Grenze nach Kärnten geschmuggelt.
Auf die Spur Globocniks gerät die Polizei bei einer Hausdurchsuchung am 11. Dezember 1934 in Krumpendorf bei Maria Bauer, einer ehemaligen Pflegerin der Landesirrenanstalt in Klagenfurt. Anlass für die Polizeiaktion ist eine „vertrauliche Anzeige“ und tatsächlich finden die Beamten belastendes Material: so vor allem Listen von NSDAP-Mitgliedern, die „durch das Vorgehen der Behörden irgendwie Nachteile erlitten hatten, sowie viele Unterstützungs- und Darlehensansuchen von in Kärnten ansässigen Nationalsozialisten“. Ein Dokument sticht ihnen jedoch sofort besonders ins Auge: ein vom österreichischen Generalkonsulat in Triest im Januar 1934 ausgestellter und von der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt bis Februar 1939 verlängerter Reisepass, lautend auf den „Bautechniker“ Odilo Globocnik. Das Auffallende an dem Dokument: Die Einträge weisen darauf hin, dass der Pass im Februar 1934 und von Juli bis November 1934 zu zahlreichen Auslandsreisen benützt worden ist.
Maria Bauer wird sofort verhaftet, am nächsten Tag, dem 12. Dezember 1934, nimmt man Globocnik fest; beide werden wegen Verdachtes des Hochverrates in das Landesgericht Klagenfurt eingeliefert. Maria Bauer gibt bei ihrer Einvernahme an, die beschlagnahmten Listen von einem gewissen Herbert Maurer in Klagenfurt erhalten und für diesen fallweise Schreibarbeiten übernommen zu haben; die auf den Listen genannten Personen seien ihr unbekannt, Herbert Maurer inzwischen ins „Reich“ geflüchtet. Auch Globus hat sich eine ähnliche Verteidigungslinie zurechtgelegt: Er habe seinen Reisepass nach der Rückkehr aus Triest nach Klagenfurt im Februar 1934 einem „Bekannten aus Triest“ namens Erhard Berger übergeben, damit dieser das Reisedokument an das Generalkonsulat in Triest zurückstelle. Über das „weitere Schicksal des Passes“ wisse er nichts, er habe weder um Verlängerung der Gültigkeitsdauer des Passes angesucht noch diesen zu weiteren Auslandsreisen benützt, Erhard Berger halte sich in Deutschland auf.
Es beginnen umfangreiche Ermittlungen rund um den mysteriösen Reisepass und die bei Maria Bauer gefundenen Namenslisten. Dem Fall wird von der Bundespolizeidirektion höchste Bedeutung zugemessen: Da man die Kärntner Kollegen damit etwas überfordert sieht und um die zahlreichen Nazi-Sympathisanten in den Kärntner Polizeireihen Bescheid weiß, betraut man einen dem staatspolizeilichen Büro des Bundeskanzleramtes zugeteilten Referenten mit der Leitung der „Amtshandlung“; am 5. Januar 1935 trifft dieser in Begleitung von fünf Kriminalbeamten der Bundespolizeidirektion in Klagenfurt ein. Rasch erhärtet sich der Verdacht, dass Globocnik gelogen hat, eine Hausdurchsuchung in der Villa von Emil Michner in Krumpendorf wird angeordnet. Hier finden die Beamten am 10. Januar 1935 in einer Handkassette ein versiegeltes Paket mit der Aufschrift „Meine Ersparnisse“. Emil Michner erklärt, dass dies Ersparnisse seiner Tochter Margarete seien, das Paket wird geöffnet, es enthält 2.300,- Schilling und 350,- Lire. Als Grete versichert, dass sie keine Ersparnisse habe und sie das Paket von Erika Globocnik im Auftrag von Odilos Mutter Anna Globocnik zur „Aufbewahrung“ erhalten habe, werden beide, Vater und Tochter Michner, verhaftet und ins Bundespolizeikommissariat Klagenfurt gebracht; auch Anna Globocnik wird festgenommen – die Mutter Odilos tappt in die Falle, als sie behauptet, das Paket beinhalte ihre Ersparnisse, dann aber weder Betrag noch Geldsorten zu nennen weiß. Schwester Erika, die sich angeblich auf einer Skitour befindet, wird zur Fahndung ausgeschrieben.
Weitere Nachforschungen ergeben, dass der Beamte, der den Pass Globocniks in der Bezirkshauptmannschaft Klagenfurt verlängert hat, Nazi-Sympathisant ist, wegen des Verdachts auf Missbrauch der Amtsgewalt wird auch er verhaftet, eine Hausdurchsuchung bei ihm fördert zahlreiche NS-Flugschriften und -Zeitungen zutage. Bei einer Gegenüberstellung mit Globocnik behauptet der Beamte, diesen nicht zu kennen. Die Kriminalbeamten aus Wien glauben dem Mann kein Wort, weitere Hausdurchsuchungen in Spittal an der Drau, in Greifenburg, Feldkirchen, Millstatt und Villach werden vorgenommen, das aufgefundene Material, in mehreren Fällen ein umfangreicher Briefwechsel, erlaubten es den Beamten allmählich, ein genaueres Bild des „Systems Globocnik“ zu gewinnen: Das Geld zur Unterstützung der illegalen Nazis fließt vorwiegend aus dem Deutschen Reich. Drehscheibe der Transaktionen ist eine Hilfsstelle der NSDAP in München, die Kontakte zu Mittelsmännern in der Schweiz und in Italien unterhält, angeblich auch zu einem Schweizer Bankkonsortium, das zur Versteigerung gelangende Liegenschaften von NS-Parteigängern aufkaufen soll. Eine Schlüsselrolle kommt hier Dr. Franz Albertini zu, dem Mitbegründer und Leiter einer Privatkrankenanstalt in Spittal an der Drau; zu den Eingeweihten zählen auch dessen Verwalterin Marie Zmölnig und deren Bruder Stefan Zmölnig sowie die Fabriksbesitzerin Maria Merlin in Dellach. Ein Zimmermädchen in Interlaken namens Edith Pippan soll in diesem geheimen Netzwerk ebenso eine Rolle gespielt haben wie die italienischen Außenhandelsfirmen A. Erker in Mailand und Mazzucato & Figli in Padua oder eine Hotelbesitzerin in Greifenburg.
Die Bundespolizeidirektion hat Globocnik im Visier:
das in Klagenfurt angefertigte Fahndungsfoto des jungen Illegalen.
Globocnik selbst, der regelmäßig Kontakt mit SS und SD im „Reich“ knüpfen muss, hält diesen „Unterstützungskreislauf“ durch zahlreiche Reisen am Leben; immer wieder benützt er Decknamen für seine Tätigkeit, insgesamt sollen es „20 oder 30“ gewesen sein. Sein bevorzugtes Reiseziel ist die NSDAP-Hilfsstelle in München; um keinen Verdacht zu erregen, wählt er den Umweg über den Flughafen S. Nicolo del Lido in Venedig, von dem aus er, wie die Beamten der Staatspolizei recherchieren, zwischen 17. Januar und 22. Oktober 1934 viermal nach München abfliegt und gleich achtmal aus München zurückkehrt. Seine Kontaktmänner in Venedig sind, wie die Ermittlungen ergeben, der erwähnte deutsche Staatsbürger Erhard Berger, dem er später seinen Reisepass übergeben haben will, und ein Italiener namens Paul Canappele, wohnhaft in Lavarone.
Im Zuge der Erhebungen im Fall Maria Bauer und Odilo Globocnik wird von den Untersuchungsbeamten auch Hubert Klausner auf seinem Besitz in Latschach am Faaker See aufgestöbert und am 17. Jänner 1935 einvernommen; zu Globocnik befragt, gibt er zu Protokoll: „Den Odilo Globocnik kenne ich noch aus der Zeit meiner Betätigung für die NSDAP. Er war damals in der Betriebszellenorganisation tätig. In der Zeit von der Auflösung der Partei bis zum Juliputsch dürfte ich den Globocnik 1 oder zweimal zufälligerweise auf der Straße oder in einem Caféhaus getroffen haben. Ob ich mit ihm längere Zeit beisammen war, kann ich nicht mehr angeben, doch dürfte dies wahrscheinlich nicht der Fall gewesen sein, da meine Klagenfurter Aufenthalte ohnehin stets von kurzer Dauer waren. Glaublich im April oder Mai 1934 unmittelbar nach den ersten schweren Sprengstoffanschlägen sprach ich mit ihm längere Zeit im Caféhaus Lerch oder auf der Straße irgendwo über die Attentate. Da er damals, ebenso wie ich, diese Anschläge verurteilte, so zog ich ihn als die Aktion Reinthallers einsetzte, trotzdem er noch ein jüngerer Mensch war, wegen seiner Gesinnung ins Vertrauen.“
Über die konkreten Untergrundaktivitäten Globocniks weiß Klausner also kaum etwas, seine Aussage lässt jedoch darauf schließen, dass Globus im Kreis seiner Parteigenossen durchaus für fähig gehalten wurde, in der illegalen Partei höhere Ämter zu bekleiden. Und sie wirft einiges Licht auf Globocniks Rolle bei der „nationalen Befriedungsaktion“ Anton Reinthallers, des späteren ersten Bundesparteiobmanns der FPÖ. Der oberösterreichische Bauer Reinthaller (1895 – 1958), ursprünglich für den Landbund tätig und seit 1930 NSDAP-Mitglied, sucht die Aussöhnung mit dem Ständestaat und tritt für ein Ende des Bombenterrors ein; in einem Komitee der „Nationalen Aktion“ will er, von Hitler zum „Führer der NSDAP in Österreich“ ernannt, alle Kräfte versammeln, die diesen Weg unterstützen. Globocnik hat also keineswegs das Image eines Polit-Rowdys und Bomben-Werfers und ist in diesem Komitee, wie die Aussage Klausners weiter zeigt, als Vertreter eines neuen „gemäßigten“ Kurses der Kärntner Nazis nicht unwillkommen: „Einige Zeit nach dem Putsch, es dürften die ersten Tage im August gewesen sein, kamen zwei Herren aus Wien zu mir nach Unteraichwald, stellten sich als Abgesandte des Ing. Reinthaller, den ich vorher persönlich noch nicht gekannt habe, vor und fragten mich, ob ich an der nationalen Befriedigung (sic!) in Österreich mitarbeiten wolle. Die Namen dieser beiden Herren sind mir nicht mehr in Erinnerung. Der eine von beiden stammt aus Oberösterreich. Die beiden waren zuerst in Klagenfurt und wurden angeblich von hier an mich gewiesen. Wer die Bekanntschaft vermittelt