Klaus-Peter Enghardt

Im Paradies des Teufels


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und unser Abfallberg war bereits wieder beträchtlich angewachsen. Wir riefen Hajo zu, dass wir wieder einmal Besuch von den „Fledermäusen“ bekämen, da stieg er vom Träger herunter, auf dem er gehockt und Dachriegel montiert hatte, und ging in unseren Brennstoffcontainer. Dort entnahm er einen Benzinkanister, goss den Inhalt über den Holzhaufen, ließ die Frauen noch ein Stück heran kommen und zündete dann das Holz an.

      Mit einem Schlag stand der Haufen in hellen Flammen und brannte lichterloh.

      Seit diesem Tag habe ich nie wieder einen Menschen so pfeilschnell durch die Wüste jagen sehen, wie unseren Hajo, von fünfzehn laut schreienden arabischen Frauen verfolgt, die dabei wütend ihre Knüppel und Brecheisen schwangen.

      Haken schlagend, gelang es Hajo endlich, einen unserer Container zu erreichen und die Tür zu verschließen. Wir mussten die Frauen sogar von der Baustelle vertreiben, sonst hätten sie Hajo verprügelt, wenn sie ihn habhaft geworden wären.

      Es hatte sich bei den Bewohnern der umliegenden Dörfer nach diesem Ereignis schnell herumgesprochen, dass am Rande des Flughafens eine Firma arbeitet, die brauchbares Holz verbrannte und wenige Tage später fuhr ein Kleintransporter vor, dessen Fahrer uns das Holz für einen geringen Obolus abkaufte und sich auch das Vorverkaufsrecht sicherte. Wir sortierten dann für ihn sogar das brauchbare Holz aus und für das empfangene Trinkgeld organisierten wir eine Feier für alle Kollegen.

      Für den folgenden Donnerstag wurden Richard und ich von ein paar Kollegen zu einer Party zu ihnen nach Bagdad eingeladen.

      Wie jeden Tag duschten wir gleich nach dem Feierabend und fuhren mit unserem Einkäufer Edgar, der in Bagdad die Post für die Kollegen abholte, in die City. Edgar nahm dabei allerdings eine andere Route als der Linienbus und fuhr mit uns einige Kilometer über die kürzlich fertiggestellte Stadtautobahn, von dort über die Omar Bin Yasir Street in Richtung Karrada. Dabei kamen wir am Gebäude der Baath Partei vorüber.

      Das war ein riesiges, prunkvolles Gebäude, auf dessen vier Ecken des Daches ich MG-Stellungen entdeckte. Edgar erklärte mir, dass diese Maßnahme bei öffentlichen Gebäuden völlig normal wäre und dass es strengstens verboten war, etwa vor der Baath Partei mit dem Auto zu wenden oder dieses Gebäude, wie übrigens auch alle anderen öffentlichen Einrichtungen, Brücken oder militärischen Objekte, zu fotografieren. Bei Zuwiderhandlung wurde sofort geschossen, im günstigsten Fall wurde man jedoch zumindest in das Gefängnis geworfen.

      Die Fahrt verlief anschließend über die vierspurige Karrada auf den Saadun und von dort in ein Wohngebiet, in dem sich die Unterkünfte für die Kollegen in Bagdad befanden. Es waren gepflegte, angemietete Häuser mit Gärten, an deren Mauern Hibiskussträucher und andere wohlriechende Pflanzen wuchsen. In den Gärten gediehen neben den verschiedensten Blumen und Pflanzen auch Kakteen und Sukkulenten. Besonders häufig war jedoch der Jasmin zu bewundern, der mit seinem betörenden Duft und seiner Pracht in kaum einem Garten fehlte.

      Da alle unsere Häuser in Bagdad von der Oberbauleitung intern nummeriert worden waren, entfiel auf das Haus, in dem wir zu Gast waren, die Nummer acht, das Haus der Oberbauleitung hatte die Nummer eins bekommen, die Häuser in Abu Ghraib die Nummern vier und fünf.

      Als wir ankamen, war bereits alles vorbereitet und wir wurden mit Gejohle empfangen. Der Koch, der die Mitarbeiter der Geschäftsleitung in Bagdad versorgte, ließ es sich nicht nehmen, für alle Kollegen zu grillen, denn er wohnte ebenfalls im Haus acht.

      Die Bratwürste und die Schweinesteaks hatten wir aus Deutschland mitgebracht, da Schweinefleisch im Irak, bis auf Ausnahmen, tabu war. Alles andere wurde in Bagdad besorgt. Neben Bier gehörten zu unserer Feier auch ein paar Flaschen Rotwein.

      Der Wein wurde von uns, entgegen den üblichen Gepflogenheiten, eisgekühlt getrunken und war auch bald alle.

      Ein Kollege fragte mich, ob ich ihn zu einem Händler begleiten würde, dessen Shop sich nur eine Straße weiter befand, um bei ihm noch ein paar Flaschen Wein zu besorgen. Ich erklärte mich dazu gern bereit.

      Der überaus freundliche Mann empfahl uns wortreich einen Beaujolais aus einer sonnigen Südhanglage Frankreichs, den er kürzlich geliefert bekommen hätte und der ausgezeichnet munden würde.

      Im Sechser-Karton könne er uns sogar einen Sonderpreis machen. Sein relativ preiswertes Angebot für diesen edlen Wein nahmen wir natürlich gerne an. Als wir dann zurückkamen, legten wir den Wein sofort in die Kühltruhe, entgegen den Empfehlungen, den Rotwein auf sechzehn bis achtzehn Grad Celsius zu temperieren, damit sich der Geschmack entwickeln kann. Wir bevorzugten jedoch gekühlten Wein. Nach einer halben Stunde war er kalt und konnte von uns genossen werden.

      Nun allerdings folgte die Überraschung. Als ich die Eiskristalle von der ersten Flasche wischen wollte, löste sich das Etikett vom „edlen“ Beaujolais und es kam ein Etikett eines irakischen Rotweins zum Vorschein.

      Der musste allerdings an einem sehr schattigen Nordhang gewachsen sein, denn er war so sauer, dass er nur unter Beimischung von zwei gehäuften Teelöffeln Zucker pro Glas genossen werden konnte. Leider war es inzwischen schon so spät, dass wir den Wein nicht mehr umtauschen konnten, da der Händler sein Geschäft längst geschlossen hatte.

      Trotz dieser kleinen Panne gab es an jenem Abend viel Spaß und die Party zog sich bis tief in die Nacht hinein.

      Richard hatte wohl zum Wein etwas zu viel Arrak getrunken, eine überaus tiefschlaffördernde Wirkung, wie sich herausstellte, denn er schlief im Gartensessel ein und war nicht mehr wach zu bekommen. Ein Spaßvogel stellte hinter Richard die Gartendusche an, aber als auch das keinen Erfolg brachte ihn munter zu bekommen, ließen wir ihn in seinem Sessel weiter schlafen und gingen zu Bett.

      Am nächsten Morgen ereilte uns dann eine Überraschung. Der Sessel war leer, von Richard weit und breit keine Spur, aber auf der Wäscheleine hing fein säuberlich, mit Wäscheklammern befestigt, Richards Geld.

      Ein-Dinar-Scheine, Fünf-Dinar-Scheine, Zehn-Dinar-Scheine und sogar ein Fünfundzwanzig-Dinar-Schein, in Euro gerechnet zum damaligen Kurs immerhin etwa der fünffache Wert, hingen neben einem Teil von Richards Wäsche. Er selbst aber war weder im Haus noch im Garten zu finden und so musste ich schließlich nach der Stärkung in einem kleinen Straßenlokal nahe der Bushaltestelle allein nach Hause fahren.

      Als Richard dann am Abend noch immer nicht aufgetaucht war, meldete ich sein Ausbleiben dem Bauleiter Kurt.

      Der Mann war schwer in Ordnung, hatte allerdings eine ganz spezielle Gedächtnisschwäche, er konnte (oder wollte) sich von den meisten Kollegen nicht die Namen merken. Deshalb sagte er der Einfachheit halber zu jedem Kollegen „Jauchenfisch“.

      Auf diese Weise hatte er selbst seinen Spitznamen bekommen. Wenn bei den Kollegen von Kurt die Rede war, dann nannten wir ihn ebenfalls „Jauchenfisch“, was keinesfalls despektierlich gemeint war. Er wusste das natürlich.

      Als ich ihm allerdings sagte, dass Richard fehle, da wusste er sofort, um wen es sich handelte, diesen Namen kannte er. Ich erfuhr, dass dies nicht Richards erste Kapriole war und er deshalb schon auf der „Abschussliste“ der Oberbauleitung stand. Bei seinem letzten Vorfall fuhr er unter Alkoholeinfluss einen Toyota Pickup zu Schrott.

      Als Richard am nächsten Morgen noch immer nicht aufgetaucht war, machte ich mir ernsthaft Sorgen.

      Auf der Baustelle angekommen, ging ich meiner Arbeit nach, doch meine Gedanken kreisten ständig um meinen Stubenkameraden. Was war da passiert und wo könnte er stecken, ohne Geld und fast ohne Kleidung.

      Gegen Mittag fuhr dann ein jordanischer Truck auf unsere Baustelle, drehte eine Runde und hielt schließlich an. Plötzlich wurde die Beifahrertür geöffnet und aus dem Fahrerhaus kletterte Richard heraus, nur mit Shorts und Sportschuhen bekleidet. Über die letzten Stunden konnte er allerdings keine Auskunft geben, angeblich hatte er einen Blackout. Er meldete sich beim Bauleiter und wurde von ihm postwendend nach Abu Ghraib in unser Haus gefahren.

      Als ich nach der Arbeit nach Hause kam, packte Richard bereits seine Koffer. Schon mit der nächsten Maschine, der Fluggesellschaft Iraqi Airways, musste er nach Deutschland zurückfliegen.

      Richard war für mich ein guter