einem Tag (oder länger) wurde er mit einem Stampfer oder Schlegel so lange geschlagen, bis die Risse geschlossen waren und die Oberfläche wieder feucht wurde. [7] Danach wurde die Oberfläche mit Stahlkellen, Stahlklingen, Messern, Ziehklingen oder Hobeln abgezogen, gehobelt und geschliffen.
Schlegel zum Schlagen des Gipsestrichs (Bild: Böhl nach einer Darstellung von Rolf Wihr). [7]
Trotz der schweren Verarbeitung entstanden Kunstwerke. Man unterschied bei der Herstellung von dekorativem Gipsestrich, abgesehen von der Bemalung, die schon bei den Ägyptern bekannt war, zwei Verfahren: die Inkrustationstechnik und die Skagliolatechnik.
Inkrustationstechnik
Bei der Inkrustationstechnik werden im noch nicht ganz oder im bereits erhärteten Estrich Muster ausgekratzt. Diese werden später mit anders eingefärbtem Gips wieder ausgefüllt. Die Einfärbung konnte man mit Ziegelmehl oder Holzkohle herstellen. Später wurden auch andere Pigmente verwendet. Noch erhaltene Schmuckböden dieser Art aus dem 12. bis 13. Jahrhundert finden sich z. B. in Hildesheim, Helmstedt, Erfurt, Isenburg und Quedlinburg. [7]
Gipsestrich aus Hochbrandgips in Inkrustationstechnik, Stiftskirche Bassum 13. Jahrhundert (Bild: Evangelische Kirchengemeinde Bassum).
Die Böden wurden meist auf eine kapillarbrechende Steinvorlage auf dem Baugrund verlegt. Es gibt aber auch Funde mit einer Sandbettung.
Inkrustationstechnik, Klosterkirche Isenburg; 12. Jahrhundert (Bild: Denkmalpflege Mühlhausen Huschenbeth GmbH & Co. KG).
Gipsestrich von unten. Man erkennt die Verlegung auf eine Steinvorlage. Es finden sich aber auch ein Nagel sowie Getreide und Holzstücke (Bild: Denkmalpflege Mühlhausen Huschenbeth GmbH & Co. KG).
Skagliolatechnik
Die Skagliolatechnik entstand im Zeitalter des Barock (1575 – 1770). In Italien werden diese Böden auch Marmorino genannt. Der Begriff Kunstmarmor ist zwar zutreffend, da man früher Marmor damit preisgünstig imitieren konnte. Heute ist das allerdings nicht mehr so. Gipsböden in Scagliolatechnik sind so ziemlich das Teuerste, was man heute finden kann. Die Herstellung ist auch eine ganz besondere Kunst. Der Scagliola-Boden kann es sicher nicht mit der Verschleißfestigkeit und Beständigkeit von Marmor aufnehmen. Er hat jedoch eine ganz besondere, schmeichelnde und warme Haptik.
Kombination von Inkrustationstechnik und Skagliolatechnik. Fußboden im Spielzimmer des Faforite Schlosses in Rastatt. Kunstgeschichtlich werden solche Darstellungen von scheinbar zufällig herumliegenden Dingen wie dem Schachbrett und den Spielkarten als „ungekehrter Boden“ bezeichnet. Man beachte auch die Kakerlake (unten rechts) und den Schmetterling (rechter Rand) (Bild: Staatliche Schlösser und Gärten Baden-Württemberg).
Diese Böden werden mit einem hohen Anteil von Pigmenten eingefärbt. Aus der Mischung aus Gips und Pigmenten formt man Knödel oder kleinere Riebeln, indem man die Masse durch ein grobes Sieb drückt. Die Knödel und Riebeln von unterschiedlicher Einfärbung werden so miteinander gemischt, wie die spätere Farbwirkung gewünscht wird. Einzelne Knödel können auch mit einer Mischung aus Gips und Pigmenten gewälzt (paniert) werden. Dadurch entstehen dünne Adern, wie sie auch beim Naturstein vorkommen.
Die Masse wird dann zu einer Art länglichem „Brotlaib“ zusammengeschoben und fest zusammengedrückt. Dabei kann man den Laib auch flach drücken oder verdrehen. Von diesem Laib schneidet man dann mit einem Messer, Draht oder Blech Scheiben in der gewünschten Estrichdicke ab. Diese Scheiben werden nebeneinander auf die Sandschüttung oder eine Unterschicht verlegt. Dabei verschmiert das beim Abschneiden zunächst noch sichtbare Muster.
Das Muster kommt wieder zum Vorschein, wenn die Oberfläche abgehobelt, geschliffen und poliert wird. Die Oberfläche wird dann in mehreren Arbeitsgängen mit Leinöl eingelassen und schließlich gewachst. [7]
Mischen von Gips und Wasser (Bild: Maurizio Feliziani Skagliola).
Pigmente (Bild: Maurizio Feliziani Skagliola).
Der Gips wird mit Pigmenten vermischt (Bild: Maurizio Feliziani Skagliola).
Anschließend werden aus der Gipsmasse „Knödel“ geformt (Bild: Maurizio Feliziani Skagliola).
Die „Knödel“ werden zum gewünschten Muster zusammengesetzt. Dann wird daraus ein länglicher Klumpen in der Form eines Brotlaibs geformt und fest zusammengedrückt (Bild: Maurizio Feliziani Skagliola).
Von dem Klumpen werden Scheiben in der gewünschten Estrichdicke abgeschnitten (Bild: Maurizio Feliziani Skagliola).
Die Scheiben werden nebeneinander auf den Untergrund aufgelegt. Das Muster wird dabei verschmiert (Bild: Maurizio Feliziani Skagliola).
Die Oberfläche wird nach der Erstarrung mit Hobeln, Ziehklingen usw. abgezogen. Dabei erscheint das Muster wieder. Anschließend wird geschliffen und der Boden in mehren Arbeitsgängen mit Leinöl und Wachs eingelassen (Bild: Maurizio Feliziani Skagliola).
Bei alten Gipsestrichen sieht man häufig eine Streifenausbildung am Rand. Das erfolgte ursprünglich nicht aus Gründen der Dekoration, sondern hatte technische Gründe. Da das Quellen des Gipses bei den früheren Brennmethoden nicht voraussehbar war, hat man Streifen ausgespart und später ausgefüllt (Bild: Maurizio Feliziani Skagliola).
Das fertige Werk im Palazzo Quirinale, Rom (Bild: Maurizio Feliziani Skagliola).
Skagliolaestrich (Detail) (Bild: Maurizio Feliziani Skagliola).
2.4 Schmuckfußböden aus Hochbrandgips im 19. Jahrhundert
Mit dem Barock und Rokoko war die Ära der Schmuckfußböden aus Gips nicht zu Ende. Auch im Klassizismus wurden solche Böden ausgeführt. Teilweise in Kombination mit Natursteinplatten, Mosaik und als Terrazzo. Ein gutes Beispiel dafür ist das Neue Museum in Berlin. Das zwischen 1843 und 1855 errichtete Gebäude gilt als Hauptwerk des Architekten und Schinkel-Schülers Friedrich August Stüler.
Gipsboden im Neuen Museum in Berlin nach der Restaurierung. Auch die berühmte Büste der Nofretete in der Bildmitte ist aus Gips (Bild: bpk/Achim Kleuker).
2.5 Gipsestrich im Wohnungsbau