war es ein erster entscheidender Schritt, dass diese Verwaltung ad personam über den Tod des Pharao hinaus bestehen blieb und sein Grab zu versorgen hatte.28 Weiter diversifizierend, wurden Magazine für die Königsgräber von solchen für die Gräber der höchsten Beamten getrennt; es herrschte nämlich die Auffassung, dass die Könige für die Leute ihrer Zeit auch im Tod in alle Ewigkeit weiter sorgen müssten.29 Ein Wandel trat ferner dadurch ein, als am Ende der 2. Dynastie (um 2700 v. u. Z.) das Reich in ein oberägyptisches Gebiet und Unterägypten mit der alten Residenz Memphis zerfiel. Die hier regierenden Könige unterlagen so entscheidend, dass nicht einmal ihre Namen in die Annalen des Reiches aufgenommen wurden. Nach der Interpretation von Wolfgang Helck musste diese damnatio memoriae, der auch die Gräber der ‚Gegenkönige‘ zum Opfer gefallen sein dürften, ihre Anhänger in eine schwere Sinnkrise stürzen, denn die Erhaltung der Leiche des Königs war für die Versorgung seiner Leute in alle Ewigkeit die entscheidende Voraussetzung: „Wurde die Leiche zerstört, sorgte niemand mehr für die Toten ihrer Zeit, und sie starben den zweiten Tod durch Hunger und Bedrückung. So war es also für die von ‚ihrem‘ König ‚Versorgten‘ (…) von größter Bedeutung, dass der König in seiner Gestalt weiterlebte. Daher wird die Mumifizierung weiterentwickelt, aber es wird auch das Grab des Zoser [Pharao Djoser, 3. Dynastie] in die besser zu sichernde Umgebung der Residenz verlegt, es wird ‚für die Ewigkeit‘ aus Stein errichtet und endlich durch immer stärker wachsende Monumentalität unangreifbar gemacht.“30 Die jetzt notwendig werdende Durchorganisierung des ganzen Lebens führte dazu, dass „eigentlich erst ein ägyptischer ‚Staat‘ und auch eine ‚Wirtschaft‘ entsteht. Nicht nur muss die Bevölkerung für die Arbeiten im Steinbruch wie beim Bau der Pyramidenanlage herangezogen werden. Es ergibt sich daraus nämlich einmal der Zwang zur Registrierung der Bevölkerung zu ihrer Versorgung während der Bauarbeiten (…). Gleichzeitig aber steigt die Nachfrage nach ausgebildetem Personal: Facharbeitern, Schreibern, Planern, Verwaltern, ‚Vorgesetzten‘ jeglicher Art, sprunghaft in bisher nicht geahnte Höhen.“31 Mit der Bindung an die Versorgung des toten Königs werden die betreffenden Personen – und im Laufe der Herrscherwechsel werden es immer mehr ihrer Art – der übrigen Wirtschaft und der Verfügung des amtierenden Königs entzogen. Die Lebensmittelversorgung des Reiches musste deshalb neu organisiert werden. Es entsteht die Domänenwirtschaft und damit die eigentliche wirtschaftliche Grundlage des königlichen Stiftungswesens: „Die alte ‚Wirtschaftsanlage‘ des Königs verschwindet, dafür werden in der Provinz Güter gegründet, die in strafferer Organisation Lebensmittel an den Hof zur Verteilung an die Arbeiter und Spezialisten produzieren. Da diese Spezialisten aber nun ebenfalls nach ihrem Tod vom ‚König ihrer Zeit‘ abhängen, steigert sich der Anspruch an diesen König, so dass die neu gegründeten Güter zu seinen Totenstiftungen werden. Durch die Neugründung weiterer Güter der Nachfolger ist bald die gesamte Bevölkerung in diesen Gütern durchorganisiert, wodurch die alte Dorfwirtschaft zugunsten einer straff organisierten Staatsdomänenwirtschaft verschwindet.“
Im Lauf der 4. Dynastie (ca. 2600 bis ca. 2500 v. u. Z.) traten die Dörfer und Güter der königlichen Totenstiftungen immer mehr auf Kosten der ‚staatlichen‘ Güter hervor; Pharao Snofru, der Erbauer bedeutender Pyramiden, stattete seinen Totentempel beispielsweise mit ca. 100 Dörfern aus, von denen im Durchschnitt etwa vier auf einen Gau des Landes entfielen.32 Nicht alle Könige konnten jedoch so viele Felder mit ihren Erträgen ihren Totentempeln zuweisen. König Schepseskaf, der letzte Pharao der 4. Dynastie, musste erst den Tempel seines Vorgängers und Vaters Mykerinus fertigstellen und stiftete dort für den ewigen Priesterdienst ein Opfer.33 Derselbe Mykerinus hatte aber den Kult der Reichsgöttin Hathor mit der Stiftung von zwei Aruren Ackerland für Priester(pfründen) in Tehne gefördert.34 Offenbar waren solche Götterstiftungen in Ägypten erst eine Folge der königlichen Totenstiftungen und zunächst noch auf die Götter des Palastes beschränkt; erst am Ende der 5. Dynastie (ca. 2300 v. u. Z.) wurden auch die Provinztempel in größerem Ausmaß bestiftet.35 In den etwa vier Jahrhunderten zwischen Snofru und Pepi I. nahm der Anteil der Tempelfelder, die für den Götterkult bestimmt waren, langsam auf Kosten der Güter für die königlichen Totentempel zu.36
Anfänge königlicher Totenstiftungen in Ägypten: Stufenpyramide des Königs Djoser von ca. 2700 v. u. Z. in Sakara
Im Totenkult ging es nicht nur um den König in seiner Pyramide; neben seiner Mumie mussten auch seine Statuen vor der Pyramide rituell gespeist werden.37 Mit dem Kult der Statuen, die für den König selbst standen, konnten die Totenstiftungen dezentralisiert werden. Besonders seit der 6. Dynastie (ca. 2300 bis ca. 2200 v. u. Z.) ließen die Pharaonen in den Tempeln der Provinz Kapellen für einen Statuenkult errichten, die wirtschaftlich dem betreffenden Tempel angeschlossen waren.38
Von Anfang an scheint es zu den Pflichten des Königs gehört zu haben, seinen Dienern ein würdiges Begräbnis mit angemessenem Totenkult zu sichern; das galt zweifellos besonders für seine Beamten.39 Trotzdem gibt es ein frühes Zeugnis für eine ‚private‘ Stiftung; es steht am Übergang von der 3. zur 4. Dynastie (ca. 2600 v. u. Z.) „völlig isoliert“.40 Ein Mann (Beamter) namens Mṯn hat darin über väterliches und mütterliches Erbe sowie über Einkünfte aus verpachtetem Königsland verfügt.41 Das väterliche Erbe wandelte er offenbar in eine Totenkultstiftung für sich selbst um; der König scheint ihm seinen Grabbau geschenkt, aber auch vor Ort selbst Stiftungen gemacht zu haben. Mṯn hatte also privates Eigentum, wenngleich seine Totenstiftung in amtlicher, besitzrechtlicher und kultischer Hinsicht in engster Abhängigkeit vom König als seinem Herrn stand. Ähnlich liegt der Fall bei einer Verfügung des K3-m-nfrt aus der 5. Dynastie, der sein Grab im Friedhofsbezirk der Chephren-Pyramide fand.42 „Als er noch auf seinen Beinen lebte (…) und den Hofdienst verrichtet(e) für den König jeden Tag“, habe der Beamte die „Stiftungs-Totenpriester“ auf das Totenopfer zu seinen Gunsten verpflichtet. Weder sie noch ihre Kinder, Geschwister oder Nachkommen sollten die für die Opfer übertragenen Güter entfremden, sondern in Erbfolge Ackerland, Leute (Sklaven) und Sachen für den Kult an seinem Grab verwenden. Wiederholt hebt K3-m-nfrt hervor, dass ihn der König für seine Totenopfer materiell versorgt hatte.43 Das Einkommen der Totenstiftung sollte „gleichzeitig für die Durchführung der Riten wie auch für den Unterhalt der Totenpriester“ dienen.44
Wie der Pharao um die Grabplanung seiner Beamten besorgt war, zeigt eine eindrucksvolle Inschrift, die der Sohn eines ‚Palastleiters‘ verfasst hat. Danach habe Mykerinus seinem Vater das Grab geschenkt und für den Bau alle nötigen Handwerker abgestellt.45 Hier wie auch sonst war zunächst der Palast selbst für den Totenkult der königlichen Leute verantwortlich; bald wurden aber Totengüter zugewiesen, also mit königlicher Hilfe auf ewig bestimmte Stiftungen geschaffen.46 Eine besondere Form der Förderung, die sich für beide Seiten als vorteilhaft erwies, war die ‚Umlaufzuwendung‘: „Die Könige stifteten Zuwendungen an einen Tempel mit der Auflage, einen Teil der Zuwendung einer dort aufgestellten Königsstatue zukommen zu lassen oder der Kapelle einer Königin. Von da aber konnte er wiederum einen Bruchteil einem hohen Beamten im Leben wie besonders im Tod für seine Opferstelle am Grab zukommen lassen.“47 Zuerst wurde also der Lebensunterhalt des Beamten (teilweise) aus den Erträgen der Stiftung zugunsten des Königs (seiner Statue beziehungsweise der Königin) finanziert, nach dem Tod des Amtsträgers wurden diese für Totenopfer zu dessen Gunsten verwendet. „Solche Umlaufstiftungen werden besonders dort vorgenommen worden sein, wo ein Untergebener geehrt werden sollte, der sich dann als ‚versorgt bei seinem Herrn‘ bezeichnen konnte.“48 Insbesondere, wo Beamte in den Provinzen mit der Verwaltung des Staatsgutes oder königlicher (Toten-)Tempelgüter betraut waren, lag es nahe, dass an sie dann auch Anteile der Güter selbst übergingen, so dass sie selbstständig Totenstiftungen für sich errichten konnten.49 Die Ablösung vom engen Zusammenhang mit der Verfügungsgewalt des Königs zeigt sich daran, dass sich königliche Grabstiftungen für seine Beamten seit der 5. Dynastie meist nur noch auf die Ausstattung, nicht aber mehr auf den eigentlichen Grabbau bezogen.50 Ein Beamter der Zeit betont, dass er sein Grab „in einem Monat errichtet“ habe, und fügt hinzu: „Ich schuf dieses Grab wirklich aus meinem Besitz (…) und ich nahm nichts von anderen weg.“51 Am Ende der 6. Dynastie konnten auch Privatstatuen im Tempel durch Umlaufopfer versorgt werden.52 Trotzdem scheint der Aufschwung