von je einem glasklaren Plastikdeckel mit einem drei Zentimeter hohen Rand gehalten. Im unteren Deckel steckten drei Fläschchen, die nach außen rund und zur Mitte des Zylinders spitz zuliefen. Sie bildeten so seinen „Körper“. Alle drei besaßen einen Druckverschluss, aus dem man ihren Inhalt entnehmen konnte. Aber welchen? Die Aufschriften waren kaum lesbar. Ich nahm die Flaschen einzeln aus dem Deckel und entzifferte mit Mühe: „Lait corporel“, „Gel douche rafraichissant“ und „Shampooing conditionnant léger.“ Aha! Wenn mich mein restliches Schulfranzösisch nicht im Stich ließ, handelte es sich um Körpermilch, Duschgel und Shampoo. Praktisch! Wenn ich verreiste, brauchte ich nicht ständig drei verschiedene große Flaschen mitzuschleppen. Ich erinnerte mich dunkel, dass meine Tochter mir erzählt hatte, sie selbst besäße auch einen solchen Behälter, um den man sie beneidete. Wunderbar! Vorläufig verschwand er jedoch in der Tiefe meines Toilettenschrankes bis zur nächsten Reise. Zu Hause konnte ich mich bei meinen Sauberkeitsorgien aus großen Flaschen bedienen.
Kurz darauf bekam ich eine Einladung zu einem Vortrag: „Die Nebel von Avalon – Mystik oder Klimaveränderung des Regenwaldes?“ Wenn ich auch nicht recht wusste, um was es ging, wollte ich auf alle Fälle am Abend dabei sein.
Eine Stunde vorher beschloss ich, kurz unter die Dusche zu springen, um sauber und erfrischt dem vortragenden Professor Dr. Dr. gegenüber sitzen zu können. Besondere Ereignisse erfordern besondere Vorbereitungen: Ich holte das „Knallbonbon“ zu seiner ersten Bewährungsprobe aus dem Schrank. Ich legte meine Kleider ab samt meiner Brille und stieg in die Duschkabine.
Das Wasser plätscherte angenehm, ich bekam Lust, laut zu pfeifen. Ich tastete nach meinen drei Flaschen – und erstarrte. Welche war nun für was? Die Aufschriften konnte ich jetzt schon gleich gar nicht entziffern, denn ohne Brille war ich blind wie ein Maulwurf. Dusche abdrehen, aussteigen und Brille aufsetzen? Was für ein Aufwand! Ich entsann mich, dass das Duschgel blau, das Shampoo hellgrün und die Körpermilch weiß gewesen waren. Das kriegte ich ohne Brille hin! Um durch den Wasserdampf besser sehen zu können, riss ich die Augen bis zum Anschlag auf, tropfte mir aus einem der Behältnisse etwas in die Hand und verteilte es im nassen Haar. Warum schäumte das denn nicht? Vielleicht hatte ich zu wenig genommen? Ich legte nach und kippte mir dieses Mal eine ordentliche Portion auf mein Haar. Der Effekt war derselbe wie vorher.
Mich durchzuckte ein schrecklicher Gedanke: Ob ich vielleicht die falsche Flasche erwischt hatte? Ich hielt sie durch den Wasserschleier ans Licht. Schreck lass nach! Ich hatte die Körpermilch erwischt! Kein Wunder, dass die nicht schäumte! Jetzt aber her mit dem Shampoo! Nach mehreren wiederholten Wäschen hatte ich das Gefühl, nicht mehr wie eine Ölsardine zu glänzen, sondern langsam zum Normalstatus zurückzukehren.
Meine Haut an den Fingern begann bereits schrumpelig zu werden, als ich die Dusche endlich verließ. Verflixt! Es war schon viel zu spät! Meine Haare hingen mir um den Kopf wie die Zweige einer Trauerweide.
Der Vortrag hatte längst begonnen. Ich zwängte mich leise durch die Reihen bis auf einen letzten leeren Stuhl. Rechts von mir rückte eine füllige Blondine, auf der anderen Seite eine hagere Rothaarige von mir ab. Wahrscheinlich umgab mich ein Duft wie sämtliche Gerüche eines orientalischen Basars.
In der Pause vertrat ich mir mit einem Glas Sekt in der Hand im Foyer die Beine. Meine beiden Nachbarinnen tuschelten miteinander und warfen beziehungsreiche Blicke auf mich. Die Blonde wogte schließlich auf mich zu:
„Es ist eigentlich nicht meine Art, auf Fremde in dieser Form zuzugehen, aber darf ich Sie etwas fragen?“ Ihre Hand mit dem O-Saft zitterte leicht. „Sagen Sie …“, sie rückte mir noch ein bisschen näher auf die Pelle, „… sagen Sie, was ist das für ein Parfum, das Sie tragen?“ Ihre blauen Augen schauten erwartungsvoll. Auch die Rothaarige kam auf dünnen, schwarzbestrumpften Beinen auf mich zugestöckelt: „Ach ja“, flötete sie beipflichtend, „das würde uns nämlich beide interessieren!“
Parfum? In der Hektik meines verspäteten Aufbruchs hatte ich ganz vergessen, ein paar Tropfen an mir zu verteilen. Es konnte sich also nur um die Hinterlassenschaft meiner Shampoo-Körpermilch-Oper handeln! Wie sollte ich mich jetzt aus der Affäre ziehen? Die Wahrheit sagen oder schummeln? Ich entschied mich für letzteres. Wahrscheinlich würde ich die Damen sowieso nie im Leben wiedersehen, da durfte ich ruhig mal dick auftragen. Ich neigte mich also zum Ohr der Vollbusigen und flüsterte, als ob ich beim Secret Service sei: „Lait corporel!“ Ich nickte bekräftigend, nahm einen Schluck Sekt und blickte verschwörerisch in die Runde, als ob ich befürchtete, unliebsame Mithörer zu entdecken. Wenn sie jetzt Französisch sprach, war ich geliefert. Sie hätte sofort meinen „Körpermilch“-Schwindel durchschaut. Dann war Schlagfertigkeit gefragt.
Aber ich hatte Glück. „Aha!“, nickte sie verständnislos. „Joop? Armani? Elisabeth Arden? Es riecht sehr teuer!”, setzte sie erklärend hinzu.
Ich schüttelte energisch meine Sauerkraut-Haare. Hurra! Ich war auf dem richtigen Dampfer. „Ma fille!“, flüsterte ich im gleichen Verschwörerton wie vorher. Natürlich war ich mir darüber im Klaren, dass ich lediglich „meine Tochter“ übersetzt hatte. Die Rothaarige sah mich bewundernd an. „Mafije“ … plapperte sie verständnislos nach. Ihren kugelrunden Augen konnte ich ansehen, dass sie nur Bahnhof verstand.
„Noch nie gehört!“, erklärte auch die Blonde. „Aber sehr empfehlenswert! Cheers!“ Sie hob ihr Sektglas, ihre rote Kollegin tat es ihr nach, beide tranken mir zu. Ich erwiderte mit einem tiefen Schluck aus meinem Glas. Klippe umschifft! Insgeheim klopfte ich mir auf die Schulter. Gut gemacht!
Ich gestehe, vom Rest des Vortrages habe ich nicht mehr viel mitgekriegt. Mein selbst kreierter Duft vermischte sich quasi mit den Nebeln von Avalon. Seitdem überlege ich immer wieder, ob ich mir meine einzigartige Komposition nicht patentieren lassen sollte. Leider ist das Shampoo bereits so gut wie aufgebraucht. Und ob ich die einmalige Duftnote je wieder so hinkriege?
ZU RISIKEN UND NEBENWIRKUNGEN …
Ich traue keiner Wettervorhersage mehr. Stimmt sowieso meistens nicht.
Wie gut, dass ich schon fortgeschrittenen Alters bin. Dann ist man nämlich sein eigener Wetterprophet. Unabhängig von Wetterfröschen jeglicher Couleur kann man seine persönlichen Vorhersagen treffen. Allerdings klappt das nur bei denjenigen, deren Propheten-Gene von Großvater auf den Vater und von diesem auf einen selbst weitergereicht wurden. Mein Opa konnte zum Beispiel wegen seiner Gicht sagen, wann das Wetter umschlug. Mein Vater hatte dafür seine Kriegsverletzung. Ich benutze jetzt dafür mein Knie. Seit sich das Rheuma darin eingenistet hat, kann ich wunderbar das Wetter prognostizieren: Stufe 1 für leichte Wetterumschwünge, Stufe 2 für Orkane und Blizzards und Stufe 3 tritt bei Erdbeben und Tsunamis in Aktion. Die Stufen 2 und 3 sind mir allerdings bisher erspart geblieben. Aber Stufe 1 ist doch schon mal ein netter Einstieg.
Tagsüber habe ich ja nichts gegen diese Art Wettermeldungen. Nur nachts würde ich gern ein paar Stündchen schlafen. Wie gut, dass ich im Wartezimmer vom Doktor über das Wundermittel „Schmerz ade“ oder „vale dolores“ – wie die Lateiner sagen – las. Ich also hin zur Apotheke, das Zeug gekauft und ab ins heimische Badezimmer.
Als ich die Dolores-Flasche öffnete, strömte mir ein wahrhaft umwerfender Geruch von Knoblauch-Kampfer-Ammonial-Wein- und Himbeergeist mit einem Schuss Petroleum entgegen. Mir wurde leicht schwindelig. Aber ich wollte das Gebräu ja weder trinken noch inhalieren, sondern nur mein Knie damit einreiben. Da darf man nicht immer zimperlich sein. Was soll ich sagen? Drei Tage später war ich schmerzfrei! Gut, die Haut warf Blasen und die Fliesen im Badezimmer fielen durch den penetranten Geruch herunter. Aber die Wandbekleidung wollte ich sowieso schon lange auswechseln.
Da entdeckte ich, dass Hannibal, mein Kater, voller Zecken saß. Warum sollte ihm das Mittel nicht auch helfen? Er sträubte sich zwar, aber Dolores würde auch bei ihm Wunder wirken. Und richtig: Jetzt ist er völlig von Zecken befreit. Allerdings auch vom Fell. Als süßer gregorianischer Nacktkater räkelt er sich nun in seinem Körbchen. So ist er ohnehin viel pflegeleichter.
Einige Tage später erzählte mir Frau Müller aus dem Nachbarhaus, ihre Tochter habe sich aus der Schule Läuse mit nach Hause