Martina Parker

Zuagroast


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frisch waren. Es waren freilaufende Hühner, die legten, wo sie wollten. Manche Eier wurden erst Wochen später gefunden.

      Eva nahm eine Schüssel Wasser und legte die Eier hinein. Die meisten Eier richteten sich in der Sekunde auf. Frisch waren die nicht mehr. Ein Tiramisu traute sich Eva damit nicht zu machen. Vielleicht lieber Schokoladenbrownies oder eine Mohntorte mit Joghurt und Himbeertopping.

      Eva hatte schon immer gerne gekocht und gebacken. In ihrer Rolle als One-Woman-Eventunternehmen für Pauls Geschäftsanbahnungen hatte sie diese Fähigkeit perfektioniert. Paul erwartete von Eva, fürsorglich, unterstützend, loyal, geduldig und fröhlich zu sein. Er erwartete das 24/7. Aber ganz besonders, wenn Gäste da waren.

      Die, die für heute angesagt waren, waren wichtige Leute. Der Chef der »Pannonia Bau« samt Gattin. »Da darf nichts schiefgehen«, hatte ihr Paul eingebläut.

      Zumindest würde seine Laune heute Abend besser sein. Sein Charmepegel stieg mit der Wichtigkeit des Besuchs. Je einflussreicher und nützlicher ihm die Menschen erschienen, desto mehr warf er sich ins Zeug, ließ den unterhaltsamen Sonnyboy raushängen, war witzig und charismatisch. Evas Freundinnen behandelte er zumeist mit Ignoranz, außer sie gefielen ihm.

      Eva stellte die Daube ins Rohr, drehte das Display auf 160 Grad und machte sich fertig, das Haus zu verlassen. Sie musste noch ihre Tochter Carla abholen, die im benachbarten Pinkafeld beim Jazzdance-Unterricht war. An die ständige Fahrerei hier im Süden hatte sie sich erst gewöhnen müssen. Das Busnetz war hier wesentlich schlechter ausgebaut, die Häuser in Buchschachen verstreuter als die Straßendörfer im Norden.

      »Eigentlich sieht Buchschachen schon steirisch aus«, hatte ihnen der Vorbesitzer des Hauses erklärt. Das war positiv gemeint. Er wollte ausdrücken, dass Buchschachen mehr nach Geld aussah als die umliegenden burgenländischen Dörfer. Die urbanen Zuagroasten, die sich hier niederließen und ihre Kohle in die Revitalisierung der Arkadenhöfe steckten, schätzten das Dorf wegen seiner Nähe zur Autobahn. Man war gerne am Land, aber wollte auch schnell wieder weg.

      Eva stieg in ihren schwarzen SUV, betätigte die Zündung und gab Gas. Der Wagen rollte langsam aus der Einfahrt. Sie blinkte und bog auf die Landstraße ein. Auf dem Bankerl vor der Kirche saßen zwei Frauen und winkten ihr freundlich zu. Eva winkte zurück. Sie erkannte ihre Nachbarin an der auffällig geblümten Kittelschürze. Den darauffolgenden Dialog der beiden hörte sie natürlich nicht.

      »Wor des dei Weanerin, derst immer die Oa aufibringst?«, fragte die eine und fügte ein bisserl süffisant hinzu: »Woarum tuist da deis, bei dem Wogn kaun sa si d’ Oa a kafn?«

      »Jo, weil i neigierig bin«, sagte die andere. »Außerdem is des ka Weanerin, sondern ane ausn Nordburgenland.«

      *

      Vor der Schule, in der der Tanzunterricht stattfand, hatten sich schon zahlreiche Eltern mit ihren Fahrzeugen eingeparkt. Es war windig. Eva beschloss, in die Aula der Schule zu gehen und dort auf Carla zu warten. Eine der Mütter, die bereits dort stand, kannte Eva vom Sehen. Viktoria? Veronika? Nein, Vera. Die Frau hieß Vera. Sie hatte sich den Namen gemerkt, weil sie bei der Anmeldung hinter ihr gestanden war und ihr deren Tochter mit den blitzenden Augen und den dunklen Locken aufgefallen war. Irgendwie hatten Vera und ihre Tochter eine urbane Aura. Das lag auch an der Kleidung. Vera hatte ihre dunklen Haare zu einem schlampigen Dutt hochgesteckt und trug derbe Boots zu einem schlichten grauen, asymmetrisch geschnittenen Kleid. Vera musste bemerkt haben, dass Eva sie angestarrt hatte, denn sie blickte fragend zurück und hob das Kinn. Eva errötete.

      »Du bist die Mutter von Carla, oder?« Vera lächelte breit.

      Sie musste wirklich aus der Stadt sein, so leicht wie ihr das Du über die Lippen kam. Die anderen Mütter hatten Eva bisher immer gesiezt.

      »Ja, wir sind erst vor einem halben Jahr nach Buchschachen gezogen. Ich dachte, ›Dance Together‹ könnte Carla Spaß machen.«

      »Jede Freizeitbeschäftigung, bei der mein Kind nicht auf seinem Bett liegt und am Handy herumwischt, ist ein Gewinn«, sagte Vera.

      Eva schmunzelte, dann überkam sie wieder die gewohnte Schüchternheit. Sie war nicht sonderlich gut in Small Talk. Das war Pauls Part. Vera hatte ihr in drei Minuten ihre halbe Lebensgeschichte und den Grund für ihre Heimkehr nach Sankt Martin in der Wart erzählt. Eva fiel es wesentlich schwerer, sich zu öffnen. In ihrer Unsicherheit starrte sie auf eine Pinnwand schräg vis-à-vis, auf der diverse Zettel und Prospekte hingen. Feng Shui, eine Aufforderung zum Mülltrennen, die Ankündigung eines Schulkonzertes. Ein Zettel mit einem grünen Daumenabdruck.

      Vera folgte ihrem Blick.

      »Oh, schau mal, da ist ein Aushang von einem Gartenstammtisch. Das wär was für mich. Wenn ich nicht bald die Schnecken in den Griff bekomme, zuck ich aus. Die Viecher haben mir das ganze Gemüsebeet leergefressen. Habt ihr in Buchschachen auch einen Garten?«

      Eva nickte. Sie liebte alles, was wuchs und gedieh. Bei diesem Thema fühlte sie sich sicher. »Ja, aber weniger Gemüse, mehr Stauden und alte Rosen. Das meiste habe ich aus dem Nordburgenland hierher verpflanzt, aber der Garten hier ist riesig, es gibt noch so viele Lücken, ich bin noch lange nicht fertig.«

      »Na dann«, sagte Vera und fotografierte den Flyer mit dem Handy, um die Kontaktdaten zu speichern. »Vielleicht sieht man sich dort.«

      »Vielleicht«, sagte Eva.

      Der Tanzunterricht war zu Ende. Die Tür zum Turnsaal ging auf. Dutzende Kinder stürmten zu ihren Eltern. Vera winkte Eva noch einmal zu und verschwand mit Letta im Schlepptau.

      Eva blieb nachdenklich vor dem Flyer stehen. »Worauf warten wir noch«, fragte Carla.

      »Ich mach noch schnell ein Foto von dem Aushang da«, sagte Eva. »Aber dann müssen wir uns tummeln, sonst wird der Papa grantig.«

      Der Papa war tatsächlich grantig. »Wo warst du bitte die ganze Zeit«, herrschte er Eva an. »Ich hab dir doch gesagt, das heute Abend ist wichtig, und du fährst den ganzen Nachmittag in der Gegend spazieren.«

      »Ich bin nicht spazieren gefahren, ich habe Carla von der Tanzstunde abgeholt«, verteidigte sich Eva.

      Aber es war sinnlos, Paul hatte sich schon in Rage geredet: »Die kommen in zwei Stunden, das ganze Haus fäult nach Zwiebeln, nix is fertig, und du siehst erbärmlich aus. Wir müssen heute repräsentieren, geht das in deinen Schädel nicht rein? Das heute ist wichtig! Wenn ich dann einmal was von dir erledigt haben möchte, kriegst du es nicht auf die Reihe. Also bitte, komm endlich in die Gänge. Tua weiter.«

      Eva seufzte tief. Als ob sie nicht wüsste, was sie zu tun hätte. Dann tat sie, was zu tun war.

      Es war schon der dritte Repräsentationsabend für zukünftige Kunden und Kontakte in dieser Woche. Paul hielt Hof. Anders konnte man das, was er hier abzog, nicht beschreiben. Er gab sich vor Besuch wie ein König, der sein Reich präsentierte.

      Die Hausführung war immer der erste Akt bei Pauls Abendeinladungen. Er ließ die Leute sogar ins Schlafzimmer blicken. Eva hasste die Blicke der männlichen Gäste, die dann zwischen dem luxuriösen Boxspringbett und ihr hin und her schweiften. Sie konnte deren Gedanken lesen. »Hier nagelt er also seine Frau. Sieht eh hübsch aus, die Puppe. Aber wenn man so reich ist wie der Achleitner, dann stehen die Weiber halt auf einen.«

      Als ob sie Paul wegen seines Geldes geheiratet hätte. Als sie ihn kennenlernte, hatte er noch gar keines. Es war Evas Vater, der Paul damals bei der Hochzeit das Geld für die Gründung der Firma gegeben hatte. Evas Vater war ein Pa­triarch. Die Mitgift war der letzte Akt seiner Versorgungs- und Unterhaltspflicht für Eva gewesen. Und der ehrgeizige Paul hatte die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllt. Er hatte mit dieser Starthilfe ein florierendes Bauunternehmen geschaffen. Dass er sein Architekturstudium nie abgeschlossen hatte, war allerdings seine Achillesferse. Vor allem, weil Eva sehr wohl ihren Abschluss auf der Universität für Bodenkultur gemacht hatte. Wofür eigentlich,