Martina Parker

Zuagroast


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Grillen in Form geblieben. Er war an den Rändern ein bisschen braun geworden, und dann hatte er beim Reinbeißen Fäden gezogen. Aber das, was da über die Platten kroch, war eine dottergelbe Suppe.

      »Supermarktklumpert«, kommentierte Hilda. »Auf meinem Facebook schreiben die, dass im Käse gar keine Milch mehr drinnen ist. Und in einer steirischen Käsefabrik hams sogar Käfer im Käse gefunden. Ich kauf Käse nur im Bauernladen, aber nur, wenn die Frau Fuith aus Mariasdorf Dienst hat, weil die anderen Verkäuferinnen …«

      »Nach was riecht es da so komisch?«, fragte Letta stirnrunzelnd. Der Hunger hatte sie offenbar aus ihrem Verschlag getrieben. Sie nahm die Kopfhörer ab. »Leave me alone …«, die Stimme von Deprirapper NF waberte aus den Lautsprechern.

      »Ich hab den falschen Käse gekauft«, gestand Vera.

      »Na super. In Wien hätten wir jetzt Pizza bestellen können«, sagte Letta. »Aber hier in der Einöde müssen wir verhungern.«

      »Du kommst mit zu mir, ich mach dir ein Schnitzerl mit Reis«, sagte Hilda zu ihrer einzigen Enkelin. Die Bereitschaft, zu jeder Tages- und Nachtzeit Schnitzerl mit Reis zu machen, hatte ihr den Bonus eingebracht, dass Letta zu ihr weitaus freundlicher war als zu allen anderen Menschen in ihrem Umfeld.

      »Wie war’s in der Schule?«, fragte Hilda.

      Letta rollte mit den Augen. »Geht so. Die haben mich heute gefragt, ob meine Mama mal was mit einem Basketballer hatte.«

      Vera zuckte zusammen. Sie wusste, was diese Anspielung bedeutete. In der Oberwarter Basketballmannschaft gab es zahlreiche dunkelhäutige Legionäre aus den USA. Kurz überlegte sie, ob die Bemerkung wohl rassistisch gemeint war. Aber vermutlich war es nur neugieriges Gerede ohne Hintergedanken.

      Lettas Haut war dunkler als die der anderen Kinder. Bei einer Buntstiftzeichnung hatte sie nie nach dem »hautfarbenen« Rosa gegriffen, das alle anderen Kinder benutzten, um Gesicht und Hände auszumalen, sondern immer nach Ockerbraun. Ihre Hautfarbe war das Erbe ihres brasilianischen Vaters. Ein Fotograf, mit dem Vera eine heftige, wenn auch komplett dysfunktionale Beziehung gehabt hatte, bei der die Distanz zwischen Rio und Wien noch das kleinste Problem gewesen war. Vera hatte seit ihrer Schwangerschaft keinen Kontakt mehr zu ihm. Letta, eigentlich Violetta, war wirklich das einzig Positive, das dieser Typ je zusammengebracht hatte, dachte sie.

      »Hattest du was mit einem Basketballer?« Letta sah sie fragend an.

      »Nein«, seufzte Vera.

      »Die Heidi hat auch ockerfarbene Kinder«, sagte Hilda fröhlich. »Und jetzt mach ich dir ein Schnitzerl.«

      Trauerarbeit

      Akt 1

      »Alles, was ich denken konnte, war: Ich will ihn noch einmal sehen! Ihn einfach noch einmal anschauen. Ihn ein letztes Mal berühren. Aber die haben es mir nicht erlaubt. Die Ärztin gab mir ein starkes Beruhigungsmittel. Das hat mich völlig lethargisch gemacht. Dass ich ihn nicht mehr sehen durfte, werde ich ihnen nie verzeihen.«

      Kapitel 2

      Eva und Paul

      Stubenfliegen können Essen mit ihren Füßen schmecken! Dafür sorgen Geschmacksrezeptoren an ihren Unterschenkeln und Füßen. Landet eine Fliege auf einer Mahlzeit, die ihr zusagt – die Bandbreite reicht dabei von Hundescheiße bis Kuchen – wird sie möglichst oft darauf herumlaufen, um etwas von dem guten Geschmack zur nächsten Mahlzeit mitzunehmen.

      Eva drückte auf das Pluszeichen des glatten Displays, aber nichts passierte. Sie probierte es noch einmal. Keine Chance. Seufzend griff sie zu einem Küchentuch aus grauviolettem Leinen und wischte über die Oberfläche, um etwaige Feuchtigkeit zu entfernen. Sie hasste diesen hypermodernen Herd. Automatikprogramme, kabelloses Speisenthermometer, Pyrolyse-Ausstattung, aber ein Touch-Bedienfeld, das sie fast zum Weinen brachte.

      Der Herd war Pauls Entscheidung gewesen, wie auch das Haus, der Umzug und alles andere, was Evas Leben ausmachte. Wäre Paul ein Herd, wäre er genauso einer, dachte Eva verbittert. Äußerlich schick und spiegelglatt, aber in seinen Aktionen unberechenbar. Vor lauter Frust trommelte Eva jetzt mit den Fingern gegen die Glasplatte.

      Ein schrilles Geräusch ertönte. Auch Paul wurde in letzter Zeit gerne mal laut. »Du sitzt wie eine Prinzessin den ganzen Tag daheim, du hast ja keine Ahnung, was ich ständig um die Ohren habe«, brüllte er dann. Prinzessin. Irgendwann war Eva tatsächlich seine Prinzessin gewesen. Damals, als sie mit 15 in der Schulvorführung das Schneewittchen gespielt hatte und gar nicht glauben konnte, dass sich der große, blonde charismatische Paul ausgerechnet für sie interessierte.

      Aus dem selbstbewussten Klassenschönling der 5c war ein erfolgreicher Architekt geworden. Oder genauer gesagt, ein »Beinahe-Architekt«. Nur Eva wusste, dass Paul das Studium nie abgeschlossen hatte. War auch nicht nötig. Das »Planungsbüro Achleitner« lief auch ohne akademische Urkunde. Und die notwendigen Stempel für die Einreichungen konnte man sich ja kaufen.

      Das Schrillen ging Eva durch Mark und Bein. Sie war eine empfindsame Frau und viel zu empathisch. Einer dieser Menschen, die 1000 Kleinigkeiten wahrnehmen und manchmal ganz erschöpft waren von der Vielzahl der Eindrücke in ihrem Kopf. Menschenmassen, Lärm und Geschwindigkeiten überforderten sie und machten ihr Angst. Früher hatte ihre Sensibilität Pauls Beschützerinstinkte geweckt. Heute zeigte er sich zunehmend genervt. »Stell dich nicht so an. Andere Frauen stellen sich auch nicht so an.« Andere Frauen waren der ständige wunde Punkt in Pauls und Evas Beziehung.

      »Buchschachen ist ein frischer Start für uns«, hatte er ihr versprochen, als seine letzte Affäre aufgeflogen war und er Frau und Kind fast in einer Nacht- und Nebelaktion vom Nord- ins Südburgenland transportiert hatte. Eva hatte den Verdacht, dass weniger Pauls moralische Läuterung der Grund für den Umzug war als Ungereimtheiten bei seinem letzten Großprojekt, dem Bau des »Seewinkler Inselparadieses«.

      Eva hatte es nach dreimaligem Durchlesen der Betriebsanleitung endlich geschafft, den Herd anzuwerfen, und begann, Zwiebeln und Fleisch in Olivenöl zu bräunen. Französisches Boeuf en Daube, also provenzalischer Schmortopf vom südburgenländischen Moorochsen. Das signalisierte Regionalbewusstsein und Weltoffenheit. Genau das, was Paul ausstrahlen wollte. Sie musste sich beeilen. Die Gäste würden zwar erst am Abend kommen, aber Paul mochte es nicht, wenn das ganze Haus nach Zwiebeln roch, was bei dem offenen loftartigen Grundriss des Raumschiffes fast unvermeidbar war.

      Eva öffnete die Eingangstür, um zu lüften. Auf den Stiegen stand ein Karton Eier. Die Eier waren laut Pickerl am Karton vor zwei Monaten abgelaufen. Als das das erste Mal passiert war, hatte sich Eva den Kopf darüber zermartert, warum ihr die Nachbarn abgelaufene Eier vor die Tür gestellt hatten. War das eine versteckte Message, ein Zeichen, vielleicht sogar eine Drohung? Dann hatte sie irgendwann gecheckt, dass die Eier von den