ich noch einmal drei Flaschen Whisky, die ich an Bord gekauft hatte.
Das mag nun erschreckend viel klingen, kaum jemand trinkt pro Woche eine Flasche Schnaps, aber man trank ja nie allein und bei der Einreisefeier saßen etwa zwanzig Leute am Tisch, da flossen schon gleich zwei oder drei Flaschen durch die durstigen Kehlen. Nun galt es also, meine Schätze durch den Zoll zu bekommen.
Meine Hoffnung schwand allerdings merklich, als ich sah, wie der irakische Zoll die Koffer kontrollierte und ebenso wie bei meiner ersten Einreise den überzähligen Schnaps und die Zigaretten in große Kisten warf. Das sah so nachlässig aus, als ob es die Zollbeamten nicht interessierte, was sie da wegwarfen. Ich war mir aber inzwischen ziemlich sicher, dass die eingezogenen Waren nicht vernichtet wurden, sondern in den Besitz der Zöllner übergingen.
Als nun meine Koffer an der Reihe waren und auch ich sie öffnen musste, kam mir eine verzweifelte Idee. Ich nahm aus meiner Handgepäcktasche eine Flasche Whisky und schob sie dem Zöllner heimlich mit den Worten zu: „Please, Mister, this is a present for you.“ Er nahm die Flasche und stellte sie emotionslos unter den Gepäcktisch, klappte anschließend den Deckel des ersten Koffers auf und griff hinein. Plötzlich zog er die Hand zurück, als ob er in einen Igel gegriffen hatte, schaute mich kurz an und schob den Koffer weiter. Auch im zweiten fand er einen „Igel“ und schob auch diesen Koffer anstandslos zur Seite. Nun hatte ich zwar eine Flasche Schnaps verloren, aber acht Stangen Zigaretten und acht Flaschen Schnaps gerettet. Ich war froh, dass ich so glimpflich davongekommen war und nahm mir vor, diesen Trick bei der nächsten Einreise erneut anzuwenden. Was einmal klappt, das würde vielleicht auch öfter funktionieren.
Wichtig war allerdings, dass man bei der Einreise auf dem Airport Bagdad möglichst nüchtern, zumindest aber unauffällig auftreten sollte.
Leider beherzigten das manche Monteure nicht und deren Gepäck wurde dann natürlich besonders intensiv untersucht.
Nach diesen aufregenden Minuten hatte ich nun Zeit, mir den neuen Flughafen in Ruhe anzuschauen und der erste Eindruck war überwältigend. Der zweite allerdings auch.
Die Empfangs- und Abfertigungshalle war mit einem ungeheuren Prunk ausgestattet worden. Feinster Marmor, Wasserspiele in Glaskaskaden, vergoldete Verzierungen wohin man sah, schwere Teppiche, riesige Kristallleuchter, die an langen Seilen von der Decke hingen, es war ein Prunk wie in einem von Saddam Husseins Palästen und so war es auch gedacht. Der Reisende sollte bereits bei seiner Ankunft auf dem Flughafen den Eindruck haben, in ein Land wie aus Tausend und einer Nacht gelangt zu sein. Ich war beeindruckt. Nicht allein die Pracht im Eingangsbereich war aufsehenerregend, auch die Ausstattung im Basement mit Gaststätten, Shops, Bars und Sitzgruppen war einzigartig.
Über mehrere Etagen verliefen verschieden starke senkrechte Glasrohre, in denen Wasser sprudelte und die mit raffinierten Lichteffekten alle Blicke auf sich zogen. Licht spielte im gesamten Gebäude überhaupt eine große Rolle. Dieser Flughafen konnte sich mit den Flughäfen der bedeutendsten Metropolen der Welt durchaus messen. Entgegen bei manch anderem Flughafen wurde die Bauzeit beträchtlich unterboten, zur damaligen Zeit und erst recht zur heutigen, und dabei klammere ich die Peinlichkeit um den Berliner Flughafen BER stillschweigend aus, dessen Fertigstellungstermin noch immer ein Mirakel ist.
Ein Hinauszögern des Eröffnungstermins des Saddam Hussein International Airport hätte sicherlich die Köpfe der Verantwortlichen gekostet. Fast neige ich dazu, Gefallen daran zu finden.
Wenn man bereits im Inneren des Flughafens reichlich Anlass zum Staunen hatte, setzte sich das auch im Außenbereich fort.
Dort waren Landschaftsgestalter am Werk, die ihr Handwerk ausgezeichnet verstanden. Neben vielen Bepflanzungen mit den herrlichsten Gewächsen hatten die Gärtner auf dem gesamten Arial hunderte ausgewachsener Palmen eingesetzt.
Bei der Abfahrt vom Flughafen unterfuhr man Brücken, über die riesige Jets zur Abfertigung rollten, es war ein grandioser Anblick und zum ersten Mal sah ich eine Boeing 767 aus nächster Nähe.
Vom Flughafen wäre es gar nicht weit bis zu unserem Camp gewesen, aber wir mussten ja erst zum Passtausch.
An jenem Abend wusste ich allerdings, wohin ich anschließend fahren musste und das gab mir ein beruhigendes Gefühl.
Nach dem Passtausch und der Einteilung der Leute auf die jeweiligen Baustellen fuhren wir nämlich noch in jener Nacht in unsere Unterkunft zum Zentrallager.
Ein paar Kilometer, bevor man von der Hauptstraße zum Camp abbog, fuhr man an einem kleinen Dorf vorbei. Dieses Dorf machte einen halbfertigen Eindruck, da sich die meisten Häuser noch im Rohbau befanden. Es war ein Dorf, wie man sie sehr oft im Irak vorfand, mit denen Saddam Hussein versuchte, das Nomadisieren abzuschaffen und die Beduinen zu zentralisieren. Dazu wurden außerhalb der Städte Siedlungen im Rohbau errichtet und an die Nomadenfamilien übergeben. Für den Ausbau der Häuser mussten die Familien selbst sorgen. Einige Familien machten dann auch recht ordentliche Anwesen daraus, aber bereits in Abu Ghraib hatte ich mehrfach gesehen, dass auch Familien in den Häusern wohnten, ohne dass Fenster oder Türen eingebaut waren. Sie bereiteten ihr Essen sogar am offenen Feuer im Inneren der Häuser. An den Wänden hingen Teppiche und die Bewohner hatten die Häuser wie Beduinenzelte ausgestattet.
Es war eben nicht unkompliziert, jahrhundertelange Tradition in kurzer Zeit abzuschaffen. Da diese Familien von der Schafzucht lebten und mit ihren Herden durch das Land zogen, wurde ihnen in diesen Ansiedlungen die Möglichkeit entzogen, sich auf traditionelle Weise zu ernähren. Ackerbau war ihnen fremd, außerdem war das Land zumeist so karg, dass kaum Erträge möglich waren.
Am Dorfrand standen Schafherden, doch die Tiere waren sehr mager, da es kaum Grasland für alle Tiere gab. Und so mussten die Bewohner notgedrungen andere Erwerbsmöglichkeiten finden, um ihre Familien zu ernähren. Es war deshalb nicht verwunderlich, dass in diesen Dörfern, am Rand der Gesellschaft, der Handel mit allen möglichen Waren blühte, die allerdings meist von minderer Qualität oder illegal erworben waren.
Anders als auf den Basaren in den Städten handelten die Bewohner dieser Siedlungen mit Bier, und zwar mit Dosenbier, jedoch zu unverschämten Überpreisen. Aus welchen Quellen das Bier kam, war mir ein Rätsel, wahrscheinlich war es Schmuggelware aus Syrien, Jordanien oder der Türkei. Der Preis war dabei wohl dem Risiko geschuldet, Handel mit Alkohol außerhalb von kontrollierten Gaststätten zu treiben.
Unter den Monteuren machte im Zusammenhang mit jenem Dorf indes ein Gerücht die Runde, das zwar bisher unbewiesen war, jedoch nie verstummte.
Man erzählte sich nämlich, dass eine weitere Einnahmequelle, und die weitaus Einträglichere für die Menschen in diesen Siedlungen, die Existenz von einer Art „Peepshow“ war, die es in fast jedem Haus geben sollte.
Mädchen und junge Frauen zeigten den Ausländern angeblich in einem separaten Raum des Hauses für ein paar Dinare ihre Körper. Dazu wurden im Halbrund Stühle aufgebaut und das jeweilige Mädchen zog sich dann vor den Männern aus, die wie gierige Wölfe vor einem Kaninchen hockten.
Das war zwar entwürdigend, aber für diese Menschen eine Möglichkeit, ein wenig Geld zu verdienen und daher nahmen sie diesen Umstand auch sehr gelassen hin. Während die Mädchen im Inneren des Hauses ihren Körper zur Schau stellten, saß der Rest der Familie vor dem Haus.
Vater, Mutter, Brüder und Schwestern warteten darauf, wie viele Dinare das Mädchen inzwischen verdient hatte.
Bevor man jedoch das Haus betrat, musste jeder Gast eine Dose Bier für einen Dinar oder gar einen Dinar und einen Quarter kaufen. Ohne Bier wurde der Zutritt verwehrt.
Im Haus wurde dann noch ein weiterer Dinar abverlangt, wenn man dem Mädchen zuschauen wollte.
Für zehn Dinare waren die Mädchen bereit, sich anschließend einem Mann hinzugeben, so jedenfalls erzählten es sich die Monteure im Camp.
Bisher hatte ich allerdings noch keinen Monteur getroffen, der aus eigener Erfahrung darüber sprechen konnte, also musste ich den Gerüchten so lange Glauben schenken, bis es zu einem Beweis kommen würde.
Inzwischen waren wir im Camp angekommen. Es war fast vier Uhr morgens und ich hatte Mühe,