Johannes Sachslehner

365 Schicksalstage


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Strada, geboren 1584 oder 1586. Der kaiserliche Vater hat ihm eine sorgfältige Erziehung und Ausbildung zuteil werden lassen und ihm als Residenz im Jahre 1605 das Schloss in Krumau zugewiesen, das er wenige Jahre zuvor Peter Vok, dem letzten Rosenberger, abgekauft hat. Den Sommer 1606 hat der Prinz – zeigt schließlich auch er eine besondere Leidenschaft für mechanische Uhren – auf Wunsch des Vaters im niederösterreichischen Kartäuserkloster Gaming verbracht, dann kehrte Don Julius nach Krumau zurück, wo er wohl schon 1607 Margarete Pichler, die Tochter des Baders Sigmund Pichler und der Lucie Pichlerová, kennenlernte. Mit Zustimmung der Eltern zieht das Mädchen in die ehemalige rosenbergische Residenz und lebt mit dem jungen Habsburgerspross zusammen, schon bald werden aber die dunklen Seiten des offenbar an Schizophrenie leidenden Prinzen sichtbar: Es kommt zu einem Gewaltexzess, Don Julius verprügelt Margarete, verletzt sie durch Messerstiche und wirft sie schließlich, „schrecklich verhenkert und verstochen“, aus dem Schlossfenster.

       Der Schauplatz des Fenstersturzes: das Schloss in Krumau.

      Das Mädchen hat Glück, fällt auf einen Misthaufen und überlebt den „Fenstersturz“. Als der Vater Margaretes es ablehnt, sie nach ihrer Wiederherstellung neuerlich zu ihm zu bringen, lässt Don Julius den Bader ins Gefängnis werfen und droht ihm mit dem Galgen; nach fünf Wochen Haft ihres Gatten gibt schließlich die Mutter nach und führt ihre Tochter doch ins Schloss. Es ist Faschingssonntag – bereits am nächsten Tag kommt es zur Tragödie: In einem Wutanfall verletzt Don Julius einen Diener, der gerade noch fliehen kann, und erschlägt dann seine Geliebte, die er verstümmelt und zerstückelt, die Leichenteile verteilt er im Schloss.

      Das Entsetzen in den europäischen Herrscherhäusern über die Tat des „grausamen Tyrannen“ ist groß, Kaiser Rudolf II. verhängt über seinen Sohn lebenslange Haft im Krumauer Schloss. Don Julius, dessen Geisteskrankheit rasch voranschreitet und der in „Schmutz und Unordnung“ versinkt, stirbt am 25. Juni 1609; der Kommentar des Chronisten Václav Brezan: „Das Teufelein hat ihn erwürgt!“

       Der Tod des Koloman Wallisch

      Für Kanzler Engelbert Dollfuß ist es die Erfolgsmeldung im Kampf gegen die „Aufständischen“: Am 18. Februar kann der Nachrichtensprecher der RAVAG vermelden, dass der gesuchte Sozialist Koloman Wallisch, Führer der Schutzbundkämpfer in der Obersteiermark, auf den ein Kopfgeld von 5.000 Schilling ausgesetzt gewesen wäre, mit seiner Frau Paula auf der Flucht von Leoben nach Admont von der Polizei angehalten und festgenommen worden sei. Am nächsten Tag, dem 19. Februar, steht Koloman Wallisch zusammen mit dem Bezirkskommandanten des Schutzbundes Hubert Ruhs vor dem Standgericht. Die Anklage lautet auf „Aufruhr“ nach Paragraf 73 Strafgesetzbuch. Der Staatsanwalt, den es wenig kümmert, dass er einen ehemaligen Abgeordneten zum Nationalrat vor sich hat, nennt Wallisch in seiner Anklagerede „den bösen Geist von Obersteiermark“ und behauptet, dass Wallisch den Putsch von langer Hand vorbereitet habe. In seinem Schlussplädoyer, aus dem unverhüllt der Geist des Faschismus weht, fordert er den Schuldspruch, denn die „ganze Figur des Wallisch“ sei nicht nur ein Name, sondern „ein Programm“. Und: „Wallisch ist eine Eiterbeule am gesunden Volkskörper der Obersteiermark und diese muss ausgeschnitten werden, um den Volkskörper wieder gesund zu machen.“ Dann darf Koloman Wallisch seine Verteidigungsrede halten. Noch einmal skizziert der Arbeiterführer in wenigen Sätzen die Entwicklung seit der „Selbstausschaltung“ des Parlaments bis hin zum Verbot des Schutzbundes und zur offenen Bewaffnung der Heimwehr. Eindringlich weist er auf das Elend der Arbeitslosen hin, das diesen „Aufschrei der Massen“ unvermeidlich gemacht habe. Und er gibt sich keiner Illusion über sein Schicksal hin, weiß, dass er das auserkorene Opfer des Dollfuß-Regimes ist: „Ich weiß genau, dass ich verurteilt werden muss. Ich bettle nicht um Gnade und über den 19. Februar 1934 wird die Weltgeschichte, wird die Arbeiterschaft urteilen! Dieser Tag wird allerdings nicht in Ehrenlettern in der Geschichte der Leobener Justiz eingetragen sein. … Ich habe mein ganzes Leben der Arbeiterschaft gewidmet, ihr zu dienen, und zwar mit Erfolg, war mein Ideal. Weil ich ehrlich für die Arbeiter kämpfte und mit Erfolg mit ihnen tätig war, darum ist der Hass der Gegner so groß!“

      Während die Verhandlung noch andauert, wird man am Wiener Ballhausplatz schon ungeduldig. Bundeskanzler Engelbert Dollfuß kann angeblich das Todesurteil gegen Wallisch kaum abwarten – um sieben Uhr abends lässt er schließlich telefonisch beim Leobener Gericht anfragen, warum die Verhandlung gegen den Sozialistenführer so lange dauere und er noch nicht zum Tode verurteilt sei. Das Gericht beeilt sich und muss auch nicht lange beraten, es geht schon längst nicht mehr um Gerechtigkeit – das Todesurteil ist gleichsam ein Auftrag des offiziellen Österreich an die Richter. Um 20.30 Uhr wird das Urteil verkündet: Es lautet auf Todesstrafe für beide Angeklagte. Im Publikum wird Zustimmung laut – man freut sich offen. Ruhs bittet um Gnade; Wallisch lehnt dies ab, sein Verteidiger versucht es der Form halber dennoch telefonisch in Wien, wie zu erwarten ohne Erfolg. Wallisch bleibt gefasst, eine letzte Bitte bringt er noch vor: Er möchte eine Verlängerung der Frist bis zur Hinrichtung um drei Stunden und dies wird ihm auch gewährt.

       Koloman Wallisch wartet im Gefängnishof von Leoben auf seine Hinrichtung.

      Die letzten Minuten seines Lebens verbringt Konrad Wallisch im Hof des Gefangenenhauses. Exakt um 23 Uhr 40 wird er zur Hinrichtung geführt. Der Holzhof wird von Scheinwerfern beleuchtet; eine Abteilung des Bundesheers ist angetreten. Da sich in Leoben niemand gefunden hat, der bereit gewesen wäre, den Galgen aufzustellen, zwingt man Häftlinge zu dieser Arbeit. Ein Loch wird gegraben, das Todesgerüst darin fixiert. Als Henker amtiert ein Fleischhauer aus Wien namens Spitzer; schon am Nachmittag hat er in den Leobener Wirtshäusern damit angegeben, dass er „den Wallisch“ hängen werde. Von ihren Zellenfenstern aus können die gefangenen Schutzbündler sehen, wie Koloman Wallisch mit festem Schritt unter die Schlinge tritt. Als der Henker sie ihm um den Hals legt, ruft er aus: „Es lebe die Sozialdemokratie! Hoch! Freiheit!“

      Als der Leichnam in den Sarg gelegt wird, kann sich Spitzer, der Henker, einen höhnischen Kommentar nicht verkneifen. Eine Verbeugung vor dem Toten machend, feixt er: „Herr Wallisch, bei Ihnen war es mir ein ganz besonderes Vergnügen!“ Noch in der Nacht wird der Leichnam auf den Leobener Zentralfriedhof gebracht und begraben, die Spuren verwischt. Man befürchtet einen Märtyrerkult, niemand soll die Stelle kennen, doch einige Arbeiter haben die nächtliche Szene beobachtet; bereits am nächsten Morgen liegt deshalb ein Kranz auf der Grabstätte. Angehörige der Heimwehr lassen ihn wegbringen, doch gleich liegen wieder neue Blumen auf dem Grab. Daraufhin setzt man Paula Wallisch unter Druck – sie solle den Leichnam ihres Mannes einäschern lassen. Die Witwe lehnt ab. So tragen die Arbeiter weiterhin ihre Liebe und ihre Racheschwüre zum heiligen Grab des Märtyrers. „Der Hass der Besitzenden, der Hass der Reaktionäre, der ihn viele Jahre verfolgte, hatte sein Ziel erreicht.“ Erst im Jahre 2008 erhält der hingerichtete Arbeiterführer sein Denkmal: Am Leobener Koloman-Wallisch-Platz wird ein 4 Meter hohes und 1,5 Meter breites Monument des Leobener Künstlers Herbert Lerchegger aufgestellt.

       Die Erschießung Andreas Hofers

      Mantua, die alte österreichische Festung in der Lombardei, nunmehr unter französischer Herrschaft. Seit 5. Februar sitzt im Al-Vaso-Turm am sogenannten „Mühlendamm“ bei der Porta Nuova ein prominenter Gefangener: der Sandwirt Andreas Hofer, durch Verrat des Grubhofbauern Franz Raffl auf der Pfandleralm in die Hände der Franzosen gefallen. Napoleon Bonaparte, der die Niederlagen am Bergisel nicht verwinden kann, will das Blut des Tiroler Freiheitshelden fließen sehen und seine Offiziere sind willfährig: In der Nacht vom 19. auf den 20. Februar 1810 wird Andreas Hofer von einem französischen Kriegsgericht im Palazzo des Grafen von Arco-Chieppio Ardizzoni zum Tode verurteilt; die Exekution für 1 Uhr angesetzt. Die „Schuld“ des Sandwirts: Er habe nach der Proklamation vom 12. November 1809, die ja die Begnadigung aller Anführer