Roland Werner

366 mal Hoffnung


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Die Finsternis vergeht, und das wahre Licht scheint jetzt.

      1. JOHANNES 2, 8B

      Dass es in unserer Welt viel Dunkles gibt, ist uns ständig vor Augen. Die Nachrichten sind voll davon: Kriege und militärische Konflikte, Hungersnöte und Ausbeutung, Unterdrückung der Armen und Schwachen – die Liste ist endlos. Die Finsternis ist allgegenwärtig und greift nach uns, auch in unserem persönlichen Leben.

      In diese Wirklichkeit hinein kommt die Nachricht, die wir uns selbst nicht sagen können. Es ist ein Satz voller Hoffnung und voller Glauben. „Die Finsternis vergeht, und das wahre Licht scheint jetzt!“ Starke Worte. Zuversichtlicher geht es kaum. Können wir darauf vertrauen?

      Auf den ersten Blick scheint es wie ein Widerspruch: Ist das Licht schon da? Oder muss die Finsternis erst noch vergehen? Beides ist wahr. Wenn am Morgen die ersten Vorboten des neuen Tages erscheinen, ist es noch dunkel. Erst ganz langsam, fast unmerklich, wird es heller. Es gibt diese Spannung, diesen Augenblick, wo es fast aussieht, als ob es niemals hell werden will. Und doch ist der Sonnenaufgang nicht aufzuhalten. So ist es auch mit Gottes Herrschaft. Sie kommt fast unmerklich, wie Hefe, die den Teig durchzieht. Und doch: Niemand kann sie aufhalten.

      Das Licht, das schon jetzt scheint, ist Jesus. Er ist das Licht der Welt. Vielen verborgen und doch wirklicher und wirksamer als alle Dunkelheit. Das Licht scheint jetzt schon. Daran haben die ersten Christen festgehalten. Das war ihr Glaube und ihre Hoffnung. Gegen alle Übermacht des römischen Staates, gegen alle Macht feindlicher Ideologien, gegen alle ethische Verwirrung und religiöse Verblendung hält Johannes daran fest: Das wahre Licht scheint schon jetzt!

      Glaube und Hoffnung öffnen uns die Augen, beides zu sehen: Das langsame, aber unaufhaltsame Kommen des Reiches Gottes, das aufscheinen wird wie die Sonne am Morgen. Und die Wirklichkeit seines Lichtes schon hier und jetzt.

       Auf die Frucht kommt es an

       Lebt als Kinder des Lichts, die Frucht des Lichts ist lauter Güte und Gerechtigkeit und Wahrheit.

      EPHESER 5, 8B-9

      Die Ausgrabungen in Qumran im Jordantal haben es gezeigt: Die Gemeinschaft der Essener, die dort ihr Hauptzentrum hatte, unterschied die Menschen in „Kinder des Lichts“ und in „Kinder der Dunkelheit“. Am Ende der Zeit, so wurde dort gelehrt, werden die Söhne des Lichts in einem Entscheidungskampf die Söhne der Finsternis endgültig besiegen. Die Kinder des Lichts, das waren in ihren Augen sie selbst. Sie mussten sich bereithalten für diesen letzten Kampf zwischen Gut und Böse.

      Paulus nimmt diese Begriffe auf. Doch er macht deutlich: Der entscheidende Kampf gegen das Dunkel besteht nicht im Krieg gegen andere Menschen. Der Kampf findet ganz woanders statt: In unserem eigenen Herzen, in unserem Denken, Fühlen und Wollen. Christusnachfolger sollen nicht gegen andere Menschen kämpfen, sondern den Kampf gegen die Sünde und Ungerechtigkeit im eigenen Leben aufnehmen.

      Als „Kinder des Lichts“ zu leben bedeutet, dass wir uns nach Jesus ausrichten, nach ihm, der von sich sagte: „Ich bin das Licht der Welt!“ (Johannes 8, 12). Jesus ist unser Meister, unser Lehrer, unser Vorbild. Er lebte ein Leben voller Güte, Gerechtigkeit und Wahrheit. Das ist der Maßstab für uns als Jesusleute. Das soll auch unser Leben prägen.

      Wenn auch, im Bild gesprochen, die Frucht letztlich von allein wächst, so können wir doch die Voraussetzungen zum Wachstum schaffen. Dazu braucht es Disziplin, Übung und Einübung. Als „Kinder des Lichts“ zu leben fordert uns ganz.

      Der Geist unserer Zeit prägt uns in eine andere Richtung. Da geht es um den eigenen Vorteil, um unser Wohlergehen und unseren Genuss. So bleibt die Frage, wie wir uns entscheiden. Ob wir nach dem Vorbild von Jesus leben wollen und uns nach seinem Licht ausstrecken. Dort ist das wahre Leben zu finden. Denn: „Gott ist Licht, und in ihm ist keine Finsternis.“ (1. Johannes 1, 5)

       Heller als die Sonne

       Über dir geht auf der HERR, und seine Herrlichkeit erstrahlt über dir.

      JESAJA 60, 2

      Ein seltsamer Satz. Irgendwie stimmt hier etwas nicht: „Über dir geht auf der Herr!“ Wie soll das gehen? Wie kann Gott „aufgehen“? Vielleicht hat dieser Satz ursprünglich anders gelautet. Vielleicht stammt er aus einem Morgenlied, einem Lied zum Lobpreis der Sonne: „Über dir geht auf die Sonne, ihr Glanz strahlt auf über dir.“ Und vielleicht kannte Jesaja dieses Lied als Kind und hat sich daran erfreut, dass die Sonne aufgeht und mit ihren Strahlen alles erhellt und erwärmt.

      Vielleicht hat er dann, als er erwachsen war und sein Leben von Gott in Beschlag genommen wurde, dieses Lied umgedichtet und statt des Wortes „Sonne“ „der HERR“ eingesetzt. Warum? Weil er inzwischen wusste, dass es Dunkelheiten und Finsternisse gibt, die auch durch den hellsten Sonnentag nicht vertrieben werden. Weil er die Tiefen von Bosheit und Gottlosigkeit, Schuld und Verlorenheit kennengelernt hatte. Weil er allem erdenklichen und unausdenkbaren Bösen begegnet war: Krieg und Vertreibung, Gewalt und Elend, Flucht, Hunger und Tod.

      Da hilft die Sonne allein nicht mehr! Nein, ein größeres, stärkeres, helleres Licht muss her. Nur dann kann ein neuer Tag des Heils anbrechen. Dieses größere Licht hatte Jesaja gesehen. Als er einen Blick in den Thronraum Gottes tun konnte, wurde alles ins rechte Licht gerückt. Er sah Gott als souveränen Herrscher, ihn, den Herrn, als Richter und König auf dem Thron, aber auch als Erbarmer und Erlöser.

      Und dann sah er, dass dieser Gott, dieser Herr, der sich seinem Volk und dem Einzelnen zuwendet, über ihnen erscheint wie das Licht der Sonne. Das Erstaunliche ist, dass Gott uns Menschen nahe kommt. Er ist und bleibt der ewige Weltenlenker und ist doch auch unser Heiland und Freund. Kein Wunder, dass Jesaja dieses freudige Loblied auf ihn singt, auf den Herrn, dessen Wahrheit und Liebe heller strahlen, als jede Sonne es kann.

       Keine bloße Erscheinung

       Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre.

      1. JOHANNES 3, 8B

      Als Sprachwissenschaftler beschäftige ich mich mit der Wirkung von Worten. Es ist erstaunlich, wie unterschiedlich sie klingen. Das Wort „Erscheinung“ wirkt auf den ersten Blick wie ein schwaches Wort. Eine Erscheinung ist irgendwie unkonkret und unbestimmt. Jedenfalls berührt mich dieses Wort nicht so stark wie zum Beispiel die Worte „Schokolade“, „Ringkampf“ oder „Liebeslied“.

      Doch die Erscheinung, von der Johannes hier spricht, ist keine blasse, farblose Theorie. Ganz im Gegenteil, sie ist ein unvergleichliches Geschehen. Ein Ereignis, das alles verändert: Gott selbst kommt in unsere Welt.

      Als Jesus auf die Erde kam, war das zunächst ziemlich unscheinbar. Jesus, das Baby in einer Krippe, geboren von einer jungen Frau auf einer Reise. Niemand hätte das besonders bemerkt. Doch Jesus, der Mann, tat dann unglaubliche Dinge: Blinde konnten wieder sehen, Gelähmte gehen, vom Aussatz Gezeichnete wurden gesund. Für viele war das sicher das größte Wunder: Menschen, die von Dämonen geplagt waren, wurden frei. Sie konnten ihr Leben wieder in die eigene Hand nehmen. Die bösen Geister hatten keine Macht mehr über sie. Alle konnten es sehen: „Dazu ist erschienen der Sohn Gottes, dass er die Werke des Teufels zerstöre.“

      Doch Jesus vertrieb nicht nur böse Geister aus einzelnen Menschen, sondern überwand die Quelle des Bösen, den Teufel selbst. Am Kreuz und in der Auferstehung wurde das endgültig wahr, was in seinen machtvollen Taten schon aufleuchtete: Jesus ist erschienen, um die Werke des Teufels grundlegend zu vernichten.

      Wer in seiner Nachfolge lebt, wird sich deshalb beherzt gegen die Werke der Finsternis stellen, gegen Lüge, Ausbeutung, Ungerechtigkeit und Gesetzlosigkeit. Weil Jesus den Sieg über das Böse erkämpft hat, können wir uns frei von Furcht vor bösen Mächten und voller Vertrauen einsetzen für Gottes