romantische Umgebung.«
»Untersteh dich, Fritz!«, entrüstete sich die Baroness. »Du kriegst es noch fertig und reißt die schönen Häuser ab, um dort eines deiner dummen Hotels hinzubauen!«
»Man könnte ja die Fassaden stehen lassen und …«
»Hör auf, Fritz!«
»Mach dir keine Sorgen! Lieber stelle ich noch ein Hotel am Kurfürstendamm hin. Die Ecke, wo das Café Kempinski ist, wäre dazu ideal.«
Über den Pont Neuf ging es weiter auf das rechte Seineufer, und nun war es Aschinger zu viel. Er winkte ein vorbeifahrendes Taxi heran, und sie fuhren mit einer schmollenden Baroness zur Notre Dame. Dort stiegen sie neben dem Denkmal Karls des Großen aus und gingen in die Kathedrale, von der Sebastian ein wenig enttäuscht war. Gewiss, sie war riesig, und das Halbdunkel verbreitete eine feierliche Stimmung, aber das Gedränge der Touristen ließ doch keine rechte Andacht aufkommen. Da sich Aschinger weigerte, zum Dach hochzusteigen, nahmen sie erneut ein Taxi und fuhren über den Boulevard Saint-Michel an der Sorbonne vorbei zum Jardin du Luxembourg. Die Baroness musste ein paar Mal mit dem Fuß aufstampfen, ehe Aschinger ihr in den Park folgte. Sie gingen an den herrlich gefärbten Kastanien vorbei, die im goldenen Licht der Mittagssonne lagen. Vor dem großen Bassin setzten sie sich auf eine Bank und sahen den Kindern zu, die dort ihre kleinen Schiffe ins Wasser setzten. Aschinger kaufte eine Tüte Vogelfutter und beschäftigte sich mit den Tauben. Bald war ein ganzer Schwarm um ihre Bank versammelt. Die Baroness stand mit einem Seufzer auf und nahm Sebastian am Arm.
»Komm, Johnny, wir gehen einmal um das Bassin und sehen uns das Schloss an. Fritz, du kannst dich hier ausruhen«, kommandierte sie. Ehe Aschinger antworten konnte, zog sie Sebastian hoch und zum Bassin hin. »Ein goldener Herbsttag«, sagte sie andächtig, und ihr Blick streifte verträumt die Bäume. »Glaubst du, dass ich das Richtige tue?«, fragte sie unvermittelt.
»Was meinen Sie?«
»Er wird mir heute Abend einen Heiratsantrag machen. Deswegen war er bei Van Cleef & Arpels.«
»Hat er Ihnen das gesagt?«
»Nein, aber so etwas weiß eine Frau.«
Sebastian war über ihre Indiskretion erstaunt. Diese intimen Dinge gingen nicht einmal einen Privatsekretär etwas an. Wieso zog sie ihn da hinein? »Ich kann Ihnen dazu nichts sagen. Ich kenne Sie zu wenig. Fritz Aschinger mag Sie sehr, das ist jedenfalls gewiss. Und eigentlich sollten Sie mir in solchen Dingen keine Fragen stellen.«
»Ach, hör auf, Johnny, ich frage dich als Mensch. Wir sind doch im gleichen Alter! Fritz ist so seriös. Und dann der Altersunterschied! Gut, ich lasse mich von ihm verwöhnen – aber reicht das für eine Heirat? Ich habe viele andere Bewerber, doch hinsichtlich Reputation sind sie dem König von Berlin natürlich nicht gewachsen, verstehst du? Vater wäre natürlich froh und glücklich, denn eine Heirat mit dem großen Aschinger würde seine Geschäfte mit ihm absichern und wäre außerdem ein großer Prestigegewinn für die Bank. Er hat mich regelrecht bedrängt, mich mit ihm zu treffen. Und als ich ihm sagte, dass ich mit Fritz nach Paris fahre, war er schier aus dem Häuschen. Er, der sonst so auf Anstand und Sitte achtet! Das alles spielt plötzlich keine Rolle mehr. Ich komme mir vor wie ein Stück Vieh, das er an den besten Bieter verhökert, oder wie eine Geiß, die man als Köder auf die Weide stellt, damit sie den Löwen anlockt.«
»Dann verloben Sie sich doch nicht!«, rutschte es Sebastian heraus, obwohl er sich eigentlich nicht einmischen wollte und ihm dies auch wie ein Verrat an Aschinger vorkam. Hoffentlich erzählt sie ihm das nicht!, dachte er besorgt. Er würde Sebastian das nie verzeihen.
»Fritz ist gutherzig und auf eine seltsame Art naiv, fast lebensfremd. Er ist ein anständiger Mensch, erfolgreich und reich. Aber er ist manchmal auch ein bisschen langweilig, nicht wahr? Und wenn die Flitterwochen vorbei sind, wenn man sich an das Neue gewöhnt hat, dann ist es vielleicht nur noch langweilig. Dann wird mich seine Ernsthaftigkeit ersticken.«
»Fritz Aschinger ist nicht langweilig!«, versuchte Sebastian seinen Fauxpas ungeschehen zu machen. »Er ist Geschäftsmann und wird in der Firma von allen bewundert. Er ist gutmütig und spendabel. Unsere Frau Proske sagt immer, dass er eine Seele von Mensch ist.«
»Ich weiß, dass er ein guter Mensch ist, aber er hat keine Freude am Leben. Er liebt keinen Spaß und macht keine Verrücktheiten. Kannst du dir vorstellen, dass er mit mir den Kurfürstendamm heruntertanzt oder mit mir Karneval feiert?«
»Das sind doch Kindereien!«
»Ja, aber ich mag verrückte Dinge. Ich tanze gern, feiere gern, reise gern. Ich will leben.«
»Vielleicht können Sie ihn dazu bringen, das Leben ein bisschen zu genießen.«
»Himmel, ich weiß nicht, ob ich das schaffe! Ich habe Angst vor heute Abend. Er wird mir einen umwerfenden Verlobungsring überreichen. Wenn ich ablehne, schlage ich eine der besten Partien Deutschlands aus, und Vater wird verärgert sein. Sage ich zu, bin ich seine Gefangene. Dann ist in ein paar Monaten Hochzeit.« Sie sah ihn mit Tränen in den Augen an. »Sebastian, was ist richtig?«
In ihren Augen sah er Angst. Auch die reichen Mädchen hatten also ihre Probleme, stellte er fest. Aber helfen konnte er ihr wirklich nicht. Sie musste selbst entscheiden, ob sie erwachsen werden wollte. Er ahnte, dass noch am Ende dieses wundervollen Herbsttages die Erwartungen Aschingers enttäuscht und der Traum, endlich die Frau seines Lebens gefunden zu haben, sich in Luft auflösen würde.
Kapitel 9
Sie saßen im Restaurant des Ritz. Es war von Anfang an eine gespannte Atmosphäre. Sebastian wusste, wenn sich die Zweifel der Baroness nicht in Luft aufgelöst hatten, warteten auf Fritz Aschinger bittere Stunden. Ihr Gesicht hatte nichts verraten, als sie im Jardin du Luxembourg nach der Besichtigung des Schlosses zu seiner Bank zurückkamen. Als wären keine Worte des Zweifels gefallen und sie ganz von dem Herbsttag verzaubert, ließ sie es zu, dass Aschinger ihre Hand ergriff und mit ihr durch die Kastanienallee zum Ausgang des Parks ging. Sebastian war ihnen in einigem Abstand gefolgt. Dass seine Angebetete auf der Fahrt ins Hotel sehr still war, hatte Aschinger nicht einmal bemerkt. Er war nur froh, dass die Lauferei ein Ende hatte, und war schon wieder ganz in seinen Geschäften versponnen.
»Die Blumen machen den Unterschied aus. Auch wir sollten bei uns in den Hotels mehr Blumen in die Eingangshalle stellen und auch damit die Zimmer dekorieren. Wir müssen uns dazu eine passende Gärtnerei anschaffen. Schreib es auf, dass wir uns in Berlin darum kümmern!«
Dann war er mit der Baroness in seiner riesigen Suite verschwunden. Sebastian hatte sich auf seinem Zimmer in seine Bücher vertiefen können.
Nun saßen sie schweigend im Restaurant des Ritz, und das vorher so lebenslustige Mädchen schien jeden Schwung verloren zu haben. Das Restaurant mit der azurblauen Decke und den Stuckornamenten erinnerte Sebastian an eine riesige, im Meer schwimmende Muschel. Wie verzaubert sah Sebastian auf die Kristalllüster, die funkelnden Gläser und das silberne Besteck auf den Tischen, zwischen denen sich gemessen die Kellner bewegten.
Aschinger ließ es sich nicht nehmen, das Menü zusammenzustellen: Foie gras, Steinbutt – Turbot braisé au beurre blanc –, gefüllte Taube mit feiner Gemüseauswahl, dazu gab es ein Glas Sauternes zur Vorspeise, einen Pouilly fumé und einen Margaux Rothschild vom besten Jahrgang, doch vorher wurde alles mit dem Aperitif, einem Champagner von Taittinger, eingeleitet. »Dann wollen wir mal sehen, ob die Küche des Ritz ihrem Ruf entspricht!« Aschinger rieb sich die Hände und sah herausfordernd in die Runde. Doch seine hektische Röte, die Flecke auf den Wangenknochen verrieten, dass ihn auch noch ganz anderes beschäftigte.
Das Restaurant war gut besucht. Es gab nur noch einen freien Platz zu ihrer Rechten. Das Gespräch zog sich schleppend hin. Sebastian versuchte, es dadurch in Gang zu halten, dass er den Tag Revue passieren ließ.
»Am besten gefallen hat mir der Blick von der Place Concorde hoch auf die Champs Élysées zum Etoile hin. Es war, als würde man in den Himmel sehen und mit dem Arc de Triomphe das Tor zum Paradies erblicken.«
»Das kommt