überhaupt gegen Geld arbeiten zu können, und wollen von daher auch außergewöhnlich tätig sein.
Es wäre verwunderlich, wenn der Einbruch der Männer in die computerisierten Büros ohne nennenswerte Kämpfe vor sich gehen sollte. Die Charakterisierung der Büroarbeit folgt durchweg Kriterien von »Weiblichkeit«: Sie ist körperlich leichte Arbeit; sie ist sauber; sie ist Tipparbeit und nicht schwer, schmutzig oder vorwiegend technisch, wie dies für Männerarbeit angemessen wäre. In unseren Gruppendiskussionen arbeiteten die männlichen Teilnehmer zunehmend eine Art Angst vor der weiteren Entwicklung der Technologie heraus. Ihre Auffassung war: Die Zukunft der Arbeit gehört den Frauen, weil die Technologie selber verweiblicht werde. Das ging bis zur Vision des »rosaroten Computers«. Solche Einschätzung wurde schließlich auf dem ideologischen Feld neutralisiert; es gab zugleich eine Umwertung der Arbeit. Am Ende einigten sie sich, Computerarbeit sei eigentlich doch nicht vorwiegend Tipparbeit, sondern eine technische Arbeit und gebühre von daher den Männern. Dieser Kampf um die geschlechtsspezifische Bedeutung von Arbeit und damit von Arbeitsplätzen findet überall statt. Es sieht so aus, als würden die Frauen ihn verlieren, wenn sie nichts Eingreifendes tun.
Die unzulänglichen Lernmöglichkeiten können in der Arbeit schlecht kompensiert werden und müssen es gleichwohl. Wir fragten in diesem Zusammenhang nach der Kooperationsmöglichkeit mit Kollegen: nach dem Einholen und der Notwendigkeit von Ratschlägen anderer. Die Antworten zeigen kulturelle Ausgrenzungen von Frauen. Während 80 Prozent von ihnen die Notwendigkeit solcher Ratschläge betonen, gibt es offensichtlich Männersolidarstrukturen der Informationsweitergabe, von denen Frauen weitgehend ausgeschlossen sind. Dabei hatten – zumindest in unserem Sample – Frauen einen eigentümlichen Einfluss auf die Solidarstrukturen überhaupt: Wo immer der Frauenanteil unter der Belegschaft hoch war, gab es kaum individuelles Konfliktlöseverhalten, während die kollektiven Formen von zuvor 20 auf 70 Prozent stiegen. Die wechselseitige Information in den Männer- und Frauennetzwerken wird übrigens von ihnen nicht als geschlechtsspezifische Solidarstruktur gesehen und nicht als spezifischer Zusammenhalt ausgesprochen. Von daher können wir wohl davon ausgehen, dass es praktisch geübte Solidarstrukturen gibt, die noch nicht als solche bewusst sind und von daher keine strategische Zielorientierung entfalten.
Der kurze Durchgang durch veränderte Arbeitsbedingungen nach der Einführung von Computern zeigte uns eine Reihe von Unverträglichkeiten, Widersprüchen, Paradoxien:
– Eine Arbeit, welche die vertikalen Hierarchien und die zwischen den Geschlechtern ermäßigen könnte, die gewissermaßen egalisierend ist, wird als verschärfte Spaltung erfahren: männliche Arbeitskulturen grenzen Frauen aus. Wo beide Geschlechter nahezu paritätisch vertreten sind, bei den Sachbearbeitern, bilden sich neue Arbeitsteilungen heraus. Frauen lassen sich abschieben oder begeben sich »von selbst« in die weniger anspruchsvollen Aufgaben oder in solche, die weniger Anerkennung finden. Sie übernehmen zudem durchweg das Blumengießen, Kaffeekochen, Kopieren, Botengänge und die Ablage.
– Die höhere Qualifikation, die als Erfordernis inzwischen allgemein anerkannt ist, wird nicht durch eine entsprechend allgemeine Ausbildung für alle vorbereitet. Zwar wird Informatik in verschiedenen Bundesländern ein Fach an allgemeinbildenden Schulen; aber auch hier sind es die Jungen, die diesen Zweig offensiv ergreifen. Zweifel an der Angemessenheit von Koedukation mehren sich.
– Arbeit, die die allgemeine Kompetenz der Arbeitenden in Bezug auf den Zugriff auf den Arbeitsprozess und die Sicht auf den Gesamtablauf erhöhen müsste, führt zu vermehrter Kontrolle von oben.
Selbst die Frage des Eigentums an Produktionsmitteln und am Produkt wird diffus. Daten- und Softwarediebstahl gehören zum Alltäglichen. Und doch hat auch diese Auflösung einer der wichtigen Säulen unserer Gesellschaft, die Unantastbarkeit des Eigentums, den Effekt verschärfter Konkurrenz.
Diese Anordnung von Paradoxien wird persönlich als Zerrissenwerden in Widersprüchen erfahren und führt zu Vereinzelung und Angst. Beides sind wesentliche Ursachen somatischer Austragungen von kulturellen Unverträglichkeiten. Unverträglich werden die Produktionsverhältnisse und in ihnen die Geschlechterverhältnisse, die Gewohnheiten, die Werte und schließlich die Identitäten der Arbeitenden selber.
In diesem Feld scheint die Fähigkeit, mit Widersprüchen umzugehen, elementar. In dem konfliktreichen Feld von Frauen, Männern und Computern fanden wir schließlich in den verschiedenen Gruppendiskussionen einen Schlüssel für das Aufbrechen der üblichen Widerspruchseliminierung. Weiter oben war die Rede von der Gewohnheit, Widersprüche auszublenden, einseitig aufzulösen, als nicht-existent zu behaupten und dagegen eitle Harmonie zu setzen. Die Teilnehmer in unseren Diskussionsrunden zeigten eine große Anstrengung und Übung darin, die Widersprüche zu bestreiten. Dieses Anstrengen war zumeist gegen Begreifen gerichtet und damit gegen Veränderung. Diese Verhinderungsarbeit wurde in unseren Diskussionen von Männern wie von Frauen geleistet. Wir setzten Widersprüche; sie überboten sich, sie wieder hinauszubugsieren: durch Verwandlung in einfache Unterschiede, durch die Zuschreibung von Ungleichheit in den Charakter von Einzelnen, durch Themenwechsel etc. Diese Arbeit ging reibungslos vonstatten bis zur Frage der Geschlechter. Auf unsere These, dass Computerarbeit weiblich und männlich aus entgegengesetzten Gründen sei, hoben die männlichen Gesprächsteilnehmer mit umfangreichen Reden über die Gleichheit der Geschlechter an. Sie gelangten nach relativ kurzer Zeit zu erhabenen Sätzen über den allgemeinen Menschen und seine gleichen unveräußerlichen Rechte etc. Da riss den anwesenden Frauen der Geduldsfaden:
»Ich musste mich ganz schön zusammenreißen, […] ich habe mich zurückhalten können, weil ich weiß, was ihr macht, computermäßig, und dass ihr eigentlich in den auswertenden Bereich der Computerarbeit gehört, die also zum Teil auch Frauenarbeit ist, und ihr deshalb möglicherweise keinen Unterschied seht. Ich seh da absolut und riesengroße Unterschiede zwischen Mann und Frau am Computer […] Frauen werden einfach vor diese Sachen gestellt, die kriegen die Schreibmaschine weggenommen, weil der Chef irgendwann entschieden hat, das ist rentabler« (Brosius/Haug 1987, 65).
Dieser und ähnliche Einwürfe brachten eine strategische Wende. Es änderte sich die Gesprächsstruktur – die eingreifende Frau wurde zu so etwas wie einer Meinungsführerin in der Runde; es änderte sich die Behandlung der Themen – nach dieser ersten Verneinung wurde plötzlich über alle möglichen Widersprüche klar und analytisch gesprochen. Behandelt wurden Profite, Unternehmerwillkür, Produktionsverhältnisse, Kapitalismus – in ihrem Lichte wurden die alten Fragen neu aufgenommen und zu neuen Erkenntnissen durchgearbeitet. Wir haben daraus folgende Schlussfolgerung gezogen:
Es gibt offenbar Widersprüche, die so weit ins öffentliche Bewusstsein gerückt sind, dass ihre Leugnung nicht mehr umstandslos gelingt. Der Aufbruch führt zum Begreifen auch anderer Fragen, etwa der Produktionsverhältnisse und ihrer Widersprüche. Die Weltdeutung wird konfliktreicher, klarer. Ein solcher Schlüsselwiderspruch ist das Verhältnis der Geschlechter. Er wird artikulierbar durch Frauen. Sie dulden es nicht länger, dass darüber hinweggeredet wird. Damit sind sie eine Kraft für allgemeine, ausgreifende und verändernde Handlungen.
Lehren für die Arbeitsforschung
Voraussetzung für Arbeitsforschung ist die Analyse der gesellschaftlich dominanten Bedingungen von Arbeit. Sie bestimmen nicht nur die Arbeit der Zukunft, sondern auch die Bereiche, die noch nicht betroffen sind – sei es im Tempo der Arbeit, in der Zusammensetzung der Arbeitsarten, in der Erwartungsangst für die zukünftig Betroffenen. Wesentlicher »Gegenstand« von Arbeitsforschung muss die Verarbeitungsweise, müssen die Erfahrungen der Arbeitenden selber sein. Ihre Handlungsfähigkeit zu unterstützen ist praktischer Auftrag an Arbeitspsychologie. Dabei gilt es, der Erkenntnis methodisch Rechnung zu tragen, dass die Einzelnen über mehrere, widersprüchlich zueinander organisierte »Erfahrungswelten« verfügen, deren Koexistenz ein individueller Balanceakt ist, der unter unseren Verhältnissen zumeist mit der alltäglichen Eliminierung von Widersprüchen stabilisiert wird. Wo immer Arbeitserfahrung zum Aufbruch nötigt, wird von ihr abstrahiert, nicht von der offiziellen Meinung, die zunächst doch weit weniger gewichtig scheint als die eigene Tätigkeit. Auszubauen wäre das Widerspruchsexperiment als ein Mittel, die Arbeitenden selber in den Forschungsprozess einzubeziehen. Ein analytischer Umgang mit den eigenen Arbeitsbedingungen, Aneignung statt Anpassung, scheint unter den Verhältnissen