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Weihnachtswundernacht 4


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weshalb mein Großvater in der Adventszeit 1945 diesen Engel geschnitzt hat. Er wollte doch für seine Kinder auch eine geschmückte Weihnachtsstube haben.“

      Ganz still war es im Wohnzimmer geworden. Ich überlegte, ob es richtig gewesen war, die alten Geschichten wieder auszupacken. Falk holte tief Luft, ich sah ihm an, wie er alles in seinem kleinen Kopf verarbeitete. Aber als er dann meinte: „Na, ein Glück, dass es heute nicht mehr solche armen Leute gibt“, musste ich ihm widersprechen: „Doch Falk, auch heute gibt es mitten unter uns Flüchtlinge. Auch sie sind aus ihrem Zuhause weggelaufen. Viele vor neuen Kriegen. Und viele, weil es in ihrer Heimat nicht genug zu essen gibt oder es für sie dort zu gefährlich ist, an unseren Gott zu glauben. An den, weshalb wir überhaupt Weihnachten feiern und es einen Heiligen Abend gibt.“

      Falks Augen wurden ganz groß.

      „Heute, hier?“, fragte er.

      „Ja, Falk. So viele Fremde wie zurzeit, kamen noch nie nach Deutschland. Sie verlassen ihre Länder, weil sie vor Krieg und Armut weglaufen oder weil sie an den Gott glauben, an den auch wir glauben und dafür verfolgt und getötet werden.“

      Falk machte noch größere Augen. Ich sah ihm an, dass es mächtig in seinem Kopf brodelte.

      „Papa, meinst du die, die im Asylbewerberheim wohnen?“, wollte Falk nun wissen und man sah ihm an, dass er mächtig aufgeregt war.

      „Genau, die meine ich. Sie alle haben aus ihrer Not heraus ihr Zuhause verlassen. Hier sitzen sie nun im viel zu engen Asylbewerberheim und merken, dass viele sie hier überhaupt nicht haben wollen“, antwortete ich und fühlte mich dabei ziemlich hilflos.

      Falk, in seiner Unbeschwertheit, wie sie eben nur ein Achtjähriger haben kann, fragte mich: „Wollen wir sie denn hier haben?“ Mein Kleiner war nicht mehr klein. Ganz unverhofft konnte er unbequeme Fragen stellen.

      „Weißt du Falk, das Problem ist, viele scheuen sich davor, die vielen Fremden ‚Willkommen‘ zu heißen. Wir haben selbst genug zu tun und haben oft keine Zeit, da …“

      Mein Kleiner, der mir plötzlich so groß vorkam, meinte: „Aber über Weihnachten haben wir doch Zeit. Lass uns doch einfach nach Heiligabend ins Asylantenheim gehen. Ich hab gesehen, da wohnen auch viele Kinder. Ich würde sogar ein paar Süßigkeiten mitnehmen, um mit den Fremden zu teilen.“

      CHRISTIAN DÖRING

      3. Joes Erscheinung – Ein Engel im Chaos

       (Bühne: Tisch und Stuhl. Josephs Mutter Martha kommt im Morgenmantel mit Kaffeetasse an diesen Tisch, setzt sich, nimmt einen Schluck aus der Tasse und beginnt Richtung Publikum zu sprechen.)

      Martha: Meine Güte, war das eine Nacht! Jetzt brauche ich erst einmal einen starken Kaffee. Wahrscheinlich auch noch einen zweiten und dritten. Seit ein Uhr habe ich kein Auge zugemacht. Ich meine, es ist nicht das erste Mal, das ich nachts wach werde. Aber dann schlafe ich immer wieder ein. Nur diesmal … Ich kann es immer noch nicht glauben, was mir unser Sohn da erzählt hat. Was er mir und meinem Mann, also uns, antut.

      Joseph, wir nennen ihn eigentlich Joe, stand auf einmal bei uns im Zimmer. Nicht, was Sie denken. Der hatte keinen Albtraum oder wollte sich zum Kuscheln zu meinem Mann Simon und mir ins Bett legen. Das hat er schon Jahre nicht mehr gemacht. Ist ja immerhin schon Ende zwanzig, das Bürschchen.

      Aber was der mir da aufgetischt hat, das ließ meine Gedanken kreisen und mich kein Auge mehr zu bekommen.

      Um ein Uhr also poltert Joe mit seiner Nachtlaterne in unser Schlafzimmer, rüttelt an unserem Bett und ruft:

      „Mutter, Vater – hey, Mutter, Vater! Ich muss mit euch reden.“

      Mein Mann Simon war wohl zuerst wach und stößt mich an:

      „Hey, Martha, Joe will irgendwas von dir.“

      „Nix“, sagt der ganz schnell, „ich muss mit euch beiden reden. Über Maria und mich und unsere Hochzeit.“

      „Toll“, sage ich. „Den ganzen Abend sitzen wir zusammen und ausgerechnet jetzt willst du über dieses Thema reden. Was ist so dringend, dass du uns mitten in der Nacht wecken musst? Können wir nicht morgen früh reden?“

      „Da war jemand bei mir im Raum, ein Besucher“, meint Joe auf einmal.

      Sofort war ich hellwach. „Simon, ein Einbrecher, eine Gang“, sagte ich. „Wir sind ausgeraubt worden. Meine Juwelen. Joe, haben sie dir etwas getan, dich geschlagen?“

      „Mam“, sagte er, „lass mich ausreden.“

      „Ok“, sagte ich, „ich bin ruhig, erzähl mir von deinem Besucher.“

      „Hm, es war ein Engel.“ Pause. „Ein Engel des Herrn.“

      „Hatte ich doch richtig gerochen“, sagte ich, „der Lammbraten heute Abend roch nicht so wie sonst.“

      Und Simon fragte: „Joe, wovon redest du?“

      Und Joe wiederholte: „Vater, ein Engel des Herrn hat mich in meinem Raum besucht. Gerade eben.“

      „Woher wusstest du, dass es ein Engel ist?“, erkundigte ich mich, „hatte er Flügel?“

      „Flügel, ach Mutter, das hat man einfach gespürt“, sagte Joe, „seine Aura füllte den ganzen Raum. Er schien mir auf einmal so besonders. Irgendwie geheimnisvoll.“

      „Deine Chaosbude?“, entfuhr es mir spontan. Fand Joe aber gar nicht so witzig.

      „Ja, meine Bude“, sagte er, „und der Engel sprach über Maria und mich und das Kind, das sie gebären wird.“

      „Wozu diese Eile?“, fragte ich, „ihr seid noch nicht einmal verheiratet.“

      „Trotzdem“, meinte er, „sie ist schwanger.“

      Ich dachte, ich hör’ nicht richtig. Was werden unsere Nachbarn sagen? Unsere Stellung in der Gesellschaft! Simon ist mit unserer Zimmerei doch von den Aufträgen abhängig.

      „Joe“, sagte ich, „was hast du getan? Unmöglich. Du hast gesündigt.“

      Und dann meinte Joe, er wäre gar nicht der Vater. Wurde ja immer besser.

      Er berichtete, dass Maria ihm letzte Woche erzählte, dass sie schwanger sei. Und dass auch sie Besuch von einem Engel hatte.

      Scheint ein Nest zu sein, dachte ich.

      Na ja, jedenfalls hatte der Engel Maria wohl mitgeteilt, dass Gott sie dazu auserwählt hatte, die Mutter seines Kindes zu sein. Sie wird Gottes eigenen Sohn zur Welt bringen.

      „Und das glaubst du ihr?“, habe ich ihn gefragt.

      „So eine Blasphemie, so eine Gotteslästerung“, meinte Simon, „davon will ich nichts hören in meinem Haus.“

      Aber Joe ließ nicht locker. „Vater, Mutter“, sagte er, „glaubt mir. Ich habe genauso reagiert wie ihr. Ich dachte wirklich, sie lästert Gott. Ich habe in den letzten Tagen an nichts anderes gedacht. Und heute Morgen habe ich entschieden, dass es das Beste wäre, wenn wir unsere Verlobung lösen würden. In aller Freundschaft.“

      „Du fängst an vernünftig zu reden“, meinte Simon.

      „Ich war mir meiner Entscheidung sicher“, sagte Joe, „bis zu dieser Nacht.“

      „Der Engel“, fiel ich ihm ins Wort.

      „Ja, Mutter“, erwiderte Joe. „Er sagte mir, dass alles, was Maria mir erzählt hatte, wahr sei.“

      Er soll zu ihm gesagt haben: „Joseph aus dem Geschlecht Davids, habe keine Angst, Maria zu deiner Frau zu nehmen. Das, was in ihr wächst,