Anna Malou

Traumzeit – auf den Spuren des Jakobus


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für zwei Nächte. So bekomme ich für 25,00 Euro mein Zimmer, mit Doppelbett für mich allein und mit WC und Dusche, ganz zentral gelegen, und sogar mit einem Minibalkon zur Straße hin.

      Hier muss ich mich wieder mit dem Personalausweis anmelden und sofort bezahlen. Mir soll es recht sein, Hauptsache, ich habe ein Zimmer. Nun brauche ich eine Pause, lege mich kurz aufs Bett und entspanne. Nach der Schaukelei im Bus heute, merke ich meine Knochen doch etwas. Schließlich mache ich mich fertig, um das Ziel meines Haltes in Setubal aufzusuchen, das Castillo Fortaleza de S. Filipe. Ich laufe die Hauptstraße entlang und frage nach dem Castillo, jedoch keiner versteht mich. Offensichtlich können hier, jenseits der Massentourismusströme, bei weitem nicht so viele Leute Englisch sprechen wie an der Algarve. Schließlich habe ich die Nase voll und gehe kurz entschlossen in eine Wechselstube, in der Annahme, dort jemanden anzutreffen, der Englisch spricht.

      Und wirklich, hier bekomme ich Hilfe: Ein junger Mann hinter dem Schalter fertigt mir einen Ausdruck mit einem Bild vom Castillo an und gibt mir eine genaue Wegbeschreibung, rät mir aber zu einem Taxi. Ich jedoch bin entschlossen zu laufen, zumal ich heute schon den halben Tag lang im Bus gesessen habe. Und wirklich, es klappt perfekt, nach dieser Wegbeschreibung finde ich das, was ich suche. Nach zehn Minuten Fußmarsch entdecke ich einen Schilderhinweis auf das Castillo und folge diesem. Nach einer weiteren Viertelstunde ist mir klar, warum ich hätte ein Taxi nehmen sollen, denn der Weg geht steil bergauf und das eine gute halbe Stunde lang. Die Sonne glüht und ich auch, ich schwitze aus allen Poren, bin aber überzeugt, dass ich diesen Weg zu Fuß bewältigen will. Da ich später vorhabe, den gesamten Caminho Portugues zu laufen, brauche ich die Fußmärsche zwischendurch auf jeden Fall, um im Training zu bleiben. So sehe ich bereits seit langem das Castillo, komme ihm aber nur schrittweise näher. Unten auf dem Weg gab es einen Hinweis darauf, dass sich im Schloss eine „Pousada“, eine stilvolle, gehobene Unterkunft, also ein landestypisches Hotel, befindet. Endlich bin ich oben angekommen, schweißnass von der Anstrengung und von der Hitze.

      Als erstes erkenne ich eine riesige, bestimmt dreißig Meter hohe Mauer mit Zinnen und eine halbwegs gepflegte Gartenanlage, in der gearbeitet wird. Ich durchquere den Eingangsbereich, der durch Mauern von mindestens zehn Metern Dicke führt. Auf dem oberen Bereich des Castillos kann ich nur sehr vorsichtig herumlaufen, da dieser verwittert und ungepflegt, mit Geröll und ausgetretenen Steinstufentreppen beschaffen ist. Jedoch habe ich von hier oben eine fantastische Aussicht auf Setubal, auf das Meer, das in der Sonne glitzert. Auch kann ich den Hafen und die Industriebereiche an den großen Kränen, Silos und Schiffen erkennen. Von hier oben blicke ich rundherum in die Landschaft und entdecke auf der anderen Seite typisch portugiesische Windmühlen und habe einen weiten Blick auf das Naturschutzgebiet, was mir sehr gefällt.

      Schließlich steige ich die Treppen vorsichtig wieder herab, um dann kurz in die Pousada einzutreten. Hier bin ich einfach neugierig und frage nach dem Preis für die Übernachtung. 185,00 Euro soll das Einzelzimmer pro Nacht kosten, ich würde es aber heute für 105,00 Euro bekommen. Wahrscheinlich sollte es einen Preisnachlass geben, weil es bereits Nachmittag ist. Gehobenes Ambiente hat eben seinen Preis. Ich stehe vor dem Empfangschef, der im schwarzen Anzug mit Hemd und Krawatte auftritt, und komme mir mit meiner Trecking-Shorts mit Karohemd ziemlich mickerig vor. Aber ich hatte vor dieser Tour für mich beschlossen, mich von den äußeren Werten zu verabschieden und meinen Blick verstärkt auf die inneren Werte zu lenken. Nun bleibe ich bei meinem Vorsatz und lehne hoch erhobenen Hauptes die Unterkunft für diese Nacht ab, wohl wissend, dass ich bereits ein sauberes und für mich passendes Quartier habe.

      So trete ich nun den Rückweg an und laufe wieder fast eine Stunde zu meinem Zimmer zurück. An der Hauptstraße komme ich – wie auf dem Hinweg – an vielen Fischrestaurants vorbei, die alle ähnlich aufgebaut sind: Vor dem Restaurant gibt es einen Glaskasten, in dem die toten Fische, Krebse, Scampi etc. liegen, die man bestellen kann. Auf der anderen Seite des Gehweges, also gut drei Meter neben dem Restaurant, befinden sich große Grillgeräte mit Rauchabzug nach oben, auf denen die Fische in einer Art Gitterzange auf den Grill gelegt werden. Mit Hilfe dieser Zange lassen sich die Fische dann problemlos wenden. Wahrscheinlich stehen die Grillgeräte deswegen so weit vom Restaurant entfernt, damit die Gäste des Restaurants nicht vom Rauch gestört werden, der trotz des Abzugs nach oben auch seitlich austritt. Vermutlich hat diese Technik Tradition und lässt sich bei diesen schönen Sonnenzeiten ohne Regen problemlos durchführen. In Deutschland würden die Fische dagegen eher ertrinken als gar werden, wenn man es mit dieser Technik versuchen würde.

      Nach einer kurzen Erfrischungspause mit viel Selters auf meinem Zimmer laufe ich nun erneut in den Ort, um einzukaufen. Ich brauche eine große Flasche Wasser und zwei Äpfel. Doch das ist gar nicht so einfach, wie es erscheint, denn in der gesamten Innenstadt gibt es unendlich viele Bekleidungs- und Schuhläden, sowie Restaurants, Cafés und Snack-Bars, jedoch keinen Supermarkt. Ich frage fast eine halbe Stunde lang andere Passanten danach, werde hin- und hergeschickt, kann aber keinen Supermarkt finden. Schließlich will ich schon völlig entnervt aufgeben, als ich eine ältere Dame mit einer Einkaufstüte sehe. Ich spreche sie an und zeige auf die Einkaufstüte. Offensichtlich spricht diese freundliche Frau kein Englisch, versteht aber, was ich möchte, und zeigt mir den Weg. Und wirklich, drei Minuten später stehe ich in einem recht großen Supermarkt und kann meine Besorgungen machen. Hier schon bemerke ich, dass sich das Preisniveau gegenüber der Algarve verändert hat, denn ich kann für deutlich weniger Geld einkaufen als dort.

      Anschließend wandere ich zur Kirche des Ortes, die sich genau am Platz mit dem Denkmal befindet, um mir einen Pilgerstempel zu holen. Jedoch befindet sich in der Kirche niemand, der der Geistlichkeit angehört, an den ich mich hätte wenden können. Es ist schon bemerkenswert, dass auch an dieser Station offensichtlich niemand auf Pilger eingestellt ist. So finde ich in der Fußgängerzone in der Innenstadt ein Reisebüro, in dem mir eine sehr freundliche, junge Frau einen Stempel gibt und das Tagesdatum einträgt. Immerhin lässt sich an diesem Stempel der Ort Setubal erlesen.

      Die Straßenzüge der Innenstadt bestehen aus einer verwinkelten Altstadt mit zum Teil sehr schmalen Gässchen, die alle wieder mit den kleinen, quadratischen Steinen gepflastert sind, die ich schon kenne. Manche Hausdurchgänge sind nur einen Meter breit, so dass sie immer im Schatten liegen, was hier unter der südlichen Sonne Portugals sicherlich erwünscht ist. Die Häuser sind zum Teil sehr schön renoviert und gestrichen, zum Teil aber auch völlig verfallen und verwahrlost, selbst in der Innenstadt. Besonders merkwürdig empfinde ich ein Haus, in dem sich unten ein Restaurant befindet, was aber im ersten Stock mit Brettern zugenagelt wurde und offensichtlich Löcher im Dach aufweist. An diesen Punkten ist deutlich zu spüren, dass in Portugal offensichtlich – genauso wie auch an manchen Orten in Deutschland – das Geld nicht für das Notwendigste ausreicht.

      So beschließe ich den Tag in einem Café draußen sitzend und erlebe hier in Portugal das erste Mal Selbstbedienung. Am Tresen wartend, staune ich nicht schlecht, denn hier muss sich jeder, der etwas bestellen möchte, eine Nummer ziehen. Diese Nummer leuchtet dann auf einer Tafel auf und danach wird man bedient. Ich hole mir einen „Café com Leite“ für achtzig Cent und eine Makrone für vierzig Cent, sitze gemütlich draußen in der untergehenden Sonne und bin völlig zufrieden. Während ich so entspannt dort sitze, machen es sich ein paar Tauben an meinem Nachbartisch bequem, laben sich an den Resten des Essens der letzten Tischgäste und offensichtlich findet niemand der Gäste dieses hier in Portugal ungewöhnlich oder eventuell sogar Ekel erregend, so wie es mir vorkommt. Offensichtlich gehört dieses hier zur Tagesordnung, andere Länder andere Sitten. Gegen 20.00 Uhr schließt dieses Café, Tische und Stühle werden zusammengestellt und ich muss mir eine neue Bleibe suchen. Es ist so schöne, warme Luft draußen, dass ich noch nicht in mein Zimmer gehen möchte. Problemlos finde ich ein paar Straßen weiter ein Eiscafé, welches noch geöffnet hat. Hier setze ich mich draußen hin und niemand will mir etwas verkaufen, das heißt, ich kann hier sitzen, ohne etwas zu verzehren. Nun kann ich hier in Ruhe meine Postkarten zu Ende schreiben, bis es schließlich so dunkel wird, dass ich nichts mehr sehen kann und auf mein Zimmer gehe, das zum Glück nur fünf Minuten vom Eiscafé entfernt liegt.

      Immer, wenn ich neu an einem Ort bin, achte ich sehr genau darauf, mich vor allem abends nicht zu weit von meinem Zimmer zu entfernen. Da ich stets allein den Heimweg antreten muss und immer alle meine Wertsachen bei mir habe, erscheint mir eine andere Vorgehensweise