persischen Einflusses kommt beispielsweise die Oase Tayma’ an der Weihrauchstraße in Betracht, die den Süden der Arabischen Halbinsel mit dem östlichen Mittelmeer (Gaza; Syrien) und dem Zweistromland sowie Südirak verband.165 Vor der Unterwerfung seines Reiches durch Kyros hatte sich hierhin der König Nabonid von Babylon für zehn Jahre zurückgezogen (556–539 v. u. Z.); er wurde offenbar von jüdischen Wehrpflichtigen begleitet, hatte sein Heer aber auch durch griechische Söldner angefüllt.166 In Tayma’ kündet noch eine Stele mit den babylonischen Götterbildern für Sonne, Mond und (Venus-)Stern von seinem Aufenthalt.167 Steinsäulen von Tayma’ tragen oft aramäische Inschriften, hatten also die Sprache eines bedeutenden Händlervolkes adaptiert, die Babylonier und Perser als offizielle Reichssprache gebrauchten. Um 400 v. u. Z. geriet die Oase offenbar in Abhängigkeit von dem regionalen Königreich von Liḥyān, das in der Nachbarstadt Dedan sein Zentrum gehabt zu haben scheint.168 Ein Amtsträger von Liḥyān errichtete eine Stele, die von der Stiftung eines Tempels Zeugnis ablegt. Eingemeißelt sind eine geflügelte Sonnenscheibe, eine Mondscheibe und der von einem Kreis umschlossene achtspitzige Venusstern; neben den so erkennbaren mesopotamischen Gottheiten wandte sich der Inaugurator ausdrücklich noch an drei andere Götter: „[Im Jahre … in der Stadt] Tayma’ errichtete Paḍigū Šahrū, der Sohn des königlichen Beamten von Liḥyān Ha’lay, den Tempel des Ṣalm von Rabb und seine Weite und errichtete diesen Thron vor Ṣalm von Rabb als Postament für Sengallā und Ašīmā, die Götter von Tayma’, für das Leben der Seele von Paḍigū Šahrū und (für das Leben) seiner Nachkommenschaft, [der] Herren, [und] für das Leben ihrer eigenen Seele.“169 Paḍigū Šahrū hatte also den Tempel der göttlichen Trias aus i ialm, Ashima und Shengalla geweiht, die man als ‚aramäisches Pantheon‘ bezeichnet hat und die aus Nordsyrien nach Tayma’ gelangt sein sollen.170 Es handelt sich aber nicht nur um eine Stiftung zur Verehrung der Götter, für die Einzelne oder die Gemeinde von Tayma’ im Ganzen Wohlergehen im Diesseits als göttliche Gegengabe erwarten konnten, sondern zugleich um eine Stiftung für die Seelen des Gründers und seiner Nachkommen. Offenkundig schrieb der Stifter den Göttern einen entscheidenden Einfluss auf das Geschick der Seelen zu, was über eine bloße Seelenkultstiftung hinausginge, doch fehlt jeder Hinweis auf ein transmortales Gericht und auf Wohltaten des Stifters, die seinen Anspruch auf Seelenheil begründen könnten. Neben babylonischen und aramäischen sind persische religiöse Einflüsse mit der zoroastrischen Verheißung einer ewigen Remuneration für die Güte des Stifters nicht unzweideutig fassbar.171 Das Gleiche gilt für eine weitere Kultstiftung aus derselben Zeit, die der Stifter „für das Leben seiner Seele“ errichtet hat,172 und für eine Inschrift aus nabatäischer Zeit (1. Jahrhundert v. u. Z.). Danach hat ein ’Aḫbōl, Schutzbefohlener der Ḫaṭmah, der arabischen Schicksalsgöttin Manawah „für das Leben seiner Seele und der Seele seiner Nachkommenschaft in Ewigkeit“ gestiftet.173
Mindestens im iranischen Großreich der Sasaniden setzte sich der Zoroastrismus durch; auch wenn Christen und Manichäer zeitweise verfolgt wurden, gab es allerdings nicht nur eine zugelassene Religion, so dass die neuere Forschung nicht mehr, wie es früher gewöhnlich war, von einer zoroastrischen Staatskirche spricht.174 Seit dem Reichsgründer Ardašīr (224–239/240? u. Z.) schrieben sich die „Könige der Könige von Iran“ selbst göttliche Qualitäten zu und pflegten aus Dankbarkeit für die Gunst der Götter den zoroastrischen Kult, „erwiesen den Priestern Wohltaten, stifteten Feuer und vermehrten damit die Stätten der Götterverehrung“175. Als Beleg dient eine eindrucksvolle Inschrift von Ardašīrs Sohn Šābuhr I. (240–271/272 u. Z.) an einem Turmbau (Ka‘ḃa-i Zardušt) bei Persepolis; sie ist in drei Sprachen abgefasst, mittelpersisch, parthisch und griechisch, und betont die göttliche Herkunft des Geschlechts sowie die Verehrung für (Ahura) Mazdā.176 Ruhm habe sich der König von Iran und Nichtiran durch seine militärischen Siege und Eroberungen, auch auf Kosten des Imperium Romanum, erworben, aber dabei den Schutz der Götter genossen. Deswegen habe Šābuhr viele Wahrām-Feuer(heiligtümer) errichtet und den Magiern Wohltaten erwiesen. Auch mittels der Inschrift von Persepolis gründe er ein Feuer mit dem Namen „Ruhmreich ist Šābuhr“, und zwar „für Unsere Seele und (Unseren) Nachruhm“, sowie weitere Heiligtümer dieser Art mit gleichen Motiven für seine Tochter, die „Königin der Königinnen“, sowie einzelne genannte Söhne, darunter den Großkönig der Armenier. Der Aufwand der Stiftung sollte aus 1.000 Lämmern bestehen, „die Uns herkömmlicherweise aus dem Überschuss zustehen“. Ob das Stiftungsgut aus Immobilien bestand oder der König von Iran und Nichtiran den Kult aus abgezweigten Erträgen des Krongutes oder von Steuern bestreiten wollte, wird nicht gesagt. Für Šābuhrs Seele sollte wie schon bei Kyros I. jeden Tag ein Lamm sowie eine genau bemessene Menge an Brot und Wein geopfert werden und für die Seelen von Angehörigen des Herrscherhauses sowie von Würdenträgern des Reiches sollte das Gleiche geschehen.177 Die Differenz zur Stiftung des Kambyses für seinen achaimenidischen Vorgänger fast acht Jahrhunderte zuvor liegt in der doppelten Motivation für diesseitigen Ruhm und die Seele, verbunden mit der Fürsorge für andere, zu denen nicht bloß Vorfahren und sonstige Familienangehörige des Herrschers gehörten. Ähnliches kennt man aber auch aus der Stiftungsgeschichte des ägyptischen Alten Reiches. Ob der ethische Impuls ausreicht, um auf Einflüsse der zoroastrischen Lehre und ein Merkmal der Achsenzeit zu schließen, muss dahingestellt bleiben, zumal auch das Gerichtsmotiv fehlt.
Stiftung für die Götterverehrung und die eigene Seele auf der Arabischen Halbinsel: Al-Hamra-Stele von der Oase Tayma’ von ca. 400 v. u. Z.
Deutlicher als Šābuhrs Stiftung spricht eine Verfügung des Großwesirs Mihr-Narseh aus der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts u. Z. für ein Seelenheilmotiv. Der Wesir war gefürchtet als Erzfeind der Christen, aber in seinem Land berühmt als Wohltäter, wie auch der arabische Chronist aṭ-Ṭabarī bezeugt.178 Feuertempel, die er zu seinem eigenen Gedächtnis und demjenigen seiner Söhne stiftete, sind in seiner Heimat, dem Distrikt von Fīrūzābād, erhalten. Die Stiftung einer Brücke in dieser Stadt belegt den geistlichen Sinn der Wohltat. Die Inschrift lautet: „Diese Brücke wurde auf Befehl von Mihr-Narseh, dem Vuzurgframadār (Großheerführer), auf eigene Kosten für das Wohlergehen seiner Seele errichtet. Wer immer zu dieser Straße kommt, möge Mihr-Narseh und seinen Söhnen einen Segen geben, weil er dieses Hindernis überbrückt hat. Und weil Gott Hilfe gewährt, möge diesem Werk niemand etwas Schlechtes oder Hinterlistiges antun.“179 Brückenstiftungen kennt man unter anderem auch aus der griechischen Antike, in der sie zu den Leistungen des Euergetismus gehören;180 hier aber geht es nicht so sehr um den Dienst am Gemeinwesen, sondern an denen, die Hilfe brauchen, und um Sorge für die Seelen des Stifters und seiner Söhne, also um eine Leistung für das Seelenheil.181
Das zentrale Zeugnis für die Seelenstiftungen, die ‚Eintausend Rechtsentscheidungen‘ des sonst unbekannten Autors Farroḫmard ī Wahrāmām, stammt erst aus den letzten Jahren vor der arabischen Eroberung Persiens (633/651 u. Z.). In dem Werk wird die aus anderen Quellen nicht erschließbare institutionelle Ordnung des Lebens einfach vorausgesetzt und auch die Sprache des Textes hat die Iranisten vor große Verständnisprobleme gestellt und nicht immer zu einhellig anerkannten Lösungen geführt. Seit zwei Jahrzehnten liegt eine Edition mit ausführlichen Erläuterungen und deutscher Übersetzung vor. Aus dem Rechtstext182 lässt sich demnach ableiten, dass es Stiftungen für religiöse Zeremonien gegeben hat, die offenbar allein dem Feuerkult dienen oder die (zugleich) zugunsten des Stifters ausgeübt werden sollten.183 Was bei Zeremonialstiftungen für die Seele übrig blieb, konnten die Stiftungsverwalter auch anderen Zwecken (der Wohltätigkeit?) zuführen: „Wenn jemand eine Sache für religiöse Zeremonien für die Seele stiftet und die Stiftung nominatim für religiöse Zeremonien errichtet, dann ist der Teil des Ertrages, der von der Stiftung übrig bleibt, den Gewalthabern eigen.“ Die Erträge der Stiftung mochten anstelle des liturgischen Kults auch direkt der Förderung Dritter dienen: „Wenn der Stifter bestimmt hat: ‚Die Sache, die von mir für die Seele gestiftet ist, soll Mihrēn besitzen, dann gilt sie auch als fromme Gabe für die Seele. Weder Mihrēn noch eine andere Person ist befugt, die Sache zu verkaufen und zu verausgaben‘. Der Grundstock geht auf die Verwandtschaft Mihrēns über.“ Stifter und Stiftungsbegünstigte sollten wiederum von den religiösen Zeremonien profitieren können und, wer als Stifter