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Weihnachtswundernacht 4


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Sie wurde böse. „Lass mich schlafen. Ich habe bis in den Morgen gepaukt, und Tina hat eine Erkältung, weshalb ich zweimal aufstehen musste.“

      „Karin, wir haben eine Zusage. Es geht doch weiter!“, rief ich.

      Sie verstand nicht. Aber sie kannte mich. Ich war immer der Optimist, der leicht zu Begeisternde in der Familie, bei dem auch schnell die Fantasie überschäumte. Deshalb war sie vorsichtig.

      „Was ist denn nun?“, fragte sie.

      Weil sie schnell weiterschlafen wollte und auch musste. Ich erklärte ihr das mit der Losung. Sie sah mich erstaunt an und begriff immer noch nicht ganz.

      „Karin, ich werde mich darauf verlassen. Das ist eine Zusage. Du glaubst doch auch an Gott.“

      „Aber nicht so“, antwortete sie.

      Aber ich gab nicht auf: „Ich kann es nicht erklären. Aber wir machen es, wir verlassen uns darauf.“

      Sie sah mich an und merkte, dass ich es ernst meinte.

      „Ok“, antwortete sie.

      Ich riss einen Zettel aus meinem Notizbuch und schrieb den Spruch in Druckbuchstaben darauf. Dann klebte ich ihn an die Wand vor mir, über den Klapptisch, und fing an zu pauken. Auf einmal ging es besser.

      Der Tag und die Klausur verliefen gut.

      Aber später, als wir gegen Abend zu Hause saßen, da fing es wieder an, trübe zu werden. Nicht nur draußen, sondern auch innen drin bei uns. Wir hatten wieder Hunger und wussten nicht, wie es weitergehen sollte. Wir saßen am Klapptisch, da wurde an unsere Tür geklopft. Sicher wieder einer von den Studenten, der etwas von uns wollte. Doch als ich öffnete, stand der Mann vor uns, der Beamte, der in New York die Sache mit dem Stipendium entschied. Seine kühlen Briefe, mit denen er eine Erhöhung abgelehnt hatte, hatten in uns keine angenehmen Gefühle geweckt.

      Doch jetzt stand er in unserem Zimmer und trug zwei große Einkaufspapierbeutel im Arm, wie sie in den USA üblich sind. Er begrüßte uns freundlich, hatte aber keine Zeit, sich zu setzen, weil er gleich noch zu einer Sitzung der Universität musste.

      „Ich bin nur mal eben hier vorbei gekommen“, sagte er, „auf dem Weg vom Flugplatz. Da habe ich auch noch etwas eingekauft, damit Sie sich einen netten Abend machen können.“

      Auf einmal war es so wie Weihnachten. Und er war der Weihnachtsmann, mitten im November. Er stellte für mich eine Whiskeyflasche auf den Tisch und eine Flasche Sekt für Karin. Aber er hatte auch daran gedacht, dass wir Hunger hatten. Es gab Brot, Butter, Käse und Wurst. Für die Kinder Süßigkeiten. Sogar eine Kerze hatte er mitgebracht, damit es ein wenig feierlicher in unserer Wohnung werden würde. Ehe wir alles so richtig begriffen, war der Mann auch schon wieder weg.

      „Das ist heute das zweite Geschenk“, sagte ich. Nun nickte auch Karin.

      Wir wollten gerade mit dem Feiern beginnen, hatten den ersten Schluck schon intus und uns freundlich zugeprostet – Karin mit ihrem Sekt, ich mit dem Whiskey – da wurde wieder an unsere Tür geklopft. Aber dieses Mal kam nicht ein neuer Weihnachtsmann, sondern ein Student, der genauso wenig besaß wie wir. Der feierte mit. Dann holte er noch einen „armen Hund“, und bald war unsere Bude voll, die Flaschen leer und das Brot und der Belag in den Mägen verschwunden. Nachdem Karin noch reichlich für die Kinder reserviert hatte.

      So haben wir also unseren Familienspruch kennengelernt. Den von der offenen Tür.

      Und er hat sich immer wieder bewahrheitet. Türen sind immer wieder aufgegangen, hinter denen sich gute Wege und tolle neue Horizonte eröffnet haben.

      FRITZ PAWELZIK

      5. Torgaans Lieblingslied

      Nieselregen, Anfang Dezember, schmieriger Belag auf den Straßen. Der Parkplatz ist überfüllt, aber es gibt noch eine winzige Lücke. Stefan Berger spannt den Schirm auf und hastet zu einem Gebäude: Backsteingotik in feuchtrot.

      Warten vor dem Gittertor. Das elektronische Auge leuchtet auf, schickt sein Bild an die Pforte. Summton, Eintritt erlaubt. Die Tür öffnet sich.

      Er geht ein paar Schritte weiter, während ein Rinnsal von seinem Schirm in die Schuhe tropft. Wieder eine Klingel und wieder der Summton. Ein Warteraum mit Glaswand in der Mitte. Bestimmt kugelsicher. Es riecht nach Leberwurst und Punsch.

      „Guten Tag, ich möchte zu Ronald Torgaan. Ich heiße Stefan Berger. Mein Besuch ist angemeldet.“

      Der Mann hinter der Scheibe nickt. Zwei neugierige Augen unter einer Schirmmütze.

      „Schieben Sie bitte Ihren Personalausweis durch!“

      Sein Gesicht wird geprüft.

      „Gehen Sie quer über den Hof zu Gebäude B und klingeln Sie noch mal.“

      „Und mein Perso?“

      „Der bleibt so lange hier.“

      Es kommt ihm seltsam vor, dass man ihm, dem unschuldigen Bürger, den Ausweis abnimmt, aber mit einem Achselzucken geht er ausweislos den vorgeschlagenen Weg bis zu Gebäude B. Von einer Platane tropft es auf den Kies. Zwei Männer stehen unter einem Dach und rauchen, blicken ihm nach. Einer grinst. Gebäude B ist ein Zementquadrat, das von grünen Gittertoren abgeschirmt ist. Sechs Meter hoch. Keine Chance, darüber zu klettern. Aber immerhin grün. Zum dritten Mal klingelt er. Es knattert.

      „Ja?“ Die Stimme aus der Sprechanlage presst sich durch die Wand.

      Er wiederholt seinen Vers.

      „Warten Sie, der Pfleger kommt gleich.“

      Zwei Minuten später kommt ein Mann. Normal angezogen, hätte genauso gut Busfahrer sein können. Schlüsselklirrend öffnet er.

      „Na, dann kommen Sie mal mit!“

      Wieder eine Tür, die aufgeschlossen werden muss, danach eine zweite.

      Als ob man einen Raubtierkäfig betritt.

      Endlich in der Cafeteria, eine Insel im Meer der Schlösser, in der noch andere Straftäter mit ihren Gästen sitzen. Fenster mit Gardinen im schwedischen Stil.

      Ein Paar weiter hinten ist im Dauerkuss erstarrt. Der Pfleger nimmt ihm den Regenschirm ab.

      „Nur zur Sicherheit. Sie bekommen ihn nachher wieder.“

      Ein Mann steht auf und kommt auf ihn zu. Mittelgroß, mager, mit einem hungrigen Blick, schwarze Haare, glatt rasiertes Gesicht.

      „Hallo, Herr Berger, ich bin Ronald Torgaan. Wir haben telefoniert.“

      Berger erkennt die geschmeidige Stimme. Kurzer, trockener Händedruck. Sie setzen sich.

      „Ich habe Kaffee für Sie gemacht. Sie … trinken doch mit?“

      Berger nickt.

      „Klar. Aber nur mit Milch, ohne Zucker.“

      Torgaan gießt aus der Thermoskanne den zweiten Becher ein und sagt: „Schön, dass Sie gekommen sind. Sie sehen wie ein echter Sozialpädagoge aus: Dreitagebart, nachlässige Kleidung. Perfekt.“

      Berger grinst.

      „Bin aber mehr in der Verwaltung.“

      „Also kein direkter Kundenkontakt nach draußen?“

      „Ab und zu. Aber ich mache normalerweise keine Betreuungsarbeit vor Ort.“

      „Liegt Ihnen das nicht?“

      Der Mann ist sozial ausgehungert. Lechzt förmlich nach persönlichen Infos.

      „Nein“, sagt Berger, „was ich auf dem Amt sehe, reicht mir.“

      „Und