könnt ihr eure Sachen mal bei mir unterstellen, wenn ihr wollt.«
»Das ist aber nett.« sagte er zu seinem neuen Gartennachbarn und nickte dann aufmunternd seiner Frau Gerda zu. »Wenn ihr eine Schubkarre braucht, kann ich euch gern meine ausborgen. Ich denke, sie wird momentan bei euch mehr Nutzen stiften als bei mir.«
»Nochmals danke.«
»Keine Ursache. Unter Gartenkollegen gibt es ein ständiges Geben und Nehmen zum Nutzen für alle Beteiligten.« ›Wie hieß diese Lebensform noch in der Biologie?‹ Axel grübelte und stieg tief in seine Gedanken an die Schulzeit hinab, bis es ihm endlich in den Kopf schoss: ›Eine Symbiose. Eine Lebensgemeinschaft zum gegenseitigen Vorteil.‹ Ihn umgab das wohlige Empfinden, auf einmal ein Element einer gut funktionierenden Symbiose geworden zu sein.
4. Kapitel
GERÄTESCHUPPEN ODER GARTENLAUBE
Am Montagabend kurz vor 18 Uhr betrat Axel die BHG und suchte zwischen den Verkaufsgängen nach der Verkäuferin Frau Müller. Der Geruch nach Linoleum und Holz machte sich wieder in seiner Nase breit und drängte die anderen Empfindungen zurück. Leere Regale. Neonlicht. Der Schall seiner Schritte auf dem Boden.
»Guten Abend Herr Weber.« Frau Müller hatte sich schon umgezogen und winkte ihn ins Lager hinter dem Ladentisch. »Da hinten stehen die Sachen für Sie.« Sie zeigte auf die kleine Ansammlung von Gartenwerkzeugen. Sonst war die Lagerhalle fast leer. Auf dem Boden stapelten sich ein paar Holzbretter und etwa zehn Säcke mit Gips. In den Wandregalen lagen Schraubenzieher und Tapezierbürsten. »Wir haben heute überraschend noch mal eine Lieferung von dicken Holzbrettern bekommen. Die hatten wir zwar gar nicht bestellt, aber umso mehr freut man sich über die unverhofften Sendungen aus dem Hauptlager.«
»Was machen Sie jetzt damit Frau Müller?«
»Ein paar Bretter haben wir schon in den Verkaufsraum gestellt und der Rest ist reserviert für die Bestellungen.«
»Wie lange warten denn die Leute schon darauf?«
»Vielleicht ein halbes Jahr.«
»Kann ich mich denn dann auch für so ein paar Bretter anmelden? Wir brauchen doch einen Schuppen für unser Werkzeug.«
»Also ... » sie überlegte » ... wenn wir die Bestellungen einfach nicht ausführen und auf die nächste Lieferung vertrösten, dann können Sie fünf Bretter sofort mitnehmen. Den Rest brauchen die Kollegen für ihre Verwandtschaft. Sie müssen sich die dann allerdings noch zurechtsägen, denn für einen Schuppen sind sie dann wohl doch ein bisschen zu dick.«
»Wenn das gehen würde, dann würden Sie gleich vier Menschen gleichzeitig glücklich machen.«
»Keine Ursache, unsere Kunden sind Kummer gewöhnt.«
»Ich nehme Sie gleich wieder mit nach Hause, wenn Sie wollen.«
»Gern, an Ihre Chauffeurdienste kann man sich leicht gewöhnen.« *
»In der BHG gab es gestern Holzbretter?« Jürgen Krugmann verzog schmerzvoll das Gesicht und trank den letzten Schluck seines Pausenkaffees. »Warum hast du denn nichts gesagt?«
»Ich war doch selber erst nach Ladenschluss dort.«
»Wollen wir gleich noch mal hinfahren und versuchen, was zu bekommen?«
»Ich befürchte, dass das aussichtslos sein wird. Es lagen nur noch ein paar Bretter da. Und die sollen vor allem dazu dienen, die teueren Beziehungen zu Verwandten und Freunden zu pflegen. Wozu brauchst du denn welche?«
»Eigentlich zurzeit gar nicht. Aber was man hat, das hat man eben.«
»Dann musst du dich nicht kümmern, wenn du welche brauchst.«
»Genau. Ich habe zum Beispiel neulich drei Trabantauspuffe gekauft. Die liegen jetzt bei mir im Keller.«
»Aber du hast doch gar keinen Trabant.«
»Das stimmt. Aber vielleicht bekommen wir in vier Jahren ja den Trabant, den Karin angemeldet hat. Und im Notfall kann man damit schnell klingende Münze machen, denn der eine oder andere benötigt immer mal einen Auspuff.«
»Und der hat dann wieder Sachen, die du benötigst.«
»Du hast es erfasst, Axel. Das Leben funktioniert doch frei nach der Devise: Sei zur Zeit am rechten Ort, sonst sind alle Sachen fort.«
»Ich werde in Zukunft wachsamer sein.« Jürgen Krugmann lächelte und ging wieder an seine Arbeit. Axel musste an Frau Müller und ihre selbstlose Art zu Helfen denken. Dann überlegte er, welche Tätigkeiten im Garten nach Dienstschluss heute anstanden. Er freute sich darauf, seine Erde zu pflügen und mithilfe seiner neuen Werkzeuge nutzbar zu machen.
Dietmar Schmidt saß auf der erhöhten Terrasse vor seiner Laube und schaute auf den grünen Wuchs seiner sauber angelegten Beete hinab. Der Hauch eines königlichen Throns wehte um seinen ausgesessenen Campingstuhl. Er produzierte mit seiner Zigarre Schönwetterwolken für die ganze Umgebung. »Grüß dich Axel.«
»Hallo Dietmar, kann ich mir mal mein Werkzeug holen.«
»Willst du unbedingt noch arbeiten? Na wenn das dein Wille ist, dann sollte ich mal nicht im Weg stehen.«
»Ich habe gestern fünf dicke Bretter in der BHG bekommen. So langsam könnten wir über einen eigenen Geräteschuppen nachdenken.«
»Glückwunsch, aber warum baut ihr euch denn nicht gleich eine ganze Gartenlaube? Da kann man doch die Geräte auch abstellen.«
»Woher sollen wir denn die Zutaten bekommen?«
»Ach weißt du …« er zeigte auf seine Laube » … wenn wir uns das nicht zugetraut hätten, dann stände hier auch nichts. Du musst nur immer hellwach sein und mit ein bisschen Glück, bekommst du nach und nach fast alles zusammen.«
»Aber ich habe doch noch niemals eine Maurerkelle in der Hand gehalten. Ich bin weder Tischler noch Fliesenleger oder gar ein Dachdecker.« Dietmar winkte ab und besah sich sein Gartenhaus. »Sieht man diesem Gebäude an, dass es von zwei Bürohänden errichtet wurde?«
»Nein, ehrlich nicht. Hast du das Ding allein gebaut?«
»Fast alleine und diese Hütte steht schon seit zwei Jahren, also können wir wohl nicht alles falsch gemacht haben, oder?« Nun war es Zeit für ein Lob und ein bisschen Bewunderung »Ich denke, ihr habt sogar vieles richtig gemacht.« Dietmar Schmidt räkelte sich auf seinem Thron und er wirkte in diesem Moment als ein noch mächtigeres Oberhaupt über sein Pachtland.
»Wenn ihr für das nächste Frühjahr Saatkartoffeln braucht, dann meldet euch einfach bei mir. Ich kann welche besorgen.«
»Dankeschön. Und was können wir für euch tun? Ihr könnt ja nicht immer nur uns behilflich sein.«
»Macht einfach euren Garten schön. Wir sehen lieber auf Kulturpflanzen als auf einen Dschungel. Außerdem wehen die Samen vom Löwenzahn immer zu uns rüber und gehen dann auf unseren Bohnenbeeten auf. Das sieht zwar schön aus, aber ein Gärtner erfreut sich an so einer Blume lieber, wenn sie auf einer Wildwiese weit weg von seinem Grundstück wächst.«
*
Die höheren Büsche und Sträucher hatte Axel schon besiegt. Jetzt stand er vor einer größeren Herausforderung. Er hatte sich vorgenommen, jeden Quadratzentimeter Gartenerde vom Unkraut zu befreien. Das wuchernde Durcheinander aus Disteln, Giersch, Löwenzahn und Winden systematisch auszutilgen. Er stieß mit der Grabegabel in die Erde am äußersten Gartenende. Als er den ersten Erdbatzen anhob, knackten die Wurzeln. Der Boden war ausgetrocknet und die wilden Gewächse konnten sich problemlos im Boden halten. Axel musste tiefer graben, um an die Wurzelspitzen heranzukommen. Das Tauziehen dauerte länger als gedacht. Mühsam arbeitete er sich Stück für Stück voran. Dann blickte er auf den großen Haufen Wackersteine. Sollte er die lieber mit der Schubkarre fortbringen und auf Regen warten? Eine gute Idee. Im Handumdrehen hatte er die ersten Steine mit einem leisen Knacken in