innerhalb ihres Umfeldes als etwas „Außergewöhnliches“ kenntlich machen, ihnen eine bildliche Aussage geben. Die Vermittlung einer bestimmten Bildsymbolik war von Beginn an auch mit einer deutlichen Farbzuweisung verbunden.
Schon in der sumerischen Kultur waren bestimmte Farben dem Kosmos und den Planeten zugewiesen worden. So waren die sumerisch- babylonischen Tempeltürme (Zikkurats) mit den sieben kosmischen, planetarischen Farben geschmückt. Gold versinnbildlichte die Sonne, Silber den Mond, Dunkelrot den Jupiter, Weißgelb die Venus, Hellrot den Mars, Blau den Merkur und Schwarz den Saturn. Bemalung wies also eine bestimmte Bedeutung zu. Doch benutzte man Farben vor allem auch, um Figuren einen dynamischen bzw. lebendigeren Ausdruck zu verleihen, mithin sie natürlicher bzw. veristischer erscheinen zu lassen. Denn Farbe spricht die Sinne an. In der Folge können durch Farben bestimmte sympathische oder unsympathische Empfindungen hervorgerufen werden.
Die Farbigkeit antiker Skulpturen und Reliefs
Die ursprüngliche Vielfarbigkeit (Polychromie) von Baudenkmälern sowie von Statuen des klassischen Griechenlands und des römischen Altertums war seit dem 18. Jh. bekannt. Im 19. Jh. wurde über Art und Umfang der Farbfassungen heftig gestritten, und auch später beschäftigten sich die Fachleute immer wieder mit dieser Frage. Erst neuere Forschungen erweitern ständig unsere Kenntnisse und in Sonderausstellungen, wie beispielsweise unter dem Titel „Bunte Götter“, werden die Ergebnisse mit großer Resonanz gezeigt.
Sämtliche Völker der Antike, ob Babylonier, Assyrer, Sumerer, Perser oder Ägypter gestalteten ihre Tempel und Paläste, ihre Götter- und Menschenbildnisse in kräftigen Farben. Schon in archaischer Zeit gab es in Griechenland Tempelbauten mit farbigen Terrakottadekorationen. Seit dem 6. Jh. v. Chr. wurden Gebälk, Giebel, Triglyphen, Kapitelle sowie die Akrotere auf dem Dach der steinernen Tempel mit kräftigen Farben wie Rot, Blau und Gelb bemalt. Die unifarbigen Giebelfelder dieser Gebäude dienten als Hintergründe für polychrome Figurengruppen. Seit dem Hellenismus kamen auch Pastelltöne wie Hellblau und Rosa hinzu, um die einzelnen Formen zu unterstreichen. Die Farbpalette reichte von Zartrosa über Dunkelrot bis hin zu leuchtenden Farben wie Gelb. Die Vergoldung von Figuren war selbstverständlich üblich – ein Luxus, dem man v. a. in römischer Zeit gerne frönte. Hinzu kam, dass man den Götterstatuen zusätzlich besondere Gewänder anlegte. Die antike Literatur beschreibt diese oft als mit Purpur verziert. Obwohl die römische Kunst eigene Vorbilder in den farbigen Bau- und Bildwerken der etruskischen Kunst hatte, schöpfte sie auch aus griechischen Vorlagen. Sogar auf den Außenputz von Gebäuden trug man in Malerei ein Netzmauerwerk auf, um so dem Bau den Anschein eines Hausteinwerkes zu geben. Auch Marmorsockel, Gesimse usw. über Fenstern und Portalen wurden bemalt, wobei zur Verlebendigung der Architektur zusätzlich verschiedenfarbige und unterschiedliche Baumaterialen verwendet wurden. Den Tempel des Iuppiter auf dem Kapitol zierten entsprechend seiner Bedeutung sogar vergoldete Dachziegel, selbst die Kapitelle und Basen der Säulen glänzten in der Farbe des Goldes. Das berühmte Pantheon in Rom war einst mit vergoldeten Platten bedeckt und die innere Kassettendecke farbig bemalt.
Wie die Bauwerke dieser Epoche wurden auch die Skulpturen mit kräftigen Farben bemalt. Selbst Hell-Dunkel-Abstufungen innerhalb einer Farbe wurden eingesetzt, um die Formen zu unterstreichen und beispielsweise den Faltenwurf der Kleidung authentischer zu gestalten. Mit getönten Wachsschichten wurden Hautpartien bestrichen, um diese lebendiger erscheinen zu lassen. Der Augapfel antiker Figuren konnte nicht nur gemalt, sondern auch aus Emaille oder Edelsteinen geschaffen sein. Die kleinen Vertiefungen in den Augäpfeln antiker Marmorfiguren zeugen heute noch von einst eingefügten Materialien. Selbst Augenwimpern konnten künstlich eingesetzt sein. Gerade die Ausgrabungen in Pompeji und Herkulaneum belegen die Farbigkeit römischer Bauwerke und Skulpturen. Selbst die Farben für Metall konnten dargestellt werden. Um den Glanz des Metalls in die farbige Skulptur einzubinden, wurden Blattvergoldungen und Auflagen von silberfarbenen Zinnfolien angewendet. Der Metallglanz stellt einen Kontrast zur Farbfassung der Figuren her und rundet deren Wertigkeit ab. Welch einen Eindruck müssen die antiken Reliefs und Skulpturen einstmals geboten haben?
Aus einer Anekdote, die Plinius der Ältere überliefert, lässt sich die Bedeutung der Farbe für die antike Skulptur ablesen. So fragte man den berühmten Bildhauer Praxiteles, welche seiner Marmorstatuen ihm am besten gefallen würden. „Diejenigen, an die Nikias (ein damals berühmter Maler) Hand angelegt hat“, soll der Meister geantwortet haben. Auch folgendes Zitat aus der antiken Literatur belegt, dass Statuen bemalt waren:
„Mein Leben und mein Schicksal sind ein Grauen. Daran trägt (…) meine Schönheit Schuld. Könnt’ ich die nur vertauschen gegen hässliche Gestalt so hässlich wie ein Marmorbild mit abgewischten Farben.“
(Aus der Tragödie „Helena“ des griechischen Dramatikers Euripides, 485‐406 v. Chr.)
Was hier für die griechische und römische Antike gesagt worden ist, lässt sich auch für Werke anderer und älterer Kulturen sagen. Erst die Farbigkeit verhilft dem künstlerischen Werk zu seiner eigentlichen Wirkung und gewünschten Lebenskraft. Der Bildhauer musste seine Arbeit mit der folgenden Farbfassung abstimmen. Die farbige Gestaltung erfolgte nach einem Gesamtkonzept. Sie diente der Hervorhebung bildhauerisch ausgeführter Details oder ergänzte diese, wo eine plastische Gestaltung schwer möglich war. Die Farbe erhöhte das Verständnis einer Reliefszene um ein Vielfaches. Elemente, die der Bildhauer in flachen Reliefs nur schwer voneinander absetzen konnte, ließen sich durch die unterschiedliche Farbe ganz deutlich voneinander trennen. Gerade bei Körpern hintereinander gestaffelter Figuren verhalf die Farbe die Reihen zu verdeutlichen. Zwischen Bildhauer und Reliefmaler muss also eine detaillierte Absprache stattgefunden haben. Die Arbeitsabläufe waren genauestens aufeinander abgestimmt.
Wiederentdeckung der farbigen Antike
Die Traditionen der klassischen Antike waren in den „dunklen Jahrhunderten“ des Mittelalters fast völlig verloren gegangen. Sie wurden in der Renaissance wieder aufgegriffen, als man daranging, die Kultur aus dem Geist der Antike zu erneuern. Man orientierte sich an dem, was an Kunst des klassischen Altertums noch vorhanden war. Allerdings verzichtete man auf den Gebrauch von Farbe im Bereich der Skulptur. Michelangelo oder Donatello waren diesbezüglich keine Ausnahmen. Ihre Skulpturen behielten den unveränderten Ton des verwendeten Materials – gelegentlich Bronze, meist Marmor. Warum Leonardo, Rafael und Michelangelo – von den Größen zweiten Ranges ganz zu schweigen – der Tradition zum Trotz niemals auf den Gedanken kamen, ein Bildwerk farbig zu fassen, obwohl sie gleichzeitig Maler und Bildhauer waren und die Technik sowie die Wirkung beider Künste in gleichem Maße kannten und beherrschten, bleibt ein Rätsel und ist vielleicht mit den Sehgewohnheiten ihrer Zeit zu erklären.
Der deutsche Archäologe und Kunstschriftsteller Johann Joachim Winkelmann idealisierte rund dreihundert Jahre später die griechische und römische Klassik unter dem Schlagwort „edle Einfalt, stille Größe“, erklärte sie zum alleinigen Maßstab für künstlerische Vollkommenheit und prägte damit ganz wesentlich den deutschen Klassizismus. Vernunft und Einfachheit sollten den dominierenden Einfluss der Religion und den Formenreichtum des Barock ablösen. Weiß galt ab sofort als ästhetische Entsprechung dieser Ziele. In seinem Werk, der „Geschichte der Kunst des Altertums“ von 1764, schrieb Winckelmann:
„Da nun die weiße Farbe diejenige ist, welche die mehresten Lichtstrahlen zurückschicket, … so wird auch ein schöner Körper desto schöner sein, je weißer er ist.“
Mit diesem Satz definierte Winckelmann kraft seiner Autorität das klassizistische Schönheitsideal. Er erhob damit den rein weißen Marmor zur ästhetischen Norm für die Kunst der klassischen Antike, die als Maßstab für die Kunst schlechthin galt. Canova, Thorvaldsen und deren Kollegen nahmen sich daran ein Beispiel. Hatte nicht schon Michelangelo seinen David aus diesem reinsten und wertvollsten Material geschaffen, das einem Bildhauer zur Verfügung steht?
Auch Winckelmann wusste offenbar von den Farbspuren auf antiken Kunstwerken. Als bedauerliche Ausnahme beklagte er „die barbarische Sitte