom Garten hereinbrachte, zu putzen, einen doppelt breiten Gasofen mit sechs Flammen, um Marmelade, Sugo und Chutney einzukochen, unzählige Holzregale mit Vorräten und einen großen Arbeitstisch. Die Regale und Arbeitsflächen waren jetzt mit Zeitungspapier abgedeckt.

      Johanna sah aus, als wollte sie eine lebensnotwendige Operation durchführen. Sie trug eine Schutzbrille und eine Atemmaske. Ihre Hände steckten in langen dicken Gummihandschuhen.

      »Seife sieden ist nicht gefährlich, wenn man sich genau an das Rezept und an die Sicherheitsbestimmungen hält«, sagte sie. »Aber wir produzieren eine Lauge, und eine Lauge ist ätzend, deswegen darf nichts davon in die Augen oder auf die Haut kommen. Falls ihr euch wirklich einmal auf der Haut verätzt, neutralisiert die Stelle mit Essig. Die Lauge entsteht, wenn wir Ätznatron mit Wasser mischen. Ätznatron bekommt ihr bei Isabella in der Drogerie. Wichtig, haltet euch beim Seifenmachen aufs Gramm genau an die Mengenabgaben.«

      Vera hatte noch nie Ätznatron gesehen. Es sah kristallin aus, ein bisschen wie Meersalz. Kosten wäre aber vermutlich tödlich gewesen. Johanna maß mit einer Grammwage die richtige Menge Natron ab. Dann schüttete sie es vorsichtig in ein Plastikgefäß, das die genau abgemessene Menge Wasser enthielt. Es begann zu rauchen und zu stinken wie früher in der Chemiestunde. Zum Glück war das Garagentor weit offen. Sie stellte das Gefäß auf den Tisch vor der Garage.

      »Die Dämpfe dürft ihr auf keinen Fall einatmen. Durch die chemische Reaktion ist die Lauge jetzt auch sehr heiß geworden. Wir warten, bis sie auf 40 Grad abkühlt. Inzwischen erwärmen wir die Fette und Öle auf genau dieselbe Temperatur. Mag das eine von euch machen?«

      »Ich