Peter Schmidt

Rundgang nur mit Korb


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sehen. Das Beste wird sein, wenn wir alle die Augen nach Grillbarem aufhalten, oder?« Allgemeine Zustimmung. »Notfalls trinken wir uns eben satt.« fügte Axel hinzu. Der Abendstern ging auf und der Westhimmel war damit beschäftigt, die letzten Strahlen Tageslicht zu verdauen.

      *

      Das Scheinwerferlicht des Traktors riss ein kegelförmiges Loch in die Dunkelheit. Die gestrichelte Straßenmarkierung verschwand meterweise zwischen den großen Reifen. Ernst Summkes rauchige Raspelstimme erhob sich über den Motorenkrach: »Braucht ihr für den Garten eigentlich noch ein bisschen Mist? Ich kann welchen besorgen.«

      »Im Herbst sehr gern. Dann wachsen die Erbsen im neuen Jahr besser.«

      »Melde dich einfach bei mir.«

      Sie fuhren auf den Hof. Ernst Summke brachte mit einer kurzen Handumdrehung den dröhnenden Traktor zum Schweigen.

      »Was bekommen Sie denn jetzt für die Fahrt?«

      »Gar nichts. Ist schon gut. Ich habe meinem Freund Christoph einen Gefallen getan. Wenn, dann musst du es mit ihm ausmachen.«

      »Dann erst einmal vielen Dank.«

      »Ich hatte auch meine Freude gehabt. Denn ich war schon lange nicht mehr unterwegs. Das tat auch gut.«

      »Kommen Sie eigentlich am Samstag auch zum Grillen?«

      »Also direkt eingeladen hat mich dein Kollege nicht.«

      »Dann mache ich das hiermit. Samstagabend im Garten.«

      »Samstagabend im Garten« wiederholte Summke. »Geht seinen sozialistischen Gang. Gute Nacht.«

      »Gute Nacht.«

      Als er seinen Trabant aufschloss erinnerte er sich, dass er eine Flasche Bier getrunken hatte. ›Hoffentlich passiert nichts. Das wäre ein Ding. Am Abend eines so guten Tages kann man doch schlecht in der Ausnüchterungszelle landen.‹ Er hatte etwas Großes geleistet. Und auch wenn auf dem Weg zu einer Laube mit einem schönen Garten ringsherum noch viele Untiefen lauern, war es doch zumindest ein Etappensieg. Er verwischte die Gedanken an die bevorstehenden Aufgaben wie ein Tafelschwamm die Kreide, stieg ins Auto und startete den Motor.

      *

      »Wo kommst du denn jetzt her? Hast du mal auf die Uhr gesehen?« Gerda war wütend und erleichtert zugleich. »Wir haben die Steine abgeladen und noch eine Flasche Bier getrunken.«

      »Und dann bist du noch gefahren?«

      »Ich hatte vor Aufregung vergessen, dass ich das Auto noch beim alten Summke stehen hatte.«

      »Na es ist ja alles gut gegangen.« Er umarmte sie und hob sie in die Luft: »Wir haben Gasbetonsteine für eine ganze Laube.«

      »Ich freue mich, aber versprich mir bitte, dass du mich nicht mehr so lange alleine lässt. Ich habe mir Sorgen gemacht und wusste nicht mal, wo ich dich suchen sollte.«

      »Versprochen.«

      »Großes Pionierehrenwort?« Er nahm militärische Haltung an und hob die senkrechte Handfläche über seinen Kopf: »Pionierehrenwort.«

      »Lass uns ins Bett gehen, ich bin hundemüde und morgen warten wieder zwanzig Kinder auf mich.«

      »Lass mich noch schnell die Flasche Rosenthaler Kadarka holen. Die will ich Frau Petersohn morgen als Dankeschön mitnehmen. Sie hat Sachen für uns geregelt, die sie nicht hätte regeln müssen.«

      6. Kapitel

      ZEMENT FÜR EINEN SOCKEL

      Samstag. Später Nachmittag. Aus dem Grill von Jürgen Krugmann stieg Rauch auf, verteilte sich in der Luft, wurde zusehends dünner und ging schließlich mit den rauschenden Windböen über Dächer und Baumkronen auf Reisen. Am unruhigen Wolkenhimmel stauten sich die vorhergesagten Regengüsse. Die Gartenterrasse wurde von Getümmel und Gelächter beherrscht. »Wenn es anfängt zu regnen, dann gehen wir einfach rein.« Jürgen Krugmann beruhigte seine Gäste, die ab und zu verlegen aufschauten und die Wetterlage taxierten. »Ein Glück, dass du einen überdachten Grill gemauert hast, dann kann uns gar nichts mehr passieren.« Axel packte ein paar Scheiben Kassler aus dem Wurstpapier aus und hielt sie Jürgen hin. »Halt, die Kohlen glühen noch nicht. Jetzt würde das Fleisch verbrennen. Wo hast du es denn überhaupt bekommen?« Axel pustete in das Grillfeuer und kniff die tränenden Augen zusammen.

      »Gerda hat von jemandem aus dem Haus erfahren, dass es in der Kaufhalle Grillscheiben zu kaufen gibt. Da hat sie alles Stehen und Liegen lassen und ist schnell mit dem Fahrrad hingefahren.«

      »Und so wie es aussieht, kam sie nicht zu spät.« Axel lächelte stolz: »Es stand zwar schon eine lange Schlange, aber bis zu ihr hat das Fleisch gereicht.«

      »Wie viele Scheiben hat sie denn bekommen?«

      »Also, die Verkäuferin hat sie gefragt, wie groß ihre Familie sei. Gerda war so verdutzt, dass sie wahrheitsgemäß geantwortet hat. Vier Personen. Die Verkäuferin legte also vier Scheiben ins Papier und dann kam Gerdas Galaauftritt: Sie hätte gern noch zwei Scheiben mehr, weil ihre Eltern gerade bei ihr zu Besuch wären und die auch Hunger hätten.«

      »Und hat es die Verkäuferin geglaubt.«

      »Irgendwie nicht. Sie war wohl sehr genervt, hat ihr trotzdem noch zwei Scheiben mehr mitgegeben. Super oder?«

      »Reife Leistung.«

      »Dann hat sie noch gemurmelt, dass die Eltern dann das nächste Mal mitkommen sollten. Und Gerda war so schlagfertig, dass ich immer noch schmunzeln muss.«

      »Was hat sie denn geantwortet.«

      »Meine Eltern können nur noch am Stock gehen und jeder Schritt tut ihnen weh.«

      »Und dann hat die Verkäuferin Ruhe gegeben?«

      »Irgendwie schon.«

      »Von euch kann man wirklich noch viel lernen.«

      »Und wo habt ihr die Würstchen her?«

      »Karin war unten in der Stadt beim Fleischer. Der Eigentümer ist mit ihr früher in einer Klasse gewesen.«

      »Ach und diese alten Seilschaften existieren noch?«

      »Na ich glaube, sie lässt sich bis heute gut dafür bezahlen, dass sie den Fleischermeister hat abschreiben lassen. So wie Karin erzählt, hätte der ohne ihre Hilfe die Schule bestimmt nicht so schnell beendet.«

      »Na dann habt ihr ja immer eine gut gefüllte Speisekammer.«

      »Na ganz so ist das auch nicht. Oftmals wird er ja auch nur schlecht beliefert. Aber wenn wir unseren neuen Grill einweihen wollen, ist das schon ein Grund, mal ein paar Würstchen für die Rückzahlung von schulischen Gefälligkeitsdiensten zur Seite zu legen.«

      »Das ist schon ein kleiner Luxus, wenn man ab und zu eine Aussicht auf frisches Fleisch hat.«

      »Das ist nicht das große Problem. Du kannst nur nicht planen. Es gibt schon genug Fleisch und Wurst. Nur eben nicht zu der Zeit, wo du einen Grillabend veranstalten möchtest.«

      »Da muss man also flexibel bleiben.«

      »Genau. Aber noch wichtiger als das Fleisch ist ein Grill. Verstehst du Axel, was nützt dir das beste Fleisch, wenn du es nicht grillen kannst.«

      »Und woher soll ich jetzt noch einen Grill bekommen?«

      »Da brauchst du gar nicht so weit Ausschau zu halten.«

      »Wieso?«

      »Na ich habe zum Beispiel einen Grill der Marke Eigenbau. Den haben mir die Kollegen aus deiner Brigade mal unter der Hand zusammengeschweißt.«

      »Stimmt. Schweißgeräte haben wir ja zur Genüge.«

      »Und Materialreste ebenfalls.«

      »Na dann muss ich mich in der nächsten Woche gleich mal darum