Klaus-Peter Enghardt

Im Paradies des Teufels


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das linderte den größten Schmerz des Leidenden. Die Aussicht, ein paar Tage auszuruhen, tat ihm ebenfalls gut.

      Der Ägypter war tatsächlich krankgeschrieben worden, doch nach zwei Tagen kam er wieder vergnügt zur Arbeit.

      Allerdings war er nicht mehr dazu zu bewegen, seine alte Tätigkeit auszuüben. Ich musste mir für ihn also etwas anderes einfallen lassen und schickte ihn zu den Collies mit den Wandplatten.

      Zum Schutz vor Korrosion und um ein Zerkratzen zu verhindern, wurden diese Wandplatten mit Ölpapier geschützt, doch das schützende Papier musste vor dem Verschrauben der Platten entfernt werden. Es wurde einfach zusammengerafft und in entsprechende Boxen gestopft. Dort blieb es so lange liegen, bis sich genug Papier angesammelt hatte. Zum Abtransport wurde dann ein Lkw mit flacher Ladefläche bestellt, der das Material in eine Abfallgrube brachte. War diese Grube voll, wurde das Material angebrannt.

      An jenem Tag war es wieder einmal soweit, doch es war definitiv nicht der Tag des Ägypters.

      Der ägyptische Kollege ging am Morgen vergnügt an seine neue Arbeit, raffte große Bündel Papier zusammen und verlud sie auf den Lkw.

      Gemeinsam mit zwei ägyptischen Arbeitern verschraubten wir ein neues Wandsegment und waren in unsere Arbeit vertieft, als plötzlich wieder dieser mir inzwischen bekannte Wahnsinnsschrei erschallte.

      Wie vom Blitz gefällt, stürzte der ägyptische Arbeiter um und im Nu waren die anderen Ägypter über ihm und rissen an seiner Kleidung herum.

      Ich rannte zu dieser Gruppe und erfuhr, dass beim Verladen des Papiers eine Vogelspinne aus dem Papier direkt in dem Hemdkragen des Kollegen gefallen war, als er sich in die Höhe gereckt hatte.

      Inzwischen war die Spinne zwar schon entfernt, doch sie hatte sich zuvor natürlich ihrer Natur gemäß verteidigt und den Ägypter gebissen.

      Diesmal hatten wir riesige Mühe, den Mann in den Jeep zu bekommen.

      Er hatte vor dem Tod weniger Angst, als vor der unvermeidlichen Spritze. Seine Angst war sogar so groß, dass wir an jenem Morgen zwei Ägypter zu Hilfe nehmen mussten und auch die nur unter größter Anstrengung Kontrolle über ihren Kollegen bekamen. Mit rasender Geschwindigkeit fuhr Detlef durch die Wüste nach Falludscha. Dieser Weg war wesentlich schlechter als der über die Landstraße, aber wir machten dabei noch ein paar Minuten gut.

      Vor dem Krankenhaus angekommen, mussten wir jedoch feststellen, dass auch zwei Ägypter zu wenig waren, um den Mann aus dem Auto zu bekommen. Mit Händen und Füßen stemmte er sich gegen die Türholme und machte ein Mordsgeschrei.

      Durch diesen Krawall wurden einige Beschäftigte des Krankenhauses auf uns aufmerksam und kamen aus der Eingangstür gelaufen, um uns zu helfen. Erst eine schallende Ohrfeige einer beherzten Schwester ließ den Widerstand des Ägypters für Augenblicke brechen. Diesen Moment nutzten wir, um ihn aus dem Auto zu zerren. Ein Pfleger, zwei Schwestern und die beiden Ägypter hatten Schwerstarbeit zu leisten, um den ägyptischen Kollegen in die Ambulanz zu bringen.

      Detlef und ich beteiligten uns nicht an dem Kampf, denn das war eine interne arabische Angelegenheit, jedoch versäumten wir nicht, uns die nachfolgende Behandlung anzuschauen.

      Als sie den Mann auf den Behandlungstisch geworfen hatten, hielt jeder Beteiligte einen Arm oder ein Bein fest. Eine Schwester stellte sich so, dass der Ägypter nicht sehen konnte, was für ein Mordsinstrument von Spritze die Ärztin aufzog – übrigens dieselbe Ärztin, die den Mann bereits wenige Tage zuvor behandelt hatte.

      Die Spritze war beeindruckend und ich war von ihrer Größe überrascht. So eine Riesenspritze hatte ich zuvor noch nie gesehen, die Kanüle hatte die Stärke einer Stricknadel.

      Wahrscheinlich waren der Klinik die Injektionsinstrumente für die Humanmedizin ausgegangen und man musste nun eine Spritze zur Hilfe nehmen, mit der man sonst Dromedare impfte.

      Diese Riesenspritze wurde dem Ägypter in den Bauch gestoßen und ein wenig Schmerz verspürte ich dabei selbst.

      Als Sekunden später der animalische Schmerzensschrei verhallt war, konnten wir den bedauernswerten Patienten zum Auto tragen, der nach dieser Prozedur zu einem wimmernden Häufchen Elend zusammengefallen war. Zum Laufen war er gar nicht mehr fähig und dieses Mal glaubte ich ihm seinen Schmerz unbesehen.

      Er wurde erneut für ein paar Tage krankgeschrieben, kam dann aber nicht mehr auf unsere Baustelle zurück, sondern meldete sich bei der Arbeitsagentur in Bagdad.

      Der nächste Arbeitstag begann wie immer damit, dass die Sonne glutrot aus der Wüste aufstieg. Die angenehme Kühle der Nacht wich schon bald nach Arbeitsbeginn einer rasch ansteigenden Hitze.

      Jetzt war der Monat „Hizairan“ zu Ende und nun bekam ich auch den Rest meiner Frage vom Anreisetag beantwortet, wie heiß es überhaupt im Irak werden kann.

      Die Mittagstemperaturen betrugen nun im Juli zweiundfünfzig Grad Celsius im Schatten.

      Die Betonung liegt hierbei ausdrücklich auf Schatten, aber wo gibt es den in der Wüste?

      Die unsägliche Hitze war fast unerträglich, die Sonne klebte wie Leim am Firmament.

      Jeder Tag war ein neuer Kampf. Man schaute in den Himmel, und suchte eine Wolke, aber bis Ende Oktober, dem „Tashrin ith thani“ sollte es keine Wolken am Himmel mehr geben.

      Jeder war erleichtert, wenn die Mittagszeit herangekommen war und uns die Busse in unser Camp zum Mittag essen fuhren.

      Im Speiseraum war es angenehm kühl, aber unsere Körper waren so aufgeheizt, dass uns beim Essen und Trinken der Schweiß aus allen Poren brach, die Ellenbogen entlang lief und auf den Boden tropfte. Links und rechts neben jedem Sitzplatz entstanden kleine Pfützen. Nach dem Essen gingen wir in unsere Bungalows und nutzen jede Minute Pause, um uns etwas zu erholen.

      Kaum auf das Bett gelegt, war man auch schon eingeschlafen.

      Erst das Hupen der Busse schreckte uns wieder hoch. Ich hatte absolute Hochachtung vor den Busfahrern, die nie die Abfahrt verschliefen.

      Zum Feierabend wurde dann geduscht und das war der einzige Moment am Tag, an dem man etwas fror. Das lag aber nicht etwa am kalten Wasser beim Duschen, denn kaltes Wasser gab es nicht. Vielmehr lag es daran, dass man nackt und nass ins Freie ging und der eigene Körper das Wasser herunterkühlte. Dieser Augenblick brachte einen wohlig kühlen Schauer, bis das Wasser auf der Haut verdunstet war.

      Bei einem Ausflug an den Tharthar-See hatten wir endlich die Möglichkeit gefunden, baden zu können. Dieser See ist der größte im Irak und war genau einhundertzwei Kilometer von unserem Camp entfernt.

      Nach einer Stunde Fahrzeit war der See erreicht.

      Vorbei an Falludscha, über den Euphrat, dessen Brücken in der Stadt mit jeweils zwei Flak-Stellungen gesichert wurden, ging es eine Schnellstraße entlang direkt bis an den See.

      Wir fuhren nun fast täglich zu diesem See, denn sein Wasser war herrlich klar und es gab mitunter auch schöne Wellen.

      Nach dem Baden hielten wir in Falludscha an, um noch ein erfrischendes Eis zu essen. Weil es so schön bequem war, hatte ich die Badehose gleich anbehalten und nur ein T-Shirt übergestreift.

      Ich stellte mich, wie all die anderen Kollegen, beim Eisverkäufer an, als mich eine irakische Frau, die in einen schwarzen Tschador gehüllt war, in den Hintern kniff.

      Wollte die Frau einfach nur einmal in einen knackigen Männerpopo kneifen oder war das nun Protest wegen meiner knappen Bekleidung?

      Ich konnte diese Frage in jenem Moment nicht beantworten.

      Da jedoch von anderen Frauen, die ebenfalls auf dem Gehsteig standen, unverhohlen Protest kam, denke ich, dass wohl eher die zweite Möglichkeit in Betracht zu ziehen war.

      Schließlich machte uns der Eisverkäufer klar, dass diese Art Kleidung nicht gern gesehen war. Am Strand wurde es gerade noch akzeptiert, aber bestimmt nicht bei den Menschen auf der Straße.

      Selbst wenn es mir bei dieser Hitze schwer fiel, es war das letzte