Er trug einen gewaltigen weißen Schnauzbart und war unrasiert, hatte aber lustige Augen und einen gutmütigen Gesichtsausdruck. Er bot den Touristen seine Kamele zum Reiten und zum Fotografieren an und hatte auf Wunsch, auch arabische Kleidung zur Verfügung, um die Fotos noch authentischer aussehen zu lassen.
Mit einfachsten Polaroid Kameras machten die irakischen Fotografen die ausgefallensten Fotos, indem sie das Objektiv mit Tape teilweise zuklebten, den Bildtransport blockierten und so auf einem Bild mehrere Aufnahmen machen konnten.
Ich wollte gern ein paar professionelle Fotos mit arabischer Kleidung als Souvenir mit nach Hause nehmen und suchte mir die entsprechende Kleidung aus. Schließlich entschied ich mich für ein Gewand mit üppiger Goldborte und goldener Stickerei und dem dazugehörenden Kopfschmuck.
Ein kostbar aussehender Gürtel und ein verzierter Säbel rundeten das Bild ab.
Meine dunklen Haare und mein gezwirbelter Schnauzbart passten perfekt zu der Kostümierung.
Vor dem Bogen des Khosrow
Als ich die Kleider angelegt hatte, ging ich zu dem Kamel, um aufzusitzen. Das war übrigens bei einem Kamel gar nicht so einfach, vor allem, wenn das Kamel schon oft zum Auf- und Absteigen beansprucht wurde.
Da das bei meinem Kamel glücklicherweise noch nicht der Fall war, ließ es sich mit einem Tritt gegen das linke Vorderbein von dem Kamelführer, den man „Kabashi“ nennt, überreden, sich hinzuknien, damit ich aufsteigen konnte. Als sich das Kamel dann erhob und ein paar Meter lief, erklärte sich für mich der Begriff „Wüstenschiff“. Beim Aufstehen des Tieres wäre ich schon beinahe nach hinten heruntergefallen. Durch den wankenden Gang wurde ich hin und her geschüttelt, wie auf einem Dampfer bei Seegang.
Ich ritt ein paar Meter und ließ dabei einige Fotos machen. Als ich dann absitzen wollte, knickte das Kamel urplötzlich so in den Vorderbeinen ein, dass ich mich nur mit aller mir in wenigen Minuten angeeigneter Reitkunst an den Zügeln und am Fell festklammern konnte, um nun nicht nach vorn herunterzufallen.
Ich hatte den Ritt aber gut überstanden und ging mit der Zustimmung des Kamelführers hinüber zum Palast, um mich auch dort noch einmal in den Kleidern fotografieren zu lassen. Als ich für meine Kollegen zum Gaudi theatralisch zum Bogen des Khoshrow schritt, um davor abgelichtet zu werden, bemerkte ich zunächst gar nicht die staunenden Blicke der Touristen, als ich es jedoch registrierte, dass ich wegen meiner prächtigen Kleidung so angestaunt wurde, machte ich mir den Spaß, ein wenig wie ein Emir herumzustolzieren und ich muss sagen, dass mein Auftritt seine Wirkung nicht verfehlte und mein Konterfei wohl in manchem japanischen Fotoalbum gelandet sein dürfte.
Die Wirkung war grandios und als ich meine Kleider wieder ablegte und darunter Jeans und T-Shirt zum Vorschein kamen, gab es ein Riesengelächter. Auch die anwesenden japanischen Touristen hatten mir meine Mogelei nicht übel genommen.
Vom Park aus gelangte man innerhalb weniger Minuten zu einem kleinen Dorf direkt am Tigrisufer. Dort gab es durch die Nähe des Wassers langgezogene Palmenhaine, in deren Schatten kleine Häuser, mit meist flachen Dächern, Schutz suchten.
Es waren die typischen weiß gekalkten Lehmziegelhütten, die nicht sehr groß waren, aber trotzdem für eine große Familie Platz bieten mussten.
Um die Häuser herum bot sich uns ein Pflanzenreichtum dar, den man schon von weitem riechen konnte.
Vor den Häusern saßen alte Männer auf wackeligen Schemeln im Schatten riesiger Dattelpalmen. Sie rauchten und schauten den Frauen bei der Arbeit zu, Kinder spielten mit dem Ball und durch das Dorf tollten Hunde.
Die Nähe des Palastes und des Parks erschloss den Dorfbewohnern eine kleine Einnahmequelle, in dem sie kalte Getränke oder kleine Souvenirs verkauften oder Grillspieße aus Hammelfleisch anboten. Mit einem zweirädrigen Karren fuhren die Straßenköche zu den Plätzen, von denen sie sich den meisten Umsatz versprachen. Und wenn man einen robusten Magen hatte und die mangelnde Hygiene nicht unbedingt Anlass zum Verzicht gebot, dann konnte man für relativ wenig Geld die schmackhaften Lammspießchen oder andere Speisen genießen.
Auch Zigaretten wurden an den Mann gebracht, allerdings zu unverschämten Überpreisen.
Der Handel florierte selbst an den entlegensten Orten und war den Arabern angeboren.
Nach diesem Ausflug ging es zurück ins Camp und ich ahnte nicht im Geringsten, dass dieser erlebnisreiche Tag zugleich für mich der bisher schwärzeste Tag im Irak werden würde.
Im Camp erwartete mich in seinem Hundestall mein kleiner Freund Rommel und ich musste mich ihm nun ausgiebig widmen, sonst wäre er beleidigt gewesen. Ich ging mit ihm im Camp spazieren und bemerkte, wie die ausgewachsenen Hunde uns beobachteten. Ich achtete darauf, dass Rommel sich nicht zu weit von mir entfernte. Ein paar Mal kamen uns die Hunde gefährlich nahe und ich vertrieb sie mit gezielten Steinwürfen. Ich spürte jedoch ihre Aggressivität und zog es deshalb vor, mit Rommel lieber nach Hause zu gehen.
Am Abend fütterte ich ihn und nahm ihn vorsichtshalber für die Nacht in meinen Bungalow. Wenn er raus musste, weckte er mich ja, indem er auf mein Bett sprang, in die Decke biss und sich mit der Decke im Maul einfach fallen ließ. Ich stand dann auf, öffnete die Tür und wartete, bis er sein Geschäft erledigt hatte. Anschließend kam er wieder herein und wir schliefen weiter.
So geschah das auch in jener Nacht. Er weckte mich und ich ließ ihn hinaus, aber anstatt nach seinem Geschäft wieder herein zu kommen, wollte er mit mir spielen und tollte vor der Tür hin und her.
Ich schimpfte leise mit ihm und sagte, dass ich keine Lust hätte, jetzt in der Nacht zu toben aber er hörte nicht auf mich. Da ließ ich die Tür offen und dachte mir, dass er von selbst hereinkommen würde, wenn er sich ausgetobt hatte. Ich legte mich wieder hin und war fast eingeschlafen, als mich markerschütternde Schreie blitzartig hochfahren ließen.
Ich lief schnell hinaus, da ich das Schlimmste befürchtete, und sah gerade noch, den großen zotteligen Hund um die Ecke laufen.
Ich ging ein paar Meter und suchte Rommel. Da hörte ich ihn leise wimmern und sah ihn seltsam verkrümmt auf dem Boden liegen.
Am Hals war er blutig und als ich ihn aufheben wollte, bemerkte ich, dass wahrscheinlich durch einen Biss ins Genick seine Wirbelsäule gebrochen war. Aus seinen kleinen dunklen Kulleraugen schaute er mich an, als ob er mich bitten wollte „Hilf mir doch!“, aber ich konnte ihm nicht mehr helfen. Ich legte dem kleinen Racker meine Hand unter sein Köpfchen und sprach beruhigend auf ihn ein. Mir schossen Tränen in die Augen, weil ich wusste, dass ich das liebe Kerlchen in wenigen Minuten verlieren würde.
Ich hatte mich so sehr an ihn gewöhnt und konnte mir gar nicht vorstellen, dass sein kurzes Leben so schnell zu Ende gehen sollte. Er schaute mich traurig mit seinen braunen Knopfaugen an und unter Schütteln seines kleinen Körpers starb er in meinen Händen.
Ich hob den Hund sanft auf meine Arme und trug ihn in seinen Hundezwinger.
Am Morgen nahm ich ihn dann mit zur Baustelle und begrub ihn dort an einer schattigen Stelle hinter einem Container. Die Ägypter, die sonst den ganzen Tag auf mich einredeten, bemerkten meine Trauer und ließen mich an jenem Tag in Ruhe.
Mich hatte eine unbändige Wut gepackt und ich war fest entschlossen, auch dem Leben des schwarzen Hundes ein Ende zu bereiten. Ich lag die folgenden Abende mit einem Eisenrohr auf der Lauer, doch als ob er es geahnt hätte, ließ sich der Schwarze nicht mehr blicken.
MOHAMMED
Wenige Tage nach dem traurigen Ereignis rückte die erste Montagekolonne zu meiner Baustelle an, um die Hallen zu stellen.
Mit ihr kamen auch neue Ägypter. Unter ihnen befand sich ein älterer Mann, den eine starke Aura umgab. Sein Name war Mohammed und er sah mit seinen langen, weißen