Peter Schmidt

Rundgang nur mit Korb


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nehme Heiko mit. Mal sehen, was jetzt rauskommt.«

      *

      Die Abendsonne senkte sich und die Schatten der Häuser und Bäume zogen sich in die Länge. Der Gartenspartenvorsitzende im Garten Nummer 31 zupfte am Unkraut auf dem Kohlrabibeet. Das Fehlen eines Hutes legte den Blick auf seine Glatze frei. Kein einziges Haar sollte darüber hinwegtäuschen, dass seine Kopfhaut ebenso glatt war wie seine Beete. »Guten Abend Herr Blume.« sagte er aufgemuntert. »Guten Abend Herr Blume.« schallte die Stimme von Heiko wie ein Echo hinterher. »Genosse Weber.« er tat verwundert. »Und dann auch noch mit Verstärkung.«

      »Ja, das ist mein Sohn Heiko und seine Schwester Jana ist bei der Mutter zu Hause.« Heiko hatte die Flasche Rosenthaler Kadarka in der Hand und streckte die über das Gartentor. »Einen schönen Gruß von der Mutti soll ich ausrichten und das ist für Sie.« Diesen Satz hatten sie auf der Fahrt einstudiert. Das Gesicht des Spartenvorsitzenden leuchtete als wenn es von einem Scheinwerfer bestrahlt wurde »Kommt rein. Dein Kollege Krugmann hat mir schon alles berichtet.« Jetzt wechselte er vom distanzierten Sie zum du, wie das unter Gartenkollegen so üblich war. Ein gutes Zeichen. »Ich habe noch ein Stückchen wilden Garten. Den wollte bisher keiner haben. Alle haben abgelehnt. Deswegen biete ich ihn niemandem mehr an. Aber wenn du willst, dann zeige ich ihn dir.« ›Ein Stückchen wilder Garten.‹ dachte er. ›Egal, Garten ist Garten. Welches Fleckchen Erde ist von sich aus schon kultiviert? Überall bedarf es der Intelligenz und Kraft des Menschen, den Boden fruchtbar zu machen.‹ Die Spannung knisterte wie in einem Kriminalfilm.

      Genosse Blume schaukelte so gemütlich über die Spartenwege aus Schottersteinen wie ein Kamel über den Wüstensand. »Da hinten, das Stückchen könnt ihr haben.« Er zeigte mit dem Finger auf ein Stückchen unberührte Natur. Garten Nummer 14 lag im Licht der untergehenden Sonne und träumte vor sich hin. Verwildert standen ein paar nutzlose Sträucher. Keine Beete. Kieshaufen vom Vorgänger. Ungezähmte Erde wartete darauf, urbar gemacht zu werden. ›Ein gewaltiges Stückchen Arbeit‹ dachte Axel Weber und atmete tief ein. ›Aber ein guter Start wäre es allemal. Und man kann den Garten nach seinen Vorstellungen entwerfen und formen. Schlimmer wäre ein fertiges Stückchen Land, was uns nicht gefallen würde. Man muss die Vorteile erkennen‹. Dann stellte er so etwas wie eine Bilanz auf. Verwachsene Kirschenbäume. Ausgeruhter Boden. Ein Brunnen. Zwei schiefe Rosenstöcke. Er nickte genügsam. Seine Zweifel ertranken in der Vorfreude. Eine schön gewachsene Hecke. Ein Plattenweg spaliert von Rosen. Eine Terrasse. Ein Stückchen Wiese für die Kinder zum Spielen. Erbsen, Blumenkohl, Bohnen, Spinat aus eigener Produktion. Und vielleicht, vielleicht sogar ein kleines Gartenhäuschen. »Wann können wir anfangen?« befragte er den Spartenvorsitzenden. »Heute, wenn ihr wollt.« Zwei Hände fielen ineinander, zwei Gesichter grinsten sich freundlich an. Über ihnen flogen ein paar kreischende Schwalben durcheinander und flochten einen unsichtbaren Knoten in den dämmernden Abendhimmel. Kurz darauf fuhr eine blaue Simson durch die leeren Straßen der Stadt, die zwei Fahrer und eine frohe Nachricht beförderte.

      3. Kapitel

      WERKZEUG

      Das angerostete Tor stand offen und gab den Schotterweg frei. Links Gärten. Rechts Gärten. Geradeaus der Weg. Die Sonne drückte. Windstille. Irgendwo sang eine Amsel. Sie hoben ihre Füße beim Laufen, damit die Schottersteine keinen Staub aufwirbelten. »Dort hinten, der verwachsene Garten, das ist unserer.« Seine Worte waren von Stolz und Entschlossenheit getragen, die jeden Zweifel im Keim ersticken sollten. Garten Nummer 14. Eine wilde Hecke. Ödes Durcheinander. Ein mit Kieselsteinen übersätes Stückchen Erdkruste. Gerda wirkte enttäuscht. Das Samenkorn der Euphorie war in ihr noch nicht aufgekeimt. Sie sah skeptisch über die Halde, die vor ihnen lag wie ein geplatzter Sack, aus dem alle Zuversicht entwichen war. »Kein Wunder, dass er den Garten niemand anderem angeboten hat. Dafür muss man sich ja fast schämen.«

      »Wir können ihn doch so aufbauen wie er uns gefällt« versuchte Axel zu beruhigen. »Dafür brauchst du doch eine Ewigkeit.«

      »Wir haben doch Zeit und in diesem Jahr wird es ja sowieso nichts mehr werden.«

      »Mama, ich habe einen Hühnergott gefunden. Schau mal wie groß das Loch ist.«

      »Kein Wunder, dass bei den vielen Steinen auch einer mit einem Loch zu finden ist«, flüsterte sie müde und lächelte Heiko zu, der gerade über einen Haufen Wackersteine kletterte. »Den Kindern gefällt es.« Axel versuchte Heiko und Jana mit ins Spiel zu bringen, um sie von den Vorzügen und der Notwendigkeit ihres eigenen Stückchens Land zu überzeugen. »Gib mir einfach noch ein bisschen Zeit. Ich hatte mit einem Garten und nicht mit einem Schlachtfeld gerechnet. Wenn wir Hilfe von meiner Mutter bekommen, dann werden wir uns hier schon was Schönes hinzaubern.«

      »Deine Mutter ist doch vom Fach und die kann uns bestimmt den einen oder anderen Tipp geben.«

      »Es wird schon werden.«, sagte Gerda versöhnlich, obwohl es ihr sichtlich schwerfiel. »Kann ich diese Steine mit nach Hause nehmen.« Jana hatte ihre Hosentasche voller Kieselsteine gesammelt und holte sie jetzt heraus. Gerda streichelte ihr über das Haar. »Na klar, dann sind es schon mal ein paar weniger, die uns ärgern können.« Sie lachte Axel an und gab ihm das Zeichen, dass sie wieder auf Frieden eingestellt war.

      *

      »Wir benötigen einen Plan.« Er hatte seinen Optimismus nicht vergraben und die Zweifel seiner Frau bestärkten nur seinen Tatendrang. ›Man kann erst zur Höchstform auflaufen, wenn man auf Widerstände stößt‹, hatte er als Jugendlicher in einer Zeitung gelesen. Diese Worte waren für ihn zu einem Kompass durch sein Leben geworden. Hier fanden sie wiederum einen guten Platz, um zu wirken. Sein Ziel war es, ein Fleckchen Gartenland so zu zähmen, dass es bereitwillig vervielfältigt, was man ihm anvertraut. »Wie bekommen wir die Erde fruchtbar?« Gerda entgegnete nüchtern: »Zuerst müssen die Steine und der Wildwuchs weg, dann sollten wir umgraben und ein paar Beete anlegen.«

      »Mit dem Steine Sammeln haben die Kinder ja schon begonnen.«

      »Und woher bekommen wir das Werkzeug zum Umgraben? Wir brauchen doch mindestens einen oder zwei Spaten, eine Schippe, eine Hacke und eine Harke.«

      »Ich frage Krugmann morgen früh. Der kennt sich ja aus.«

      *

      Genosse Krugmann war schon vor ihm im Betrieb. Seine ETZ stand auf dem Parkplatz neben den Fahrradständern. Aber vor der Arbeit wollte Axel ihn auch nicht schon wieder mit seinen persönlichen Problemen belagern. Er begann seine Arbeit und nahm sich vor, seinen Gartenkollegen in der Frühstückspause aufzusuchen.

      Sie begegneten sich schon auf dem Gang. »Hey Axel, Glückwunsch zu eurem Garten. Ich habe es vom Genossen Blume erfahren. Ihr seid recht mutig hat er gemeint.«

      »Ja, der Garten ist nicht unbedingt in einem optimalen Zustand, aber wir können ja alles so herrichten, wie es uns gefällt.«

      »Das denke ich auch. Und einen Eindruck hast du schon gemacht. Blume hat gesagt, wer sich an so ein Stückchen Erde herantraut, der beweist Charakter.«

      »Ja, aber um sich an das Land heranzutrauen, brauchen wir doch wenigstens ein bisschen Werkzeug, einen Spaten und eine Hacke. Du weißt nicht zufällig, wo man so etwas herbekommt?« Er kratzte sich am Kopf. »Keine Ahnung. Du kannst es bei der BHG3 versuchen. Dort ist die Chance zwar klein, aber immer noch größer als woanders. Nur dummerweise kenne ich dort niemanden, den man mal persönlich ansprechen könnte.«

      »Wo ist denn die BHG?«

      »Gleich hinter der Brücke rechts. Dann siehst du es schon.« Er sprach es für sich selber noch einmal nach: »Hinter der Brücke rechts.«

      »Aber wenn du willst, können wir auch mal schnell zusammen hinfahren. Ich habe nämlich vor einiger Zeit einen Sack Zement bestellt und soll in Abständen immer mal nachfragen, wie weit die Bearbeitung ist. Ich will mir nämlich einen massiven Grill neben die Laube mauern. Die Steine habe ich schon, aber irgendwie müssen die ja noch zusammenhalten.«

      »Wann hast du denn mal Zeit?«

      »Eigentlich nie, aber