den konstitutiven Elementen ab. Betrachten wir das Nervensystem: Es besteht aus einer Verflechtung von Nervenmechanismen. Jeder Mechanismus konstituiert in seiner schlichten Form eine Aktivität, in der Bewusstheit auftritt. Entsprechend würde das gesamte Nervensystem aus psychischer Perspektive eine komplexe Folge bewusster Zuständen darstellen. Die Bewusstheit kann mithin nicht nur im Gehirn in seiner Gesamtheit existieren, sondern muss in allen einzelnen Nervenzellen präsent sein, die das Gehirn bilden. Hierauf beruhen auch Erinnerung und Gedächtnis.68 Die Impulse verlaufen zu den Nervenzellen im Gehirn, wo sie aufgrund ihrer Stärke eine lebendige Imprägnation der Zelle bewirken, sodass der Eindruck auch nach Ende der Stimulation abgerufen werden kann. Durch die konstante Wiederholung dieser Prozesse werden die Imprägnationen so eng mit dem Zellkörper verbunden, dass sie schließlich einen inhärenten Teil des Zelllebens ausmachen, von Generation zu Generation vererbt werden und so die physiologische Grundlage mentaler Intuitionen bilden. Intuitionen bezeichnen folglich Modifikationen des Gehirns unter dem Einfluss der mentalen Entwicklung im Kontext mit der Umwelt. Jedes Gehirn repräsentiert seine eigene Stufe des Fortschritts in der Evolution. Wirken sehr viele und stark variierende Eindrücke, stellen wir eine große Vielfalt bei den Zellveränderungen und eine entsprechende Vielfalt mentaler Phänomene fest. Sind diese Eindrücke derart in den Gehirnzellen fixiert, dass Stimuli von einem anderen Teil des Gehirns aus eine Reaktion hervorrufen können, treffen wir auf einen voll entwickelten mentalen Zustand. Die mentale Entwicklung impliziert eine rezeptive Fähigkeit der Nervenzellen und ebenso die aktive Operation dieser Zellen bei den molekular bedingten Veränderungen. Diese werden, basierend auf der selektiven Fähigkeit mittels Konzentration bzw. Ausschluss durch die Zellaktivität im Kontext besonderer Eindrücke und der Fähigkeit zu deren Assoziation reguliert. Jedes dieser Elemente gründet physiologisch im Zentralen Nervensystem, die Entwicklung des Gehirns und der mentalen Kultur hängen weitgehend von angemessener Ernährung, angemessener Bewegung und korrekter Anpassung aller seiner Teile auf der Grundlage der neuronalen Stabilität ab. Die Individuen unterscheiden sich in der ursprünglichen Struktur und Konstitution des Nervensystems voneinander, was die Grundlage für die individuell unterschiedlichen Grade an Intelligenz und psychischen Initiativen bildet. Obgleich Denken und mentale Aktivität nicht als Sekretionen bezeichnet werden können, wie Cabanis behauptete, ist Denken unmöglich und mentale Aktivität eine Absurdität, betrachtet man sie getrennt von jenen Nervenprozessen, die ihre Grundlage in den chemischen, physiologischen und vitalen Veränderungen besitzen und in den Nervenzellen stattfinden. Darin liegt das Geheimnis der osteopathischen Behandlung mittels Manipulation bei mentalen Krankheiten. Die Manipulation zielt auf den Aufbau von Stabilität bei den trophischen Zuständen, indem sie die normalen Beziehungen zwischen den Zellen anpasst, die Integrität und Einheit des Nervensystems aufrechterhält und alle Dislozierungen oder Fehlanpassungen von Knochen, Muskeln usf. korrigiert, welche die neuronale Irritabilität oder Leitungsfähigkeit, den Blutkreislauf und andere ernährende Zustände stören könnten, die für die neuronale Integrität und Kontinuität notwendig sind. Durch Beseitigen jener anomalen Prozesse und Zustände, die das Nervensystem beeinträchtigen, wird dieses als Medium der mentalen Aktivität befreit – und auf diese Weise kann die Vernunft an die Stelle der Geisteskrankheit treten.
Autosuggestion ist kein Prinzip der Osteopathie, obgleich es zweifellos bei der Behandlung rein mentaler Zustände verwendet werden kann. Die wissenschaftliche suggestive Theorie ist jedoch wie jedes rationale System ganz klar Teil der Osteopathie. Doch die Osteopathie betrachtet sowohl somatische wie auch mentale Krankheiten – und sie behandelt beide jeweils aus einer somatischen bzw. substanziellen Perspektive. Die osteopathische Therapie geht daher in gewisser Weise sowohl materiell als auch psychisch vor. Autosuggestion hat nichts mit der Therapie von Erkrankungen des Körpers zu tun, weil die osteopathische Behandlung sogar bei mentalem Widerstand ausgeführt werden kann. Die Materia medica ist rein physiologisch und mithin materiell, ohne jegliche Beziehung zu Spiritismus69 oder Christlicher Wissenschaft in irgendeiner Form. In meinem Institutslabor habe ich bewiesen, dass bei Versagen oder Überschießen der Herzfunktion keinerlei Medikamentengabe notwendig ist, um die Herztätigkeit therapeutisch anzuregen bzw. zu hemmen. Anhand des radialen oder karotiden Sphygmografen bzw. des Kardiografen mit dem aufzeichnenden Kymografen haben wir zeigen können, dass sich in dem Moment, in dem die Finger auf den pneumogastrischen Nerven platziert werden, die Herztätigkeit beschleunigt und dass sie sich bei Manipulation im oberen zervikalen Bereich, dort also, wo die vegetativen Herzzentren liegen, verlangsamt. Aufzeichnungen einiger dieser sowohl im Fall eines normalen als auch im Fall eines pathologischen Herzens durchgeführte Experimente sind aufbewahrt worden.
Diarrhö und Verstopfung werden durch jene Nerven des Rückenmarks kontrolliert und korrigiert, welche die ausscheidenden und peristaltischen Prozesse in den Därmen regulieren. Was die Stimulationsfähigkeit der verschiedenen Nerven anbelangt, scheint es eine Ökonomie der Natur zu geben. Beispielsweise lassen sich die dilatierenden Fasern leichter stimulieren als die kontraktilen Fasern des vasomotorischen Systems. Die kontraktilen Fasern sind konstant aktiv, die dilatierenden nur im Notfall. Erstere unterstützen zudem die Normalisierung in Bezug auf die Blutzufuhr. Diarrhö wird durch eine mechanische Irritation oder Behinderung hervorgerufen. Die verspannte vertebrale Muskulatur in diesem Bereich führt beispielsweise zur Irritation der vasomotorischen Nervi splanchnici, die die Viszera versorgen. Als Folge davon wird die Umkleidung der Därme, sowie deren Schleimhaut gestaut oder entzündet, was mit einer beschleunigten peristaltischen Aktivität verbunden ist. Aus physiologischer Sicht besteht die erregende Ursache in der verstärkten Irritabilität jener vasomotorisch wirksamen Nerven, die aus dem unteren thorakalen Rückenmark entspringen. Um die Störung zu beseitigen, wird ein hemmender Druck im Bereich der unteren thorakalen Wirbelsäule ausgeübt. Dies bewirkt den Aufbau einer ordentlichen Stoffwechsellage.
Heilung in der Osteopathie ruht also auf den natürlichen Mitteln für Gesundheit. Gesundheit hängt ihrerseits von der harmonischen Aktivität der unterschiedlichen Teile des Systems ab. Dies gilt aber nur, wenn die Teile frei von Irritation oder Störung aufgrund irgendeiner Ursache sind, sodass alle für das Leben wesentlichen Flüssigkeiten, Kräfte und Substanzen, frei und ununterbrochen zu jedem Teil des Körpers ohne Hemmung, Widerstand, Luxation oder Dislozierung jedweder Art fließen können. Das große Gesetz des Lebens besteht in der Harmonie. Disharmonie schließt Krankheit ein und führt schließlich zum Tod. Um diese Disharmonie zu entfernen, versucht der Osteopath, jene mechanischen Störungen, die einige der normalen Funktionen beeinträchtigen, herauszufinden und neu anzupassen, um dadurch der Natur zu ermöglichen, ihr Gleichgewicht wieder zu finden und dem Patienten Gesundheit zu verschaffen. Die meisten, wenn nicht alle Krankheiten haben eine direkte Beziehung zu einer mechanischen Ursache, und die einzige Behandlung für so eine primäre Läsion besteht in ihrer mechanischen Anpassung. Sobald sich der Zustand, wie bei vielen Krankheiten, durch das Vorhandensein von Mikroorganismen verkompliziert, favorisieren wir Hüppes gegenüber Kochs Theorie, welcher annimmt, bestimmte Krankheiten werden durch spezifische Keime verursacht. Krankheit bezeichnet aber keine Funktion des Keims, sondern des erkrankten Organismus. Normale Aktivität der organischen Zellen garantiert Gesundheit, anomale Aktivität hingegen ergibt Krankheit. Dementsprechend ist Krankheit das Ergebnis einer anomalen funktionellen Aktivität, die sich (1) aus bestimmten äußeren Gegebenheiten und (2) bestimmten inneren somatischen Gegebenheiten ergibt, worin das Vorhandensein der Bakterien eingeschlossen ist.
Bei den inneren Gegebenheiten handelt es sich aus unserer Sicht auch um die schon dargelegten Anomalien, die zu einem fehlernährten Zustand bestimmter Organe des Körpers führen. Diese Fehlernährung schafft erst die Voraussetzungen für bakterielle Ablagerung, Entwicklung und Ernährung. Sobald es eine Behinderung des freien Flüssigkeitskreislaufs und des freien Nervenstroms gibt, besteht ein idealer Nährboden für solche Keime, die sich zu vervielfältigen beginnen und auch toxische Substanzen ausscheiden. Die osteopathische Therapie versucht die mechanische Behinderung zu verringern, um zu verhindern, dass die Keime einen entsprechenden Kulturbereich vorfinden. Und sofern ein solcher bestanden hat, führt sie ein reiches Angebot frischen Blutes zu, dessen Leukozyten aktiv werden, um die Krankheitskeime zu zerstören. Frisches Blut, frische Lymphe und frische zerebrospinale Flüssigkeit stellen drei Antiseptika dar, die von der Natur dem Maschinisten zur Verfügung gestellt werden, um Mikroorganismen zu behandeln. Ebenso dienen sie dazu, eine ernährende Grundlage für die Wiederherstellung der normalen lokalen Ernährung zu bilden. Alle Entzündungskrankheiten