Christa Mühl

»Action!« im Traunsee-Märchenland


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erledigten Auftrag verflüchtigt. So blieb ihr nichts anderes übrig, als den Termin abzuwarten.

      Kranawitha war erstaunt, dass ihren Einladungen nur sechs Schlossgeister folgten. Noch verwunderter war sie, dass es sich ausschließlich um Damen handelte. Aber es waren sechs lustige Weiber, ebenfalls froh, wenigstens einmal im Monat etwas Abwechslung zu haben. Denn das Geisterleben ist heutzutage auch nicht mehr das, was es einmal war. Ihre männlichen Kollegen fanden es anscheinend unter ihrer Würde, gemeinsam am Tisch mit einer Hexe zu sitzen. So blieben die Damen unter sich.

      Die markanteste Erscheinung von ihnen war Miss Molly, amtierendes Hausgespenst von Schloss Cumberland. Eine üppige blonde Schönheit mit einem kleinen Makel: Sie stotterte. Und sie übertraf sich selbst im Erfinden wahnsinniger Liebesgeschichten. Wahrscheinlich hatte es ihr zu Lebzeiten eben daran gemangelt. Sie war auch nie verheiratet gewesen. Über Männer an ihrer Seite konnte man nichts in der Chronik von Schloss Cumberland finden. Auch keine Silbe über ihren mysteriösen Tod. Dabei hatten sich gerade darüber vor langer Zeit alle die Mäuler zerfetzt.

      Angeblich wurde Miss Molly von einem Blitz getroffen, als sie auf einer Eiche saß und ein paar junge Edelmänner aus der Nachbarschaft beobachtete. Zu beweisen war das nicht. Allerdings sprach man darüber viele Jahre mit leichter Häme: Selbstverschuldetes Elend! Wahrscheinlich war sie nach dem Blitzschlag vom Baum gefallen. Seither stotterte sie. Miss Molly redete nie darüber. Ansonsten, abgesehen davon, dass sie klatschsüchtig war wie alle anderen der Damen, hatte sie ein schlichtes, ziemlich durchsichtiges Wesen. Aber irgendwie war sie liebenswürdig und für Kranawitha ganz okay. Im Verlauf der Zeit freundeten sich die beiden regelrecht an, was freilich bei den übrigen eine Art Neid hervorrief. Wer konnte schon herumerzählen, dass er mit einer Hexe befreundet war …

      Die Zweite im Bunde der Geisterdamen war Emilia, Geisterfreifrau vom Schloss Roith. Ein Gespenst der ganz besonderen Art. Sie war in grauer Vorzeit zu Tode gekommen durch das scharfe Messer eines Kochs, der sie nachts in der Küche erwischte und für eine Diebin hielt. Dabei war sie die Schlossherrin. Sie musste auf ihre Linie achten, war also dürr, aber ungeheuer fresssüchtig. Jede Nacht, sobald ihr Gatte schlief, schlich sie in die Küche und berauschte sich geradezu an gutem Essen.

      Bis ihr eben einmal der Küchenchef auflauerte und von hinten zustach, bevor sie schreien konnte. Sonst hätte er sie ja vielleicht erkannt und verschont. Kein gutes Ende. Für beide tödlich. Denn der Koch wurde natürlich verurteilt und gehängt. Emilia geisterte seither nachts im Freisitz Roith herum, heute ein Hotel, dessen Restaurant als Gourmet-Tempel der Haubenküche weithin bekannt ist. Man munkelte, dass dort ein begnadeter guter Geist in der Küche die Hand im Spiel hätte.

      Aber das konnte natürlich auch nur eine landläufige Redensart sein.

      Über die anderen Damen und einen Neuzugang soll später berichtet werden, denn nun wurde das ekelhafte Geräusch wirklich unerträglich.

      „Er heult wieder“, stöhnte die Gastgeberin und biss sich sofort auf die Lippen. Aber es war heraus. Alle 14 Augen der also inzwischen sieben Geisterfrauen richteten sich fragend auf sie.

      „Wer h-h-heult w-w-wieder?“, stammelte aufgeregt Miss Molly. Kranawitha hüllte sich beharrlich in Schweigen. Die durchsichtigen Damen sahen sie fragend an. Nichts. Die Hexe schüttelte entschieden den Kopf, griff nach ihrem Gläschen mit Marillengeist und wandte sich ab. Sie sah übrigens wunderschön aus, denn für jedes der monatlichen Weibertreffen verwandelte sie sich, seit Jahrhunderten im Besitz eines Zauberringes, in eine ansehnliche Person mit prächtigen Gewändern. Die Geisterdamen hatten anscheinend alle die selbe Idee, wie man Kranawitha zum Reden bringen konnte: Sie griffen zu den köstlichen Schokoladentorten aus der Konditorei Baumgartner unten am Ufer des Traunsees. Die standen in großen Massen auf der Kaffeetafel.

      Nun wurde eine nach der anderen Richtung Kranawitha gefeuert. Nur wenige verfehlten ihr Ziel.

      Entsetzt sah die Hexe, wie sich ihr pinkfarbenes Glitzerkleid in einen beschmadderten Fetzen verwandelte. Ganz ohne Zauberei.

      Sie drehte vor lauter Zorn an ihrem Ring. „Schluss mit lustig!“, rief sie hysterisch. Eine übelriechende, giftig grüne Wolke umhüllte sie. Und dann verwandelte sie sich in sich selbst: Kranawitha ohne Kostüm und Maske. Die Geisterdamen wichen zurück. Lange hatten sie die Hexe nicht in ihrer eigentlichen Gestalt zu sehen bekommen.

      „M-m-mein G-g-gott – b-b-bist du alt geworden!“, entfuhr es Miss Molly. Kranawitha sah sie wütend an. Die hatte gut reden! An den Geistern ging die Zeit einigermaßen spurlos vorbei, sie hatten das Leben hinter sich. Ihr Geisterdasein war sozusagen der Nachschlag. Aber eigentlich waren sie doch fast in einem Alter. Miss Molly zeigte der Hexe beleidigt einen Vogel. Sie begann sofort von ihrer neuesten Liebschaft zu berichten, einem jungen Geist von nicht einmal 120 Jahren, der sich in die Dachkammer ihres Schlosses verirrt hatte.

      Kranawitha lachte scheinheilig auf. „Alte g-g-geile Schachtel!“, giftete sie. Mit ihrer Stotterei ging Miss Molly langsam aber sicher allen auf den Wecker, und ihre Lovestorys fanden doch nur in ihrer Fantasie statt!

      Die alte geile Schachtel begann beleidigt herumzujammern.

      Die Hexe bereute den Ausrutscher sofort. Sie entschuldigte sich bei ihrer Freundin. Die aber zickte ziemlich herum und ging heulend aufs Klo.

      Kranawitha, schon ein beträchtliches Hexenalter auf dem krummen Buckel, wurde traurig. So hatte sie das doch nicht gemeint. Vor allem tat ihr leid, dass sie Miss Mollys Stotterei nachgemacht hatte. Tränen stiegen ihr in die goldgelben Augen.

      Haben Sie schon mal eine Hexe weinen sehen? Es ist fürchterlich, glauben Sie mir. Alle Anwesenden waren jedenfalls nicht daran interessiert, das zu erleben.

      „Mädels! Wir wollen uns jetzt den schönen Tag nicht verderben!“, mahnte Emilia. Ganz klar: Sie hatte Hunger. Deshalb sammelte sie nun die halbwegs erhaltenen Tortenbatzen ein und verteilte sie auf die Kuchenteller. Schweigend begannen die Damen zu essen.

       3. Wie soll man drehen ohne Torten?

      „Wo bleiben die Torten?“ Die Innenrequisiteurin rannte durch den fast fertig eingerichteten Festsaal des Schlosses, gescheucht vom Burger, dem Aufnahmeleiter. Sie stolperte über ein Kabel. Die Beleuchter, die man hier liebevoll Lichtbuben nennt, sahen ihr kopfschüttelnd nach.

      „Trampel!“, rief ihr einer von ihnen hinterher. „Aber süßer Trampel!“, ergänzte ein anderer. Doch sofort machten sie sich wieder an die Arbeit. Denn der Burger sah zuerst auf die Uhr und dann zu Bellas Boss.

      Der Oberbeleuchter steckte drei Finger in die Höhe, was so viel hieß wie: In drei Minuten steht das Licht.

      Die Innenrequisiteurin, die auf den Spitznamen Bella hörte, rieb sich den Fuß und überlegte, ob sie heulen sollte oder nicht. Bingo war sofort zur Stelle und flüsterte, dass der „Trampel“ nicht so ernst zu nehmen war. Sie kannte doch den Herrn Oberbeleuchter. „Der meent det nich so!“

      Die Lichtbuben beobachteten die beiden grinsend. „Da bahnt sich was an!“, sagte einer, ein bisschen zu laut. Die anderen lachten.

      Hier drinnen war die Stimmung schlagartig besser geworden als auf der Brücke im Dauerregen.

      Bei Bella, eine der Jüngsten im Team, handelte es sich um ein hübsches blondes Mädel aus Linz. Als Innenrequisiteurin musste sie dafür sorgen, dass alles, was so an Dingen für die Dreharbeiten gebraucht wurde, an seinem Platz stand. Leider war sie ein bisschen ungeschickt und hatte nicht viel Ahnung. Aber Bella gab sich große Mühe. Deshalb konnten sie fast alle gut leiden. Die Männer natürlich besonders, weil sie eben auch noch blond und hübsch war.

      Bella befand sich immer auf der Suche nach ihrem Traumprinzen. Nachdem sie kürzlich festgestellt hatte, dass sich der Burger dafür nicht eignete, war sie nun wieder zu haben.

      Draußen goss es noch immer in Strömen, und auch das seltsame Geräusch war weiterhin zu hören. Nicht mehr ganz so laut, aber dauerhaft.

      An der Tür zum Saal erschien der völlig durchnässte Fahrer Andreas Franzlhuber,