John Martin Littlejohn

Das große Littlejohn-Kompendium


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des Kranken tun würde, wenn sie die Kraft dazu besäße. Den Nerven wird neues Leben verliehen, ohne dabei die schwindenden Energien des Patienten irgendwie zu belasten. So wird das gesamte System regeneriert, und der Kranke erhält Kraft, um die Schlacht neu aufzunehmen, bis die Krise überstanden ist und seine eigene Kraft ausreicht, um ihn ins Rekonvaleszentenstadium zu bringen.

      Die Verfechter dieser neuen Behandlungsmethode behaupten auch, dass man durch sie der Entdeckung des Quells ewiger Jugend näher gekommen sei als durch die Anwendung aller sonstigen bislang bekannten Mittel. Durch Massieren der Nerven kann man bei alten Menschen das Blut dazu bringen, mit erneuter Kraft durch die Adern zu kreisen, erschöpfte Gewebe werden durch vitalisierende ersetzt und die durch Nervenkraftverlust bedingten Schwächen werden gebannt. Der trägen Zirkulation der bejahrten Person wird neues Leben verliehen, das Herz schlägt wieder kräftig und vital, die Verdauungsorgane erfüllen, befreit von der Notwendigkeit, dem Nervengewebe eine direkte Wirkung mitzuteilen, ihre Funktion mit verstärkter Aktivität. Und wer schon ,gelb und verdorrt‘ war und sich auf ein jämmerliches Alter einzustellen begann, zeigt plötzlich wieder junge Triebe.

      Es ist allerdings eine anstrengende Arbeit, die Nerven des Patienten zu massieren. Und was der Patient gewinnt, verliert der Behandler bis zu einem gewissen Grad. Selbst Ärzte, die sich der nützlichen Eigenschaften dieser ziemlich aufwendigen Behandlungsmethode durchaus bewusst sind, zögern deshalb, ihre Patienten darüber zu informieren. Die Anwendung von Nervenschwingungen nimmt nämlich beachtlich mehr Zeit in Anspruch als das Ausstellen von Rezepten. Ein Arzt, der seine Patienten durch die Anwendung dieser Methode begleitet, kann nicht mehr als acht oder 10 Fälle täglich behandeln, während Rezepteschreiben erlaubt, eine Praxis zu führen, in die täglich bis zu 80 Patienten kommen.

      Man hat vorgeschlagen, eine Institution zu gründen, die sich ausschließlich mit dem Studium und der Praxis dieses neuen Therapeutikums beschäftigt. Dort könnte man Patienten behandeln und beobachten, um den Fortschritt der neuen Wissenschaft so sicher wie möglich zu machen. Und Mediziner, die diese neue Behandlungsmethode erlernen möchten, hätten eine zentrale Einrichtung, wo sie ihre gesamte Energie auf das Studium konzentrieren können.

      Die Nervenschwingungen sind nur Praktikern wie etwa dem alten Dr. Sayre bekannt, der selbst nach dieser Methode behandelt hat. Dr. George Schoeps, Halsund Nasenspezialist, wendet die Schwingungen nach der Kauterisierung an, um die folgende Entzündung zum Abklingen zu bringen. Dr. H. V. Barclay sagt in einem Beitrag mit dem Titel Die Behandlung chronischer Herzerkrankungen durch Bäder und Bewegung, der in der Medical Times vom März 1899 erschien: ,Die Vibration über dem Bereich des Herzens und der Druck auf den Vagusnerv erfolgen, um einen gezielten Einfluss auf das Herz selbst auszuüben. Teilweise wird die Wirkung natürlich durch den Hautkontakt hervorgerufen, aber der Effekt ist derart ausgeprägt, dass es unvernünftig wäre zu leugnen, dass die Wirkung durch direkten Einfluss auf die Herzzentren sowie durch eine reflektorische Antwort der kardialen und vasomotorischen Zentren im Gehirn erzeugt wird.‘

      Zu einem falschen Schluss kam hingegen Dr. W. F. Morton mit seiner Behauptung, er könne die Nervenschwingungen durch elektrische Batterien auslösen. Dr. J. Mortimer Granville aus London beweist in seinem Buch Nervenschwingung und Erregung intelligent und schlüssig, dass das Nervengewebe zwar ein guter elektrischer Leiter ist, dass Elektrizität jedoch keinesfalls Nerven zum Vibrieren veranlassen.

      Es gibt wahrscheinlich nur einen Arzt im Land, der diese Methode umfassend anwendet und sie zu seiner Spezialität gemacht hat, wobei er sie weder durch Medikamente noch durch Elektrizität noch durch zusätzliche Massage ergänzt. Ihm verdanken wir auch das Wissen darüber. Er selbst wurde in diese Praktik eingeführt durch einen hoch angesehenen älteren Kollegen, der diese Behandlung für sich, seine Frau und zwei seiner Patienten wünschte. Mit diesen Patienten begann sein ständig wachsender Erfolg. Nach mehr als acht Jahren Praxis kann der Doktor nun stolz und wahrheitsgemäß behaupten, dass er nie einen Patienten durch Tod verloren hat. Die Behandlung erwies sich als äußerst wertvoll bei Tendenz zu Apoplexie, weil sie die Wände der kleinen Blutgefäße stärkt, die Zirkulation reguliert und dadurch jeden Schlag dieser fürchterlichen Krankheit verhindert.

      Wie mächtig die Methode ist, lässt sich beispielsweise aus jenen drei Operationsfällen in Bonn, Deutschland, ersehen, über die vor einigen Jahren in der New York Tribune berichtet wurde: Als die betreffenden Patienten nach einer Narkotisierung mit Äther und Chloroform nicht mehr zurückgeholt werden konnten, versuchte es ein Assistent 35 Minuten lang mit einer Anwendung von Nervenschwingungen über dem Herzen. Man unternahm diesen Versuch, nachdem alle anderen Bemühungen versagt hatten, und war erfolgreich: In jedem der drei Fälle wurde der Patient ins Leben zurückgebracht. Und das Herz nahm seine normale Arbeit wieder auf.

      Ein bekannter europäischer Arzt, Dr. A. Kellgren, hielt 1888 vor den Chirurgen der Kaiserlich-Österreichischen Marine in Tula eine Reihe von Vorträgen über Manuelle Nervenbehandlung (gedruckt und veröffentlicht auf Anordnung des Marinesekretärs). Er berichtete insbesondere von positiven Ergebnissen, die durch die Anwendung der Nervenschwingungen bei Lungen-, Herz- und Magenerkrankungen, bei Metriose, Endometriose, Blutungen und Atonie des Uterus, bei Neuralgie, Ischias, Migräne und Kinderlähmung, bei Leber(Gallensteinen), Nieren- und Blasenproblemen erzielt wurden. Seiner Erfahrung nach bewirkt diese mechanische Methode, die nicht von Maschinen ausgeführt werden darf, Folgendes:

      (a)Stärkung der Nervenenergie

      (b)Linderung des Schmerzes

      (c)Kontraktion der kleinen Blutgefäße

      (d)Muskelimpuls zur Kontraktion

      (e)Zunahme der Drüsensekretionen

      Es kann nicht den leisesten Zweifel geben, dass wir mit der Nervenschwingung eine äußerst mächtige Waffe gegen das Fortschreiten nahezu aller Krankheiten des Nervensystems und ein sicheres Heilmittel für diese Krankheiten besitzen. Ein weiterer Vorteil dieser Behandlung ist ihre direkte Wirkung auf das Nervengewebe, wodurch die Verdauungsorgane als Medium geschont werden.“

      Wir haben diesen Artikel ganz zitiert, um auf einige Punkte hinzuweisen.

      (1)Er veranschaulicht den zuvor erwähnten Punkt, dass es eine Tendenz zu Therapien gibt, die keine Medikamente verwenden. Dahinter steht das Bestreben, zu den Methoden der Natur zurückzukehren.

      (2)Er verdeutlicht die allgemeine Unkenntnis bezüglich der Existenz der Osteopathie und ihrer Ansprüche als Heilungssystem.

      (3)Er zeigt sehr klar den Vorteil der manuellen Manipulation, jener auf wissenschaftlicher Grundlage basierenden Methode der osteopathischen Behandlung. Der Autor zeigt auf, dass ein Bedarf besteht für diese medizinische Spezialdisziplin und ebenso für eine Schule und ein Krankenhaus, wo dieses neue Heilungssystem vor allem in Bezug auf seine richtige Anwendung erforscht und praktiziert werden kann. Im Feld gibt es bereits Hunderte von angesehenen Praktikern dieser Kunst sowie verschiedene Schulen, in denen sie als unverwechselbares System gelehrt wird.

      Der Autor scheint zu glauben, es gehe hier allein um Nervenschwingungen und die Methode bestehe in Massage. Beides trifft jedoch nicht zu. Die manuelle Manipulation wirkt

      (1)anpassend im Fall der Dislozierung eines Gewebes oder Organs;

      (2)stimulierend oder inhibierend auf jede Kraft, jede Flüssigkeit oder jedes Gewebe des Körpers.

      Die direkte oder indirekte Stimulation eines Nerven kann auf diesen Nerv, auf die Nervenzelle und – durch die Verbindung der Nervenzelle sowie über die Muskelbefestigungen der Nerven – auch auf andere Nerven eine erregende oder hemmende Wirkung ausüben. In all diesen Fällen geht es, obgleich eine Veränderung in den Schwingungseigenschaften des Nerven oder Muskels von Bedeutung sein kann, nicht allein um Schwingung, sondern auch um jene modifizierte Aktivität im betroffenen Gewebe, die zu Verminderung des Schmerzempfindens, Stärkung der Nervenkraft, Dilatation oder Kontraktion der Blutgefäße, Zunahme oder Abnahme des Rhythmus eines Organs wie Herz oder Leber, der Muskeln oder der sekretorischen bzw. metabolischen Funktionen sowie der absorbierenden Kräfte bestimmter Gewebe-, Drüsen- oder Membranzellen führt.

      Der Autor scheint überdies zu glauben, diese Idee werde lediglich von wenigen Menschen vertreten