Anna Malou

Traumzeit – auf den Spuren des Jakobus


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kann sich hier im südlichen Portugal kaum jemand mit dem Pilgergedanken anfreunden.

      Vielmehr ist es mir heute nicht einmal gelungen, einen Pilgerstempel zu bekommen, denn, als ich vom „Felsenstrand“ zurückkam, hatte das Postamt bereits geschlossen und andere Möglichkeiten konnte ich trotz mehrmaligem Herumfragen nicht finden. Auf meine Nachfrage in verschiedenen Gaststätten usw. ist mir überall Unverständnis begegnet. Also, kein Stempel für den 23. August!

      In früheren Zeiten, als es keine Autos gab, war es sicherlich möglich, auch diesen Weg an der Algarve zu belaufen, bevor der Mensch so viel Lebensqualität dem Auto opferte, das in den Orten sogar in den Fußgängerzonen und auch sonst in den Verbindungsstraßen stört und diese für Fußgänger nahezu unpassierbar macht. Das Pilgern ist demnach nur in Teilen der Länder möglich. Hier müsste die portugiesische Regierung sicherlich im Hinblick auf den Caminho Portugues zur aktiven Verbesserung des Weges ihren Beitrag leisten. Befremdlich war für mich auch, dass hier im Süden Portugals die Mehrzahl der Menschen nicht einmal mit der Frage nach dem Pilgerweg etwas anfangen konnte. Dieses erklärt auch meine Schwierigkeit, die ich hier nahezu täglich hatte, einen Pilgerstempel für meinen Pilgerpass zu erhalten.

      Wieder werde ich vom schönsten Sonnenschein mit strahlend blauem Himmel geweckt. Was ist das nur für ein schönes Land, in dem im Sommer Tag für Tag die Sonne scheint, so ganz anders als bei uns in Deutschland. Nach meinem letzten Pensionsfrühstück mache ich mich wieder reisebereit. Ich habe fast eine Stunde – meist bergauf – zu laufen, um wieder den außerhalb liegenden Busbahnhof zu erreichen, bei dem ich vor drei Tagen angekommen bin. Dieses Mal laufe ich jedoch nach der Erklärung meiner Wirtin in der „Villa Branca“ nicht durch das Stadtzentrum, sondern darum herum an der Umgehungsstraße entlang, die zwar einen breiten Fußweg hat, aber durch den ständigen, starken Autoverkehr nicht angenehm zu belaufen ist. Es geht am Einkaufszentrum entlang, welches wiederum die Namen deutscher Einkaufsketten aufweist, und der Weg führt stetig bergan. Die Sonne scheint kräftig und ich bin etwas unter Zeitdruck, um den Bus nach Lagos um 10.30 Uhr noch zu erreichen. Glücklicherweise hatte ich mir den Fahrplan nach Lagos gleich bei meiner Ankunft besorgt. Jedoch gibt es hier wieder zu beachten, dass die Busse von Montag bis Freitag zu anderen Zeiten fahren als am Samstag und Sonntag und in den Ferien.

      So komme ich Schweiß überströmt fast auf die letzte Minute an, die Zeit reicht gerade noch, mein Ticket für 4,80 Euro bis Lagos, für ca. siebzig Buskilometer, zu lösen. Da kommt auch schon der Bus, der Fahrer öffnet (wieder) die Gepäckklappe unterhalb der Sitze und ich verstaue meinen Riesenrucksack und die Walking-Stöcke. Nun bin ich fertig zum Einsteigen, der Bus ist nicht übermäßig voll, so dass ich bequem auf einem Zweisitzer allein Platz nehmen kann. Meine Busfahrt bis Lagos dauert ca. eineinhalb Stunden und die Fahrt geht zum Teil über die Autobahn, zum Teil in den größeren Orten auch durch die Hotelviertel, wo der Bus an den größeren Hotels anhält.

      Besonders fällt mir hier Portimao auf, weil riesige Hochhäuser von neuer Bauart ins Auge springen. Es sieht aus, als hätte man die Skyline von Manhattan im Visier und nicht eine Stadt in Portugal in Meeresnähe. So hätte ich mir dieses nun gar nicht vorgestellt und ich verfluche innerlich diese Art von Tourismus, die die Landschaft derartig verschandelt, dass alles Ursprüngliche und Landestypische verloren gegangen ist. Das, was offensichtlich in Jahrhunderten vor uns entstanden ist, schafft der Mensch des 20. Jahrhunderts in einem halben Jahrhundert bis heute völlig zu ruinieren. Jedoch scheint es nicht viele Menschen zu geben, die so denken, und so boomt der Massentourismus mehr denn je.

      Endlich erreicht der Bus den Busbahnhof von Lagos, der relativ nahe am Bootshafen liegt. Beim Vorbeifahren hatte ich bereits die riesigen Yachten, die dort zu sehen sind, bewundert. Und nun, als ich gerade meinen Rucksack aus dem Gepäckfach gehievt habe, spricht mich ein älterer Herr in gebrochenem Englisch an, ob ich ein Quartier (apartamentos) in zentraler Lage suche. Ich bejahe, und er beschreibt mir in glühenden Worten die Vorzüge dieses Apartments. Schließlich frage ich nach dem Preis und erfahre, dass das Apartment nicht einmal die Hälfte dessen kosten soll, was ich in Albufeira bezahlt habe. Nun bin ich doch sehr interessiert, packe meine Skrupel zur Seite und folge dem Herrn, der bereits bereitwillig meine Seltersflasche trägt und mir auf dem Weg zum Apartment freundlich Teile der Stadt und gute Einkaufsmöglichkeiten zeigt. So ganz kann ich jedoch ein merkwürdiges Gefühl in der Bauchgegend nicht ablegen, da ich einem wildfremden Mann in einer wildfremden Stadt in ein wildfremdes Haus in der Altstadt folge. Jedoch erwartet mich dort eine sehr freundliche, englisch sprechende, ältere Dame, die mir den Preis bestätigt, die das Apartment gerade erst geputzt hat und die mir freundlich und mit der Landkarte in der Hand alle meine Fragen zu den Sehenswürdigkeiten beantwortet. Es ist einfach unglaublich, denn ich kann dieses Apartment auch länger haben und von hier aus als Tagesausflug nach Sagres und Cabo de S. Vincente an der äußersten Süd-Westküste Portugals fahren. Ich bin überwältigt und weiß gar nicht, was ich zu dieser Fügung des Schicksals sagen soll. Offensichtlich bewohnt die ältere Dame das Haus allein im ersten Stock und hat das Apartment im zweiten Stock für ihre Familie eingerichtet. Jedoch laufen ihr die Kosten weg, so dass sie dieses Apartment, wenn ihre Familie nicht da ist, privat vermietet. Um jedoch für ihre Vermietung „ordentliche“ Mieter zu bekommen, geht ein Bekannter für sie zum Busbahnhof, sucht mögliche „Mieter“ aus und führt diese dann – so wie mich – zum Apartment. Also, gewusst wie, ich bin begeistert.

      Zudem scheint Lagos auf den ersten Blick bei weitem nicht so von Touristen überfüllt und mit enger Massenabfertigung ausgestattet zu sein. So ziehe ich nun, völlig zufrieden, in mein neues Zuhause ein und bin voller Erwartung auf das Kommende, auf Lagos, einer alten, geschichtsträchtigen Stadt, und auf die umliegenden Strände, die zu den schönsten der Algarve zählen sollen.

      Nach einer kurzen Ruhephase erkunde ich den alten Stadtkern, der mit verwinkelten Gassen und schön mit kleinen Steinen gepflasterten Straßen aufwarten kann. Unvermittelt stehe ich auch vor der alten Stadtmauer des Gouverneurschlosses, das von den Arabern im 12. Jahrhundert errichtet wurde. Im nahen Umfeld finde ich auch den großen Platz des ehemaligen Sklavenmarktes, auf dem 1444 erstmalig afrikanische Sklaven weiterverkauft wurden.

      Die Häuser hier sind höchstens dreigeschossig, meist schön in Farbe und restauriert, aber auch immer mal wieder baufällig und sehr schäbig mit abbröckelnder Farbe. Überall sind kleine Souvenirläden und Geschäfte mit modischer Kleidung verstreut, so dass sich ein Streifzug durch den alten Stadtkern von Lagos auf jeden Fall lohnt.

      Da ich mich hier weitestgehend selbst verpflegen kann und sehr billig für 17,50 Euro pro Nacht wohne, entscheide ich, vier Tage zu bleiben und von hier aus per Ausflug die nähere Umgebung zu erkunden. So ist Lagos einer der wenigen Orte an der Algarve, wo der Strand direkt in der Stadt liegt und zu Fuß oder mit einer zweiminütigen Fährfahrt zu erreichen ist.

      Am Abend schlendere ich noch durch die Altstadt, die romantisch und idyllisch beleuchtet ist. Ich bin auf dem Wege, mir noch einen Stempel für meinen Pilgerpass zu besorgen, jedoch auch hier ist es nicht so einfach. Die meisten Menschen, mit denen ich spreche, können nicht einmal mit dem Wort Pilger oder englisch pilgrim oder spanisch peregrino etwas anfangen.

      Schließlich bringt mich ein netter, älterer Mann, mit dem ich mich auf Französisch unterhalten habe, zu einer Autoverleihfirma. Dort arbeitet eine junge deutsche Frau, die gerne bereit ist, mir einen Stempel mit Datum von ihrer Firma zu geben. Nun ziert also meinen Pilgerpass ein Stempel einer Autoverleihfirma. Auch diese junge, freundliche Frau konnte mit dem Pilgergedanken nichts anfangen und freut sich über eine Erklärung dazu. Auf meine Nachfrage erzählt sie gerne und bereitwillig, dass sie vor sieben Jahren hier an der Algarve Urlaub machte und sich so in diese Landschaft verliebt hat, dass sie sich entschieden hat, ihre Zelte in Deutschland abzubrechen und weiterhin in Portugal zu leben. Sie sei dann mit ihrem eigenen Auto mit ihren Sachen in den Süden in ein neues Leben gefahren. Es gibt schon interessante Begegnungen, die sich im Laufe des Unterwegsseins rein zufällig ergeben, und es kreuzen viele verschiedenartige Menschen meinen Weg.

      Schließlich verabschiede ich mich und laufe weiter. Im Zentrum jedoch sind sehr viele Touristen, die alle – vom Strand zurück- hier in der Vielzahl der Restaurants