Anna Malou

Traumzeit – auf den Spuren des Jakobus


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ein Motorboot, das auf dem Weg zu den nahe liegenden Felshöhlen und Grotten ist, an der Bucht entlang. Am Strand liegen viele Menschen unter selbst mitgebrachten Sonnenschirmen oder im Schatten der Felsen. Insgesamt ist hier der Strand jedoch weit weniger voll als in Albufeira. Die Möwen fliegen schreiend um die Felsen herum, während das Meer rauscht und die Wellen auf jedes Boot reagieren.

      Im Laufe des Nachmittags sinkt der Wasserstand deutlich, so dass ich zu Fuß zwei weitere Buchten erreichen kann. In den Durchgängen durch die Felsen steht nur noch wenig Wasser, so dass ich fast trockenen Fußes hindurchklettern kann. Es ist einfach ein idyllisches Leben hier am Strand.

      Auf meinem Rückweg gehe ich noch einmal an der Kirche vorbei und dieses Mal habe ich Glück: Das Museum, durch das die Kirche betreten werden kann, ist geöffnet. Ich zahle zwei Euro Eintritt und kann die Kirche, die nicht allzu groß ist, besichtigen. Sie ist an den Wänden völlig aus Holz mit geschnitzten Figuren, Rankpflanzen und Verzierungen gestaltet, die allesamt vergoldet sind. In den Wandflächen befinden sich zudem große, düster gehaltene Ölgemälde. Von der Empore am Ende des Raumes her fällt durch ein fast rundes Fenster Licht in die Kirche ein. Die Decke ist vollständig in rötlichen Tönen mit etwas Blau bemalt und zwar so, dass eine Tiefenwirkung entsteht und die Kirche dadurch erheblich höher wirkt. Im unteren Bereich der Wände sehe ich in ca. 1,20 Meter Höhe die hier für Portugal so typischen Kacheln in Weiß-Blau-Tönen. Der Altarraum ist erleuchtet und befindet sich in einer erhöhten Nische und dominiert die gesamte Kirche. Diese Kirche ist ein portugiesisches Kulturdenkmal und stammt aus dem 18. Jahrhundert, wobei der Altar erhalten geblieben ist, während andere Teile der Kirche zerstört und wieder aufgebaut wurden. Neben der Kirche befindet sich noch ein kleines Museum, welches ich mir mit ansehen kann. Hier werden alte, kirchliche Gewänder, alte Münzen und Scheine verschiedener Währungen, Bilder, neue Fotografien und eine riesige Sammlung von Muscheln gezeigt. In dieser Sammlung befinden sich zwei derart riesige, weiße Muscheln, die ca. einen Meter breit und lang sind, dass ich Derartiges noch nicht gesehen habe. Ich staune und freue mich, was ich so nebenbei alles mitbekomme.

      Beim Herausgehen frage ich nach, ob ich hier einen Pilgerstempel bekommen kann. Die Dame an der Kasse versteht mich nicht, holt aber sofort einen jungen Kollegen, der mir auf Englisch erzählt, dass Stempel auf Portugiesisch „Carimba“ heißt. Da dieser junge Mann nicht genau weiß, ob es hier in dieser Kirche Stempel gibt, läuft er sehr freundlich mit meinem Pilgerpass los, um nachzuschauen. Lächelnd kehrt er zurück und übergibt mir meinen nächsten Stempel im Pilgerpass, zu dem nun nur noch das Datum eingetragen werden muss. Anschließend verwickelt mich dieser freundliche junge Mann noch in ein Gespräch und möchte wissen, seit wann ich schon unterwegs bin, woher ich komme usw. Wir reden eine ganze Zeit lang mit einander auf Englisch und er erzählt mir unter anderem, dass hier schon manchmal Pilger vorbeikommen und nach einem Stempel fragen. Jedoch ist das so selten, dass er sich dieses Mal zuerst nicht mehr erinnern konnte, wo der Stempel liegt.

      Fröhlich und beschwingt durch das nette Gespräch verlasse ich die Kirche und gehe in mein Quartier zurück. Inzwischen kenne ich mich gut aus und laufe im Zickzack durch sämtliche Gassen und bin auf kürzestem Weg in meinem Apartment. Es ist schon erstaunlich, wie schnell man sich an neue örtliche Gegebenheiten gewöhnen kann. Bei mir jedenfalls habe ich den Eindruck, dass meine Orientierungsfähigkeit sich von Tag zu Tag verbessert. Es ist eben alles eine Frage der Übung.

      Am Abend muss ich erst einmal meinen Rucksack fertig packen, das Apartment aufräumen, kontrollieren, ob ich nichts liegen gelassen habe, und Geschirr spülen. Immer, wenn ich mehrere Tage – und dieses Mal waren es vier Tage in Lagos – an einem Ort – war, habe ich doch einen großen Teil meines Rucksackes ausgeräumt. Zumal ich am Strand einige Dinge benötigte, die ich sonst nicht gebrauche. Weiterhin gilt es, die Verpflegung zusammenzustellen: Für morgen gibt es wieder viermal 0,5 Liter-Flaschen Selters und zwei Brötchen mit Käse. Zum Frühstück morgen habe ich noch eine Banane. Diese Vorbereitungen für den nächsten Tag erledige ich immer am Abend vorher, damit ich morgens nicht unter Zeitdruck gerate. Ich möchte nämlich nicht, dass mein früher Aufbruch am nächsten Morgen stressig wird.

      Da es so schön lau draußen ist, laufe ich am Abend doch noch einmal in die Stadt. Hunderte von Menschen spazieren mit der Familie oder mit Freunden die Straßen entlang, sitzen in den Restaurants oder Bars draußen und genießen ihre Ferien, die laue Luft, die freie Zeit. Es wird gelacht und geredet, viel Musik klingt durcheinander und alles in allem herrscht eine fröhliche, ausgelassene Stimmung vor. Die Geschäfte haben noch geöffnet und viele bummeln an den Ständen und in den Läden herum.

      Ich setze mich draußen in einer Bar dazu, habe aber dieses Mal Pech, denn es ergibt sich kein weiteres Gespräch, alles scheitert an den Sprachbarrieren. So gehe ich gegen 22.00 Uhr allmählich in mein Quartier, da ich morgen wieder mit Handywecker um 6.30 Uhr aufstehen will. Der Trubel in der Stadt geht jedoch – wie jede Nacht – weiter, wird sogar noch lauter, bis er gegen 3.00 Uhr in der Frühe endlich verstummt. Ich werde durch die Geräuschkulisse immer mal wach, bin aber so müde, dass ich schnell wieder einschlafe.

      Um 7.30 Uhr geht es los. Ich gebe meine Apartmentschlüssel ab, wobei ich noch ein kurzes Gespräch mit meiner Vermieterin habe. Vor allem möchte sie wissen, ob ich denn alles, was sie mir erklärt hatte, gefunden habe. Sie freut sich, dass es an dem ist und ich bedanke mich herzlich, dass ich für diese vier Tage derart komfortabel und preisgünstig untergekommen bin.

      Schließlich laufe ich, mit Rucksack und Walking-Stöcken bepackt, los, um den Bus-Terminal zu erreichen. Dieses Mal habe ich ausreichend Zeit einkalkuliert und kann in Ruhe dort ankommen und auch meine Fahrkarte nach Setubal lösen. 320 Kilometer kosten 18,30 Euro und so sitze ich eine knappe halbe Stunde später in dem Bus, der die Algarve verlässt. Die Reise geht über Aljezur und Zambujeira durch den Parque Naturel an der Serra do Cercal vorbei. Der Bus fährt Serpentinen und in einem erstaunlichen Tempo in einer Berg- und Talfahrt. Ich fühle mich fast wie in einem Karussell. Im Naturschutzgebiet durchfahren wir eine erheblich große Waldfläche, in der lauter teils ganz, teils halb abgebrannte Kiefern- und Eukalyptusbäume stehen. Die Erde ist voller schwarzer Sträucherreste und es riecht sehr unangenehm. Jedes Jahr im Sommer kämpft Portugal mit Waldbränden und dieses ist ein Zeugnis dafür, was so ein Waldbrand der Natur antut.

      Der Bus durchquert Cercal und Sines und hält schließlich in Santiago do Cacem. Hier muss ich in einen anderen Bus umsteigen, der dort schon mit laufendem Motor wartet. Also, schnell, Tasche, Stöcke, Rucksack aus dem Gepäckfach heraus, hinein in das nächste Gepäckfach, wobei ich mich entschieden habe, die Walking-Stöcke mit in den Bus hineinzunehmen, damit sie bei den aufeinander geworfenen Gepäckstücken keinen Schaden nehmen.

      Auch der zweite Bus ist ein neuer, sauberer Reisebus, der sogar Beckengurte zum Anschnallen aufweist. Die öffentlichen Verkehrsmittel sind hier in Portugal deutlich besser als in Deutschland, zumal sie viel, etwa viermal, billiger sind. Schließlich erreiche ich mein Ziel Setubal um 13.00 Uhr nach viereinhalb Stunden Busfahrt.

      Als ich aussteige, ist die Bewölkung von heute Morgen fast weggezogen und es ist wieder schön warm, aber noch nicht zu heiß. Vom Busbahnhof sattle ich mein Gepäck und frage mich durch, in welcher Richtung sich die „City“ von Setubal befindet. Nach ca. einer Viertelstunde stehe ich auf einem Platz mit einem Monument, alles schön gepflastert, rundherum Straßencafés und daneben die Kirche, eine der Kirchen von Setubal. Nun scheint die Sonne doch wieder, es ist richtig heiß, ich stehe wieder einmal in einer völlig fremden Stadt und habe keine Ahnung, wo ich hinmuss. Es gibt zwar ein Schild „Tourismo“, aber das Touristenbüro ist für mich nicht auffindbar und keiner der von mir angesprochenen Passanten versteht mich oder weiß, wo sich das Touristenbüro befindet. Also, muss ich das Problem mit der Unterkunft wieder einmal selbständig lösen. Auf dem zentralen Platz gibt es, wie mir Passanten zeigen, ein Haus „habitationes“, in dem im zweiten Stock Zimmer vermietet werden. Als ich jedoch klingele, mehrmals, öffnet niemand, so dass ich weitersuchen muss. Zwei Ecken weiter finde ich ein Vier-Sterne-Hotel. Auf meine Nachfrage erfahre ich, dass das Einzelzimmer 40,00 Euro kosten soll, viel zu viel für mein Budget für den Zeitraum von gut sechs Wochen. Jedoch schickt mich die Empfangsdame weiter und siehe da, nur wenige