stand und nahm einen großen Schluck. Verwundert stellte er fest, dass es der falsche Becher war. Kein Kaffee, sondern Tee darin. Noch schlimmer: Wenig Tee und viel Rum. Der Schauspieler trank selten. Am Wochenende ab und zu ein Viertel Rotwein. Aber irgendwie tat ihm dieser große Schluck jetzt gut. Vielleicht, weil es ein kalter, feuchter Tag war. Lars drehte sich um. Niemand schien sein wärmendes Getränk zu vermissen.
Nur Bella sah in vorwurfsvoll an. Sie konnte es nicht ausstehen, wenn Dinge, die da nicht hingehörten, in der Dekoration abgestellt wurden.
So trank Ungestüm schnell auch noch den Rest aus und warf den Becher in einen Papierkorb.
Der Burger rief alle zu einer letzten Probe. Lars ging zu seinem Platz, der auf dem Fußboden mit Klebeband gekennzeichnet war. Der ungewohnte Rum tat sofort seine Wirkung. Die Probe wurde schon kurz nach Beginn unterbrochen, weil dem Schauspieler sein Text nicht einfiel.
Der Regie-Chef saß hinter einem kleinen Monitor und schüttelte genervt den Kopf. Der Panter, so nennt man ein sehr bewegliches Fahrzeug für die Kamera, wurde auf die Ausgangsposition zurückgeschoben.
Der Hauptdarsteller schaute noch einmal in sein Drehbuch. Im Hintergrund stellte Bella die Torten in die Dekoration, Franzl half ihr dabei. Dann war man wieder probenbereit.
Lars manövrierte sich geschickt durch seinen etwas hölzernen Text, und auch alles andere funktionierte einigermaßen. Der Regisseur nickte zufrieden und der Burger brüllte: „Fertigmachen zum Drehen!“
Nun huschten aus sämtlichen Nebenräumen die vielen stillen Stars des Filmgeschäfts. Maskenbildner zogen noch einmal die Lippen der Damen nach, Gewandmeisterinnen zupften an den Gewändern herum, ein Garderobier half Ungestüm aus seinem Bademantel und bürstete den Kragen seines eleganten Anzuges ab. Das Licht wurde ein letztes Mal korrigiert.
Franzl nutzte die Gelegenheit zum Verschwinden, er musste zwei Schauspieler vom Flugplatz in Salzburg abholen. Als er die Tür öffnete, blies der Wind ein paar gelb-braune nasse Blätter herein. Bella griff schnell nach ihnen. Auf dem Weg zum Müllsack warf sie einen verwunderten Blick darauf. Welke, bunte Blätter im August? Und das hier, wo das Grün wirklich ganz besonders grün ist!
„Ruhe!“, dröhnte der Tonmeister. Er lauschte, aber das Geräusch von draußen war weg. Begeistert schrie er: „Wir können!“
Eine Maskenbildnerin zupfte der schönen jungen Episoden-Hauptdarstellerin Monica Morelli ein Haar aus. Die Morelli brüllte daraufhin laut auf: „Bist du wahnsinnig?!“
Die Maskenbildnerin entschuldigte sich im Flüsterton und erklärte, dass es sich um ein graues Haar gehandelt habe. Der Morelli verschlug es die Sprache. Sie nahm der Haarausreißerin den Spiegel aus der Hand. Schockiert sah sie, dass dies nicht das einzige graue Haar auf ihrem Kopf gewesen war. „Das gibt es nicht“, stöhnte sie entsetzt.
„Ruhe – wir drehen!“, kam nun das Kommando. Die Maskenbildnerin konnte den Spiegel, der jetzt der Schauspielerin aus der Hand rutschte, gerade noch auffangen. Sie starrte fassungslos auf Monica Morellis tiefrotes Haar, das silbern glitzerte.
Kopfschüttelnd betrachtete Bella noch immer die welken bunten Blätter. Der Regisseur sah zu seinen Hosenbeinen, die inzwischen wieder trocken waren. „Den Anzug kann ich wegschmeißen“, sagte er leise zu seiner Assistentin.
„Ton ab! Kamera ab!“ Die Klappe wurde geschlagen.
Der Chef rief laut: „Action!“
Um den Monitor hatten sich einige der Filmleute versammelt und verfolgten die Aufnahme. Die Szene begann fehlerlos. Doch da blieb Lars Ungestüm plötzlich stehen. Alle hielten die Luft an. Das hatte man nicht geprobt. Der Schauspieler öffnete den Mund, und schloss ihn schließlich wieder, ohne ein Wort zu sagen.
„Aus!“, rief der Chef verärgert. „Ich verstehe das nicht – er ist doch sonst ein Perfektionist“, flüsterte ihm besänftigend seine Assistentin ins Ohr.
Im Saal war es still. Alle schauten in Erwartung eines Donnerwetters vom Regisseur zu Ungestüm. Der stand da wie angewurzelt. Dann ging er langsam zum Fenster und zeigte stumm hinaus. Alle sahen nun nach draußen: Es begann zu schneien!
8. Kranawitha richtet nichts aus
Kranawitha, die endlich ihren Besen gefunden hatte, bat die anderen, hier auf sie zu warten. Sie wollte nur kurz diesem verrückten Riesen die Meinung sagen. „Der bringt doch das ganze Jahr durcheinander!“ Die Geisterdamen sahen sie fragend an. Glaubte sie ernsthaft, der würde auf sie hören? Kranawitha nickte. Und wie der auf sie hören würde! Ohne sie war er doch aufgeschmissen …
Sie versprach, sofort zurückzukommen. Bis hinüber zum Traunstein war es ja nur ein Katzensprung. Schon war sie verschwunden.
Die sieben durchsichtigen Weiber blickten entsetzt auf das Schneegestöber draußen und waren sich einig: Dieser Erla hatte wirklich irgendwie nicht mehr alle Tassen im Schrank.
Es war ja ganz nett, dass es in ihrem langweiligen Dasein ein bisschen Abwechslung gab. Aber das denn doch zu viel.
Miss Molly deckte Röslein mit einem warmen Tuch zu. Die Kleine hockte in Kranawithas Sessel und döste vor sich hin. Dann ging sie zu den anderen, die wieder auf den großen Bildschirm schauten, wo noch immer Erlas Maschinenhalle zu sehen war. Doch der Riese schien sich völlig verausgabt zu haben. Er saß auf den Kalenderblättern am Boden und war eingeschlafen. Emilia drehte den Ton leiser, denn Erla schnarchte entsetzlich.
So hörte er auch nicht das Klopfen und Rufen von draußen.
Es handelte sich um Kranawitha, die wirklich wahnsinnig schnell per Besen hinübergeflogen war und Einlass begehrte. Da ihr nicht geöffnet wurde, musste sie zu anderen Mitteln greifen.
Aber irgendwie schien nichts mehr wie früher zu sein. Keiner ihrer Zaubersprüche half, die Tür zu Erlas Höhle auch nur einen Spalt zu öffnen. Die Hexe schimpfte fürchterlich herum, drohte, fluchte. Doch gar nichts passierte. Sie wollte es mit einem Zauberreim versuchen. Aber vor lauter Ärger hatte sie ein totales Blackout in ihrem Kopf.
Die Damenrunde in ihrer Höhle überkam inzwischen die Langeweile. Dass sich nun nichts mehr ereignete, war bedauerlich. Seufzend erhoben sich die Geisterfrauen. Sie weckten Röslein. Was war mit ihr los? Aber die junge Dame lächelte nur abwesend. Sie schien ein Geheimnis zu haben.
Die anderen bestürmten sie mit Fragen. Sie schien verändert. War sie etwa verliebt? „Vielleicht“, flüsterte sie. Weiter war nichts von ihr zu erfahren.
Noch einmal sahen sie auf den Bildschirm. Kranawitha hatte sich vor Erlas Türe niedergelassen und wartete.
Die Geisterfrauen hatten keine Lust, hier zu überwintern. Obwohl es in Kranawithas Domizil schön warm war, entschlossen sie sich zum Abflug. Die schwarzen Bären, die in allen Ecken schliefen, wurden nicht einmal wach von dem lauten Verabschiedungszeremoniell der Damen.
Alle waren zwar ein bisschen enttäuscht von diesem Ausgang der Party, aber länger ausharren wollten sie auch nicht. So schwebte schließlich eine nach der anderen durchsichtig blau hinaus. Draußen winkten sie sich noch einmal zu und machten sich leicht benebelt durchs Schneegestöber auf den Weg zu ihren Schlössern.
9. Schimek wundert sich
Schimek stand mit seiner Enkeltochter Flori unterm Dach des Eingangs vom Gasthof Grünberg und wollte seinen Augen nicht trauen: Es schneite noch immer! Er bat seinen Sohn und die Schwiegertochter mit der Rückfahrt besser ein bisschen zu warten. Bei diesem Wetter wollte er sie nicht weglassen – mit Sommerreifen!
„Was sollte man im August sonst für Reifen haben“, sagte seine Schwiegertochter kopfschüttelnd und drückte ihrem Mann den Autoschlüssel in die Hand. Sie mussten nach Wien zurück. Viel zu lange hatten sie sich beim ausgiebigen Essen im Gasthof Grünberg aufgehalten. Nun war es höchste Zeit. Morgen würde ihre Tournee beginnen und die Sachen waren noch nicht gepackt.