Sabine Müller

Das Mal der Burgherrin


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Frühjahr deutlich zugenommen hätte.“

      „Ihr wünscht Euch wohl unbedingt ein Kind, Margareta, aber das kann man nicht herzaubern. Wenn es Gottes Wille ist, werdet Ihr noch eins bekommen, aber wenn nicht, müsst Ihr Euch mit Walther abfinden“, erklärte Mabilia.

      „Ich habe mal gehört, dass die Kräuterfrau, die hier öfters durch die Gegend kommt, ein Mittel hätte, welches einem erleichtern würde schwanger zu werden“, sagte Hannelore und legte ihre Näharbeit kurz nieder. Sie beugte sich vor zu den Edelfrauen und flüsterte ihnen zu: “Ich habe sogar gehört, dass Gräfin Lieselotte, die viele Jahre auf ihr erstes Kind warten musste, nur mit ihrer Hilfe schwanger wurde.“

      Margaretas Augen begannen hoffnungsvoll zu leuchten.

      „Jemand soll mir diese Frau herschaffen! Wisst ihr, wo sie zu finden ist?“

      „Sie wohnt, glaube ich, in einer Hütte im Kirkeler Wald, nahe der dortigen Burg und heißt Magdalena, wird aber von allen nur Leni genannt“, antwortete Hannelore.

      „Hoffentlich hört es auf zu schneien, damit morgen gleich jemand dorthin kann. Ich werde Rudolf, Bertas Mann, hinschicken. Er stammt aus der Gegend und kennt sich gut im Kirkeler Wald aus.“

      Margareta lächelte zum ersten Mal seit Wochen. Die Edelfrauen sahen sich erleichtert an. Mabilia betete in Gedanken, dass die Kräuterfrau erfolgreich sein würde und Margareta, die seit vierzehn Jahren nicht mehr schwanger geworden war, endlich noch einmal guter Hoffnung wäre. Die Trauer, die die Gräfin befallen hatte, bedrückte den ganzen Hof. Es wurde Zeit, dass wieder etwas Freude in die Homburg einkehren würde.

      Am nächsten Morgen machte sich Rudolf auf den Weg Richtung Kirkel. Der Schnee war hart gefroren, sodass er gut vorwärtskam, ohne in der weißen Masse zu versinken.

      Er trug zwei Mäntel übereinander, einen wollenen Gugel und dicke Fäustlinge. Damit er besser durch den Schnee kam, hatte er sich ovale Bretter an die Füße gebunden. Zudem stützte er sich mit zwei großen Stöcken ab. Auf der einen Seite war er froh, dass er die Gräfin wieder lächeln gesehen hatte, aber auf der anderen Seite fluchte er, weil sie ihn bei diesem Wetter in die Kälte geschickt hatte.

      Rudolf zog den Gugel fester um den Hals. Der weiße Hauch seines Atems war in der kalten Luft zu sehen. Im Gegensatz zu gestern schneite es heute nicht. Er ging über den Bergrücken und bog dann nach Norden Richtung Dorf ab. In dem Flecken war alles ruhig. Aus den Kaminen der Häuser sah man den Rauch der Feuer aufsteigen. Die Fenster und Türen waren fest verschlossen und die Leute hatten ihre Schweine mit ins Haus genommen, damit diese nicht frieren mussten und mithalfen, die Räume aufzuwärmen. Zwischen den einzelnen Häusern hatte man Wege freigeschaufelt.

      Rudolf verließ die Ortschaft und begab sich auf den Weg in Richtung Südwesten. Sogar die Sonne ließ sich blicken. Es war ein schöner Wintertag und je länger er unterwegs war, desto besser wurde seine Laune.

      Vielleicht würde ihm die Wanderung durch die gefrorene Sumpflandschaft, die sich zwischen der Homburg und dem Kirkeler Wald erstreckte, auch gut tun.

      Er wanderte über die flache Ebene, die sobald im Frühjahr das Tauwetter einsetzen würde, überflutet wäre. Zur Linken erstreckte sich der Ort Beeden mit der Kirche und rechts sah er Limbach liegen, wo gleich die Mühle folgte, in der die Bauern der Gegend ihr Getreide mahlen ließen. Sein Weg führte ihn noch ein gutes Stück über die Ebene, bis er endlich zum Wald kam. Der Wald gehörte zum Vierherrenwald, der diesen Namen trug, weil hier vier Grafen Rechte und Besitze hatten. Das waren die Grafen von Homburg, Saarwerden, Kirkel und Blieskastel, wobei der Graf von Homburg das Sagen hatte. Rudolf schlug einen Weg ein, der durch ein Tal führte. Links und rechts von ihm erhoben sich gewaltige Bäume. Irgendwann musste er steil bergauf gehen, was bei dem Schnee nicht so einfach war. Er rammte die Holzränder seiner Schuhbretter in den Schnee, damit er nicht abrutschte. Als er endlich den Gipfel erreicht hatte, war er schweißgebadet. Er machte eine kurze Pause und trank von dem Wasser aus seinem Trinkhorn, welches er sich mitgenommen hatte. Nur weil er sich das Horn unter den Mänteln direkt auf den Körper gebunden hatte, war das Wasser nicht gefroren. Er nahm mehrere Bissen Brot und begab sich dann frisch gestärkt den steilen Weg bergab. Das war fast noch schwieriger als bergauf, weil er mit seinen Brettern dauernd rutschte und aufpassen musste, dass er nicht hinfiel.

      Kurz vor Mittag erreichte er endlich die Hütte der Kräuterfrau und klopfte an die hölzerne Tür.

      „Leni, hier ist Rudolf. Ich habe mal in Kirkel gewohnt, meine Eltern waren Zeitler hier. Ich komme im Auftrag der Gräfin Margareta von Homburg. Öffne bitte die Tür!“

      Im Haus hörte man, wie jemand die Riegel zur Seite schob. Eine Frau, die die vierzig noch nicht überschritten hatte, mit einem freundlichen, aber blassen Gesicht blickte ihm entgegen. Eine rotbraune Strähne guckte unter ihrem Kopftuch hervor. Sie trug ein braunes, wollenes Gewand.

      „Was willst du hier mitten im Winter? Ist deine Gräfin etwa krank? Ihr habt doch in eurem Tal selbst einen Doktor oder hat der Mal wieder zu tief in den Krug geguckt?“

      „Die Gräfin hat doch ihren fast erwachsenen Sohn verloren und ist jetzt ganz verzweifelt. Sie wünscht sich ein neues Kind, einen Erben. Eine der Edelfrauen hat ihr erzählt, dass du ein Mittel hättest, welches ihr helfen könnte, genau wie bei Gräfin Lieselotte.“

      „Gräfin Lieselotte war kinderlos, weil sie eine Entzündung im Unterleib hatte. Nachdem diese Entzündung abgeheilt war, konnte sie ein Kind empfangen. Aber wenn nicht irgendwelche körperlichen Beschwerden an der Kinderlosigkeit schuld sind, kann nur Gott helfen.“

      „Das kannst du der Gräfin selbst sagen, sie erwartet dich bis spätestens heute Abend.“

      „So etwas ist doch kein Notfall, kann das nicht warten, bis es wieder etwas wärmer ist? Will sie eine arme Frau wie mich bei diesem Wetter wirklich durch die Gegend hetzen?“

      „Es wird dir nichts anderes übrig bleiben, als mit zukommen. Das ganze Gesinde auf der Burg ist schon ganz verzweifelt, weil die Gräfin so unglücklich ist. Die Aussicht auf eine neue Schwangerschaft hat ihr wieder Hoffnung gegeben. Außerdem wartet eine große Belohnung auf dich.“

      „Also gut, ich werde mich fertig machen, aber lass uns zuerst zu Mittag essen, damit wir gestärkt durch die Kälte gehen können. Der Eintopf kocht schon.“

      „Das ist eine gute Idee. Ich kann ohnehin etwas Warmes gebrauchen!“

      Rudolf setzte sich an den Tisch und Magdalena schenkte Gemüseeintopf aus, in dem ein paar Fleischreste schwammen. Rudolf löffelte begierig die warme Suppe. Die Bewegung an der frischen Luft hatte ihn hungrig gemacht. Als sie fertig waren, räumte Magdalena das Geschirr weg und packte ihre Sachen. Sie zog einen zwar warmen und pelzbesetzten, aber leicht abgenutzten Mantel über. Sie hatte ihn einmal von einem Grafen geschenkt bekommen, zum Dank dafür, dass sie seiner Frau das Leben gerettet hatte. Dann hängte sie sich ihren Beutel um, in dem sie verschiedene getrocknete Heilkräuter, Salben, Seife, Stoffläppchen, Tücher, eine Kerze, sowie ein kleines sauberes Messer und eine Pinzette aufbewahrte. Sie legte eine Brotkruste hinein und füllte ihr Trinkhorn. Über ihr Kopftuch zog sie eine wollene Mütze und dann nahm sie sich Handschuhe, Schal und zwei Stöcke zum Abstützen. Auch sie befestigte an ihren Schuhen ein Paar ovale Bretter.

      Nun begaben sich die beiden auf den Weg zur Homburg. Der Rückweg kam Rudolf kürzer vor, wahrscheinlich, weil er nun jemanden zum Unterhalten hatte. Magdalena erzählte ihm Geschichten aus seiner alten Heimat. Es machte ihn glücklich von längst vergessenen Leuten aus seiner Kindheit zu hören.

      „Seit wann bist du nicht mehr in Kirkel?“

      „Seit fünfzehn Jahren, so lange kenne ich meine Berta schon.“

      „Übst du im Homburger Wald auch das Zeitlerhandwerk aus?“

      „Nein, ich bestelle den Garten auf der Burg und kümmere mich um die Hühner, Kühe und Schweine. In den ganzen Jahren, die ich schon dort bin, konnte ich mich nie über meine Herrschaften beschweren und auch der junge Simon war mir ans Herz gewachsen. Sein Tod hat mich sehr getroffen.“

      „Das